Klapperschlange (Crotalus durissus)

[491] Die Klapperschlange (Crotalus durissus, Crotalus triseriatus, atricaudatus und Lucifer, Uracrotalon durissus, Uropsophis durissus und triseriatus) kennzeichnet sich dadurch, daß sie außer den großen Brauenschildern über jedem Auge vorn auf der Schnauze noch zwei Paare größerer Schilder besitzt, zwischen denen kleinere sich einschieben. An den großen dreieckigen Rüsselschild schließt sich jederseits der vierseitige Nasen- und an diesen weiter nach rückwärts ein zweiter kleinerer Schild an, welches aus dem Grunde wichtig erscheint, weil zwischen ihm und dem Nasenschilde die Nasenlöcher münden. Der Raum zwischen den beiden letztgenannten Schildern wird durch kleinere unregelmäßige, nach der Seite zu meist etwas vergrößerte Schildchen ausgefüllt; schon zwischen den Brauenschildern aber beginnen die länglich rautenförmigen, gekielten Schindelschuppen, welche die ganze Oberseite bekleiden und in siebenundzwanzig Längsreihen verlaufen. Die Grundfärbung des Oberkörpers ist ein düsteres Graubraun; die Zeichnung besteht aus unregelmäßigen schwarzen Querbinden, welche auf dem dunklen Schwanze sich verlieren; die Unterseite ist auf gelblichweißem Grunde mit kleinen schwarzen Punkten gezeichnet. Sehr alte Weibchen sollen eine Länge von fast zwei Meter erreichen; solche von 1,6 Meter Länge gehören jedoch schon zu den Seltenheiten.


Klapperschlange (Crotalus durissus). 1/4 natürl. Größe.
Klapperschlange (Crotalus durissus). 1/4 natürl. Größe.

Das Wohngebiet der Klapperschlange erstreckt sich vom Golfe von Mejiko an nach Norden hin bis zum sechsundvierzigsten Grade nördlicher Breite, wenn auch nur im westlichen Amerika; wenigstens geben alle Berichterstatter übereinstimmend an, daß die Schlange im Osten oder auf der atlantischen Seite des Landes höchstens bis zum See Champlain vorkommt. »Man kann annehmen«, sagt Geyer, »daß sie da nicht mehr heimisch ist, wo der Maisbau wegen öfterer Sommerfröste aufhört.« Noch in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts war sie in allen noch nicht bebauten Gegenden so erschreckend häufig, daß zwei Männer, welche des von ihnen hochgeschätzten Schlangenfettes halber regelmäßige Jagden auf Klapperschlangen anstellten, im Laufe von drei Tagen elfhundertundvier Stück erlegen konnten. Dem fortschreitenden Anbaue des Landes und der Vermehrung der Schweine schreibt man es zu, daß sie sich stetig vermindert.

[492] »Der Lieblingsaufenthalt der Klapperschlange«, fährt Geyer fort, »sind Oertlichkeiten, wo felsige, sonnige oder überhaupt öde Anhöhen von fruchtbaren, grasigen Thälern, Flüssen, Bächen oder Quellwiesen begrenzt werden; nur wenn regelmäßige, schwere Thaue die weite Ebene erfrischen, ist sie da anzutreffen, sonst nicht. Sie ist ein gegen den Witterungswechsel höchst empfindliches Thier und ändert ihren Aufenthalt schon während des Tages fast stündlich. Bei schönem, hellem Morgen eines heißen Tages badet sie sich im Thaue und wählt dann ein geeignetes Plätzchen auf einem Pfade oder breiten Steine, um sich zu sonnen und zu trocknen; später, in der Mittagshitze, sucht sie trockene, schattige Orte auf, um hier ruhig zu liegen, entfernt sich jedoch auch jetzt nicht weit von sonnigen Stellen. Wenn während mehrerer Nächte kein Thau gefallen, findet man sie oft an den Rändern von Pfützen und Flüssen; aber nur auf ihrer Raubjagd geht sie in das Wasser selbst. Gegen Regen ist sie sehr empfindlich. Ihre Wohnungen sind verschieden in angebauten, bevölkerten Gegenden und in Wildnissen. Hier wohnt sie in sogenannten Herbergen, dort nur vereinzelt, hier in gewaltsam eingenommenen Höhlungen, dort meist in Verstecken. Zu ersteren gehören die Baue der Prairiehunde, der Erdeichhörnchen, der Ratten, Mäuse und endlich die der Uferschwalbe, obgleich letztere für die größten Stücke kaum zugänglich zu sein scheinen. Allein die Klapperschlange bohrt mittels ihrer festen Schuppen an Kopf und Körper sehr leicht in feste Erde oder losen Sandstein, zumal wenn es darauf ankommt, die Löcher bloß zu erweitern. In einem spärlich beschatteten Abhange von neuem Sandsteine des oberen Des Moines-Flusses im jetzigen Staate Jowa, von ungefähr achtzig Meter Höhe, sahen wir Massen von Klapperschlangen und fanden, daß sie aus den erweiterten Höhlen der Uferschwalben ihren Kopf heraussteckten. In der Nähe von Ansiedelungen findet man sie selten oder nie in größerer Anzahl, es sei denn während der Begattungszeit, Ende April oder anfangs Mai. Hier hält sie sich in Spalten und Ritzen der Felsen, in Mauern und unter Gebäuden, in hohlen Bäumen und auf flachen Steinen, Holzklaftern und Reisighaufen auf; ja, man findet sie sogar unter den Dielen von Wohnungen, in den Schlupfwinkeln der Ratten und Mäuse.

Der Winteraufenthalt mag wohl so wie der anderer Schlangen sehr oft ein zufälliger sein. Das Thier wird durch einige warme Oktobertage noch einmal von der gewählten Herberge weggelockt, durch plötzliche Kälte überrascht und muß dann sein einstweiliges Versteck zum Bette für den Winter benutzen; daher findet man oft in Prairien unter einzelnen Steinen im Freien Klapperschlangen, welche hier mit gefülltem Magen den Winter verbringen wollen. Ihr Schlaf gleicht ganz dem anderer Kriechthiere, nur daß sie sich womöglich einen trockenen, abgeschlossenen Winteraufenthalt wählen.« Audubon, welcher das Thier sehr ausführlich schildert, erzählt folgendes: »Ich befand mich einst mit mehreren Bekannten im Winter auf der Entenjagd. Als wir uns unser Mittagsessen bereiten wollten, zündeten wir in der Nähe des Sees Feuer an und begannen, eine Ente zu rupfen. Einer meiner Begleiter wollte einen Klotz herbeirollen und entdeckte bei dieser Gelegenheit eine zusammengewickelte, erstarrte, große Klapperschlange. Sie war stocksteif; ich ließ sie daher zu fernerer Beobachtung in meinen Büchsenranzen stecken, den ich auf dem Rücken hatte. Bald darauf, während unsere Enten an hölzernen Gabeln über dem Feuer brieten, bemerkte ich, daß hinter mir sich etwas regte. Anfangs glaubte ich, es zappele eine Ente, die sich wieder erholt habe; bald aber fiel mir das gefährliche Thier ein, und ich bat daher meinen Begleiter, nach der Schlange zu sehen, schleuderte auch den Ranzen geschwind weit von mir weg. Die Schlange war bereits vollkommen lebenskräftig, kroch hervor und fing an zu klappern, während sie den Kopf in die Höhe reckte, den Körper zusammenringelte und sich so auf jeden Angriff gefaßt machte. Da sie sich weit vom Feuer befand, glaubte ich, daß sie die Kälte bald wieder still machen würde; und noch ehe unsere Ente gebraten war, hörte sie auf zu klappern und suchte einen Zufluchtsort. Bald darauf war sie wieder so starr als vorher. Wir nahmen sie mit nach Hause und weckten sie unterwegs mehrmals aus ihrer Erstarrung, indem wir sie an das Feuer brachten.« Eine anderweitige Mittheilung gibt Palizot-Beauvois nach eigenen Beobachtungen. »Am liebsten hält die [493] Klapperschlange ihre Winterruhe in der Nähe der Quellen. Wir wühlten mehrere Herbergen an den Ufern des Moritzflusses auf. Gekrümmte Gänge liefen nach einer Art von Kammer, welche in einer Entfernung von zwei bis drei Meter vom Eingange lag; dort ruhten mehrere Schlangen zusammen auf dem vom Wasser befeuchteten Grunde, ohne jegliche Bewegung. Unser Führer brachte uns sodann an einen Sumpf, welcher zwanzig bis dreißig Centimeter hoch mit Torfmoos bedeckt war. Die Oberfläche des Mooses war vom Froste hart; unter der Moosfläche aber fanden wir mehrere Klapperschlangen, welche langsam auf dem vom Wasser benetzten ungefrorenen Boden umherkrochen. Sie verbergen sich im Herbste vor der Tag- und Nachtgleiche, nachdem sie sich gehäutet haben, und erscheinen im Frühlinge zu entsprechender Zeit.«

Geyer hält die Klapperschlange für ein Tagthier und versichert, daß sie jede Nacht so regelmäßig in ihrer Wohnung sei, wie man es nur bei Hausthieren gewahren könne, da er selbst beobachtet habe, daß eine derartige Schlange am Fuße eines hohlen Baumes volle vier Wochen hindurch an jedem Abende sich zeigte, bei Tage aber nicht zu erblicken war. Daß die Folgerung, welche Geyer, von dieser Beobachtung ausgehend, auf das Tagleben der Schlangen zieht, nicht richtig ist, geht aus seinen übrigen Angaben zur Genüge hervor. Um die Behauptung, daß die Klapperschlange ein Gesellschaftsthier sei, zu begründen, erzählt er folgendes Abenteuer. »Bei meiner Rückkehr von einer Sammelreise langte ich am zweiundzwanzigsten August am Fuße eines hohen Berges an, welcher von dem rauschenden Spokan bespült wird. Ich beschloß hier auf einer von Gesträuch umgebenen Wiese zu übernachten. Gleich nachdem ich abgestiegen, ging ich an den Fluß, um zu trinken, fand eine Pflanze und wurde beim Aufsuchen anderer von einer großen Klapperschlange angegriffen, welche ich augenblicklich erlegte. Als ich später mein Abendessen zu mir nahm, hörte ich Lärm; ein Maulthier, welches ich für die Nacht in der Nähe angebunden hatte, wurde höchst unruhig; doch ich verließ meine Mahlzeit nicht und nahm erst, nachdem ich fertig war, mein Trinkgefäß, um Wasser aus dem Flusse zu holen. Der Lärm, den ich noch hörte, schien nah und war etwa mit dem Geräusche zu vergleichen, welches entsteht, wenn man Stangen oder Stäbe auf der Erde schleift. Sobald ich die kleine grasige Wiese überschritten hatte und an dem etwa einen Meter über die Kiesfläche erhöhten Ufer stand, erblickte ich eine zahllose Menge von Klapperschlangen, schnellend und wirbelnd, auf der kiesigen Fläche. Der Mond schien hell, und ich konnte deutlich sehen, wie sie unter- und übereinander wegkrochen, besonders in der Nähe der abgerundeten Granitblöcke, welche hier und da zerstreut lagen, und um welche sie fortwährend herumrasselten. Der Lärm wurde vermehrt durch das Rauschen ihrer schuppigen Körper auf dem Kiese; der Gestank war ekelhaft und unerträglich. Von Furcht ergriffen, zog ich mich nach meinem Wachtfeuer zurück und hüllte mich in meine wollene Decke; denn ich fürchtete, daß es diesen Gästen einfallen könnte, zu meinem Feuer zu kommen und mich im Schlafe zu stören und anzugreifen. Der Lärm hielt an bis gegen zehn Uhr, worauf er nach und nach ein Ende nahm. Jetzt legte ich mich schlafen. Sobald der Tag anbrach, stand ich auf, sattelte mein Maulthier und suchte nach meinen Pferden, um dieses unangenehme Lager zu verlassen, kehrte aber nach einem fruchtlosen Ritte von mehreren Stunden zurück, ohne sie aufzufinden und war so gezwungen, zu bleiben. Nun begann ich, die kiesige Fläche am Ufer zu untersuchen, fand diese aber gänzlich verlassen und ebenso ruhig wie am Nachmittage vorher. Nur die Klapperschlange, welche ich getödtet hatte, lag noch da. Noch nicht zufrieden mit dieser Untersuchung, hieb ich mir einen Hebel aus und fing an, die großen flachen Steine am Ufer aufzuheben, in dem Glauben, daß die Schlangen hier sein müßten; aber bei all meinem Suchen konnte ich auch nicht eine erblicken. Einige Tage nach meinem Schlangenabenteuer hatte ich das Vergnügen, den Oberfaktor Macdonald zu Fort Colville zu treffen. Als ich ihm die oben berichtete Thatsache mittheilte, versicherte er mir zu meinem großen Erstaunen, daß er am einundzwanzigsten August, also einen Tag vor mir, dasselbe am Ufer des Columbia erlebt habe.«

Die meisten Beobachter beschreiben die Klapperschlange als ein überaus träges, langsames Geschöpf, und Beauvois sagt sogar, daß wenige Schlangen so gutmüthig seien als sie. »Nie fällt [494] sie von selbst Thiere an, deren sie nicht zur Nahrung bedarf; nie beißt sie, wenn sie nicht erschreckt oder berührt wird. Oft bin ich in einer Entfernung von nur wenigen Centimetern an ihr vorübergegangen, ohne daß sie die geringste Lust zeigte, mich zu beißen. Ich habe ihre Gegenwart wegen des Rasselns ihrer Klapper immer im voraus bemerkt, und während ich mich ohne Eile entfernte, rührte sie sich nicht und ließ mir Zeit, einen Stock abzuschneiden um sie zu tödten.« Diese Angabe gilt nur bedingungsweise; denn sie bezieht sich auf das Betragen der Schlange während der Zeit ihrer Ruhe: wenn sie wirklich munter ist, verhält sich die Sache anders. »Die Klapperschlange«, sagt Geyer, »ist rasch in ihren Fortbewegungen, ohne sich sehr anzustrengen, zu krümmen oder zu biegen. Letzteres ist es, welches ihr scheinbar eine langsame Bewegung gibt; bedenkt man aber die Strecke, welche sie in einer Sekunde zurücklegt, so ergibt sich eine bedeutende Schnelligkeit. Auf ihren Raub stürzt sie sich mit zunehmender Geschwindigkeit, welche zuletzt dem Fluge eines Vogels gleicht. So sah ich einst bei einem Bauernhofe in Missouri eine Klapperschlange von einem Baumstamme herab auf ein junges Huhn schießen und es, beim Flügel fassend, blitzschnell nach einem nackten Felseneilande tragen, so daß ich ihr kaum folgen konnte. Ein gut geworfener Stein brachte sie zum Anhalten: sie umwickelte nun ihr Opfer und ließ es mit dem Rachen los, biß es aber, sobald ich mich ruhig verhielt, in den Kopf. Beim zweiten Steinwurfe ließ sie das Opfer wieder los, hielt es dann abermals beim Flügel ziemlich hoch empor, anscheinend sich an der Todesangst desselben ergötzend. Bald zeigte sie Lust, davon zu gehen; aber scharf getroffen von einem Steine, ließ sie ihre halbtodte Beute fahren und rollte sich zur Wehre auf. Ich tödtete sie nun. Noch größere Schnelligkeit bewunderte ich bei einer Klapperschlange am oberen Mississippi bei der Jagd auf ein Grundeichhörnchen.« Genau dasselbe sagt Audubon. »Die Klapperschlange jagt die in unseren Wäldern häufigen grauen Eichhörnchen und fängt sie ohne Mühe. Ich selbst hatte das Vergnügen, einer solchen Jagd zuzusehen. Um das Benehmen eines mir neuen Vogels zu beobachten, hatte ich mich niedergelegt, wurde aber durch ein scharfes Rauschen in meiner Nähe aufmerksam und erblickte beim Umsehen ein ausgewachsenes graues Eichhorn, welches aus einem Dickichte herausfuhr und in meterweiten Sätzen geradeaus vor einer Klapperschlange floh, welche nur noch etwa sechs Meter hinter ihm war. Sie glitt so schnell über den Boden weg, daß sie dem Eichhorn immer näher kam. Letzteres erreichte einen Baum und war geschwind bis zu dessen Wipfel emporgeklettert. Die Schlange folgte ihm bedeutend langsamer, immerhin aber noch so schnell, daß das Eichhorn weder mit dem Schwanze schlug noch grunzte, vielmehr den emporkletternden Feind scharf im Auge behielt. Als die Schlange nur noch wenige Meter vom Eichhorne entfernt war, sprang dieses auf einen anderen Zweig; jene folgte ihm, indem sie sich um volle zwei Drittheile ihrer Länge in die Luft ausstreckte, hinten mit dem Schwanze sich haltend. Das Eichhorn sprang mit außerordentlicher Geschwindigkeit von einem Zweige zum anderen, kroch währenddem in mehrere Löcher, aus denen es jedoch bald wieder herauskam, weil es wohl wußte, daß die Schlange ihm in jedes Loch folgen könne und that endlich einen gewaltigen Satz auf den Boden, wobei es, um den Fall zu verzögern, Schwanz und Beine soweit als möglich ausstreckte. In demselben Augenblicke ließ sich die Schlange ebenfalls herabfallen, so daß sie sich, ehe das Eichhorn weiter geflohen war, nur wenige Meter von ihm befand. Nun ging die Jagd auf dem Boden von neuem an, und ehe das Eichhorn wieder einen Baum erreichen konnte, hatte es die Schlange am Hinterkopfe gepackt und sich bald so um dasselbe gewickelt, daß ich es zwar schreien hörte, aber nicht das geringste von ihm sehen konnte. Sie war dabei so erpicht, daß sie mich gar nicht beachtete, während ich mich näherte, um sie genau ins Auge zu fassen. Nach wenigen Minuten löste sie ihre Schlingen, erhob sich wenige Centimeter vom Boden und strich mit dem Kopfe nach verschiedenen Richtungen über das todte Thier, um sich zu überzeugen, daß kein Leben mehr in ihm sei, faßte dann die Schwanzspitze, verschluckte den Schwanz, mit einigen Anstrengungen auch die Hinterbeine und Keulen, wobei ihre Kiefer sich so ausdehnten, daß der Rest anscheinend leicht hinunterrutschte.« Ich kann nicht umhin, zu bemerken, daß ich annehmen muß, Audubon habe in diesem Falle die Schwarznatter (S. 358) für eine Klapperschlange angesehen. [495] Alle übrigen Beobachter sprechen dieser Kletterfertigkeit gänzlich ab. Eher noch, als sie Bäume besteigt, geht sie ins Wasser, wenn sie auch dasselbe nicht gerade aufsuchen mag. Daß sie zuweilen Seen oder Flüsse übersetzt und sich im Wasser sehr schnell bewegt, hat schon der alte Kalm angegeben. »Sie sieht dabei wie aufgeblasen aus und schwimmt auch völlig wie eine Blase auf dem Wasser. Sie hier anzugreifen, ist nicht räthlich, weil sie sich, wie man erfahren hat, plötzlich in das Fahrzeug werfen kann.«

Die Nahrung besteht aus kleinen Säugethieren, Vögeln und Lurchen, namentlich Fröschen. Kalm behauptet, daß man selbst den Mink in ihrem Magen gefunden habe, fügt dem aber, gleichsam zum Beweise der Unrichtigkeit seiner Angabe, hinzu, daß sie größere Thiere, als Eichhörnchen und Hasen, nur halb verschlinge, liegen bleibe, bis die erste Hälfte verdaut sei, und dann die zweite nach sich ziehe. Ueber die sogenannte Zauberkraft der Schlange wird noch heutigentages gefaselt, obwohl alle unbefangenen Beobachter jene »Kraft« in Abrede stellen. Ob sie wirklich zuweilen eingepacktes Thier umschlingt und es, wie die ungiftigen Schlangen, erdrückt oder, wenn sie gebissen, immer ruhig liegen bleibt und die Wirkungen des Bisses abwartet, wage ich nicht zu entscheiden, halte jedoch letzteres für das wahrscheinlichere. An meinen Gefangenen habe ich niemals bemerkt, daß sie die ihnen vorgeworfenen Opfer gewürgt hätten, wohl aber kam es zuweilen vor, daß sie sich nicht die Mühe nahmen, eine kleinere Beute vor dem Verschlingen zu vergiften, dieselbe vielmehr ohne weiteres ergriffen und, ganz so wie Nattern Frösche, hinabzuwürgen begannen. Dieselbe Beobachtung hat auch Schmidt an den von ihm gepflegten Klapperschlangen gemacht. Nach reichlich genossener Mahlzeit soll sie einen fürchterlichen Gestank von sich geben, welcher nicht bloß den feinsinnigen Thieren, sondern auch den Menschen auffällt. Diese Angabe wird von mehreren Beobachtern bestritten, von anderen auf das bestimmteste behauptet. Lacépède spricht von einer entsetzlichen Ausdünstung der Klapperschlangen und bringt damit die sogenannte Bezauberung in Verbindung, und Powell erzählt, daß er einst eine Grube besucht habe, in welcher sich mindestens hundert Klapperschlangen unter Steinen verkrochen gehabt hätten. In weniger als fünf Minuten fühlte er, wie seine Gefährten, sich unwohl von dem überaus heftigen Gestanke, welchen die Schlangen verbreiteten, wurde fast ohnmächtig, bekam Neigung zum Erbrechen und konnte sich nur mit großer Mühe vor der ihm drohenden Gefahr retten. Dies ist nun sicherlich übertrieben; ein Körnlein Wahrheit scheint aber doch an der Sache zu sein, da man beobachtet hat, daß die Thiere, auch ohne eine Klapperschlange zu sehen, von deren Vorhandensein unterrichtet werden, Pferde z.B. plötzlich scheuen und auf die Seite springen, wenn sie in einer Entfernung von mehreren Schritten an einer solchen vorübergehen. »Wenn andere«, sagt Geyer, »die stinkende Ausdünstung der Klapperschlange schlechtweg leugnen, so muß ich, bei ziemlich stumpfen Geruchswerkzeugen, das Gegentheil behaupten. Es kommt wohl auf die Speise an, welche sie genossen; hat sie z.B. ein Eichhörnchen verschluckt, so versteht es sich, daß sie einen üblen Geruch verbreitet, ebenso wie die Aasvögel; denn sie verzehrt auch todte Thiere. Möglich, daß sie im hungerigen Zustande weniger unangenehm riecht.« An Gefangenen habe ich, wie ich ausdrücklich bemerken will, zuweilen nicht den geringsten, zuweilen einen schwachen moschusartigen Geruch verspürt.

Die Fortpflanzung beginnt in den ersten Frühlingsmonaten, und die Vereinigung der Geschlechter geschieht genau ebenso wie bei den Kreuzottern. »Die Begattungsweise dieser Thiere«, sagt Audubon, »ist so widerlich, daß ich ihrer gar nicht gedenken würde, wäre sie nicht im höchsten Grade merkwürdig. Zu Anfange des Frühlinges kriechen die Schlangen, nachdem sie ihre Haut gewechselt, glänzend im frischesten Farbenspiele und voller Leben und Feuer im Auge, hervor. Männchen und Weibchen schweifen auf den lichten, sonnigen Stellen der Hölzer umher und schlingen sich, wenn sie sich begegnen, in einander, bis zwanzig, dreißig und noch mehr zu einem scheuslichen Knäuel sich vereinigend. Dabei sind die sämmtlichen Köpfe in allen Richtungen nach außen gekehrt, die Rachen aufgerissen, und sie zischen und klappern. In dieser Lage bleiben sie mehrere Tage an einer und derselben Stelle liegen. Man würde sich in die größte Gefahr begeben, wollte man sich einer solchen [496] Gruppe nähern; denn sobald sie einen Feind erblicken, lösen sich alle geschwind auf und machen Jagd auf ihn.« Letzteres ist höchst wahrscheinlich nicht an dem; das Verknäueln der begattungslustigen Thiere aber unterliegt keinem Zweifel, wird auch durch Geyer, welcher Berichte der Indianer wiedergibt, bestätigt. Die Eihüllen werden im August gelegt, und die Jungen sprengen sie wenige Minuten später, ohne daß sich die Mutter weiter um sie bekümmert. Eine Behauptung des bereits genannten Palizot-Beauvois versucht allerdings das Gegentheil zu beweisen; aber diese Behauptung ist unglaublich. »Bei der ersten Reise«, erzählt er, »welche ich im Lande der Irokesen machte, traf ich eine Klapperschlange an, und da ich sie von weitem bemerkt hatte, nahete ich mich so leise als möglich. Aber wie erstaunte ich, als in demselben Augenblicke, in welchem ich den Arm aufhob, um sie zu erschlagen, ich sie ihr Maul öffnen sah und zugleich fünf junge Schlangen von der Dicke einer dünnen Federspule gewahrte, welche sich darin verkrochen. Betroffen über diesen wunderbaren Anblick, zog ich mich zurück und verbarg mich hinter einem Baume. Nach wenigen Minuten, als die Schlange keine Gefahr mehr ahnte, öffnete sie den Rachen: die Jungen krochen wieder hervor; ich zeigte mich wiederum: die Jungen krochen nochmals in den Rachen, und die Mutter entfloh hierauf mit ihrem Schatze. Mehrere amerikanische Pflanzer hatten mir diese Thatsache schon früher mitgetheilt, ich hatte sie jedoch nicht glauben wollen; seitdem hat sie der Reisende Guillemard bestätigt. Sie ist wahr: man mag dagegen sagen, was man will.« Der Reisende thut wohl daran, daß er die Unglaublichkeit der Geschichte von vornherein zugesteht; denn man hat bis zum heutigen Tage etwas ähnliches von keiner anderen Schlange beobachtet, und es wäre gewiß im höchsten Grade auffallend, wenn die Klapperschlange von der allgemeinen Regel eine Ausnahme machen sollte. Für viel wichtiger als diese Erzählung, welche übrigens doch Gläubige gefunden hat, halte ich den auf eigener Anschauung beruhenden Bericht Geyers über das Ausschlüpfen und Gebaren der Jungen. »Nur ein einzigesmal hatte ich Gelegenheit, das Auskriechen junger Klapperschlangen zu beobachten; es war im Monate August an einer verlassenen Mormonenwohnung am Missouri. Die Alte sonnte sich auf einem kleinen Plätzchen vor dem Eingange der Hütte und kroch bei meiner Annäherung unter die Schwelle; da aber gewahrte ich eine kleine Klapperschlange von ungefähr funfzehn Centimeter Länge. Ich stieß mit einem Knüttel unter die Schwelle und hörte die Alte fortrasseln, sah aber nun mehrere Junge und fand, nachdem ich die Schwelle, einen großen Klotz, weggewälzt, gegen vierzig Eier zwischen einigen Steinen in der trockenen Erde, von denen schon viele ausgekrochen waren. Sie hatten verschiedene Form, die Größe kleiner Taubeneier und eine fahle Färbung. Die ganz kleinen Schlangen zeigten schon eine Beißlust, welche mich in Erstaunen setzte. Daß die Klapperschlange ihre Jungen bei Gefahr in ihrem Rachen bewahre, ist auf alle Fälle ein Irrthum; denn hier wäre eine Gelegenheit dazu gewesen: die Alte aber verließ ihre Jungen.«

»Der schlimmste Feind der Klapperschlange ist ein sehr harter Winter, besonders wenn er sich früh und plötzlich einstellt; ausgedehnte Frühjahrsüberschwemmungen schaden ihr nicht minder und ebenso die Wald- und Steppenbrände. Man hat Beispiele, daß ganze Gegenden von ihr durch harte Winter, Ueberschwemmungen oder Brände gesäubert wurden, so häufig sie auch vorher sich da aufhielt. Allgemein geht die Sage, daß die Schweine Klapperschlangen vertilgen und auffressen, auch daß das Gift derselben ihnen nicht schade, und es haben diese Sage sogar mehrere Forscher für baare Münze genommen, obgleich sie im Grunde bloß eine leere Behauptung ist. Viele Versuche, welche ich anstellte, bestätigten, was ich immer fand: daß die Schweine ebenso wie andere Hausthiere lebende Klapperschlangen scheuen und auch die todten, in Stücke zerhackten, nie anrühren.« Ich habe die letzten Angaben Geyers nicht unterdrücken wollen, muß jedoch bemerken, daß schon die ersten Berichterstatter die Nützlichkeit der Schweine als Klapperschlangenvertilger hervorheben und neuere Beobachter hierin vollständig mit ihnen übereinstimmen. »Sobald die Schlange ein Schwein sieht«, sagt Kalm, »entfällt ihr aller Muth, und sie begibt sich sogleich auf die Flucht. Die Schweine suchen sehr begierig nach ihr und wittern sie von weitem, spüren sie auf, nähern sich [497] derjenigen, welche sie zu sehen bekommen, mit gesträubten Borsten mehr und mehr, fahren auf sie zu und hauen mit den Zähnen auf sie los. Haben sie die Schlange im Rachen, so schütteln sie dieselbe stark und fressen sie ohne Schaden auf, lassen jedoch den Kopf liegen. Wenn jemand eine wüste Gegend ausrodet, versieht er sich sogleich mit Schweinen, treibt sie hinein und ist dann sicher, in kurzer Zeit von diesem Ungeziefer befreit zu werden. Zuweilen wird das Schwein wohl von einer Schlange gebissen; meistens aber schadet es ihm nichts.« Ich vermag in vorstehenden Angaben Kalms nichts zu finden, was mir unwahrscheinlich erschiene, und werde in dieser Ansicht durch neuere Beobachter bestärkt. »Keine Oertlichkeit in Oregon«, sagt Brown, »war früher mehr von Klapperschlangen bevölkert, als die Thäler des Columbiaflusses. Einige Zeit nachdem die ersten Ansiedler in diesen Theil des Landes gekommen waren, wurden diese Schlangen so lästig als nur möglich. Denn sie kamen selbst in das Innere der Häuser und krochen unter die Betten der Leute. Alle Anstrengungen, ihrer Herr zu werden, erwiesen sich als vergeblich, bis die Schweine allgemein verbreitete Hausthiere des Landes geworden waren. Die nützlichen Geschöpfe wurden in den Eichenwäldern gemästet und meist so gut als gänzlich sich selbst überlassen. Von dieser Zeit an begann die Herrschaft der Klapperschlangen zu sinken, und gegenwärtig sind diese hier so selten, daß ich in einem Zeitraume von vierzehn Tagen, während dem ich, Pflanzen sammelnd, beständig das Land nach allen Seiten zu Fuße durchmaß, in einem Umkreise von sechs oder sieben englischen Meilen auch nicht eine einzige gesehen zu haben mich erinnere. Erst nachdem ich jenseit der von den Schweinen besuchten Orte gekommen war, wurden die Klapperschlangen wieder häufiger. Zwischen den Schweinen und den Schlangen scheint eine natürliche Abneigung zu herrschen. Sobald ein Schwein eine Schlange sieht, stürzt es unter lautem Grunzen auf dieselbe los, setzt, ehe noch der Giftwurm seine Zähneeinschlagen kann, einen Fuß in dessen Nacken, zerquetscht ihn und frißt ihn dann ruhig auf. Die Indianer kennen diese gegenseitige Feindschaft wohl, und mehr als einmal habe ich erlebt, daß eine Indianerin zu den Ansiedlern kam, um sich ein Stück frisches Schweinefleisch auszubitten. Sie wolle, sagte sie, dasselbe beim Beerensuchen um ihre Knöchel binden, um gegen die Bisse der Klapperschlange geschützt zu sein. Im südlichen Oregon scheint die schwerlich begründete Auffassung, daß selbst das Fleisch der Schweine gegen Schlangenbisse schütze, weit verbreitet zu sein; ja man versteigt sich sogar zu der Behauptung, das Schweinefleisch sei ein Heilmittel gegen das Schlangengift. Wahr aber mag es sein, daß eine dicke Lage von Fett das Schwein selbst vor dem Eindringen des Giftes in das Blut bewahrte.« In gleichem Sinne spricht sich Bruhin aus. »Die Klapperschlangen«, sagt er, »waren früher in der Grafschaft Milwaukee keineswegs selten, sind jetzt aber durch die thatkräftige Verfolgung von Seiten der Menschen und der Schweine beinahe gänzlich ausgerottet. Mir wenigstens gelang es in einem Zeitraume von fünf Jahren bei allen Streif- und Querzügen durch Busch, Feld und Sumpf nicht, einer einzigen habhaft oder auch nur ansichtig zu werden, obschon noch hier und da einzelne Klapperschlangen auch in Neuköln gefunden werden.« Nach diesen übereinstimmenden Mittheilungen verschiedener Beobachter, von denen anscheinend keiner etwas von dem anderen weiß, und nach ähnlichen Wahrnehmungen in anderen Gegenden glaube ich, daß Geyer die Wirksamkeit des Schweines unterschätzt hat. »Als Feinde und Nachsteller der Schlangen«, fährt letzterer fort, »nennt man auch das Wiesel, das Opossum und die Dachse, besonders den schwarzen Walddachs. Für die ersten beiden konnte ich nie eine hinreichende Beglaubigung finden, und mit dem Walddachse habe ich auch Versuche angestellt, welche ebenso wie mit dem Schweine ausfielen. Nicht minder unzuverlässig sind die Sagen über die Raubvögel als Feinde der Klapperschlangen, den Bussard oder Geier ausgenommen. Alle übrigen sind zu schwach, an dieselben sich zu wagen. Einen Gabelschwanzfalken, welcher als Klapperschlangenfänger besonderen Ruf hat, fand ich häufig da, wo ich selten eine Klapperschlange antraf; wohl aber mögen die Raubvögel junge Schlangen verzehren.

Sehr viele Klapperschlangen werden auf den Landstraßen erlegt und überfahren. Jeder steigt gern von seinem Pferde, um die Anzahl dieser garstigen Thiere zu verringern. So vielen ich auch [498] begegnet und so viele ich erlegt habe, so konnte ich doch einen Schauder vor diesen Thieren nie überwinden, obgleich ich bloß ein einziges Mal in die Schuhspitze gebissen wurde, ohne jedoch verwundet zu werden. Doch weicht man in Amerika vor einer Klapperschlange nur zurück in der Absicht, einen Stein oder Stock zu finden, um sie zu erlegen. Jeder kleine Knabe tödtet sie; die Furcht vor ihr ist also unbedeutend. In den bewohnten Gegenden Nordamerikas gehört sie bereits zu den Seltenheiten, da die unablässige Verfolgung denn doch ihre Wirkung nicht verfehlt hat.« Nach Castelnau werden in allen Gegenden, welche man in Anbau zu nehmen gedenkt, vorerst große Jagden auf sie angestellt, um ein Gebiet so viel wie möglich von ihnen zu säubern. Wie unser Reisender versichert, wurden in der Nähe des Sees Georges einmal an einem Tage vierhundert Stück erlegt. Nicht wenige verlieren, laut Geyer, auch zufällig ihr Leben; sie kriechen, um sich zu sonnen, auf die Fahrwege heraus, legen sich in die Geleise und werden von den Rädern zermalmt. »So viele zufällig getödteter Schlangen ich übrigens auch sah, keine von ihnen wurde durch ein größeres Thier verzehrt: alle blieben bis zur äußersten Verwesung liegen; nur ein breiter, ganz flacher, aschfarbiger, gerippter Käfer nährt sich von ihrem Aase.

Der Ureinwohner Amerikas scheut sich vor der Klapperschlange mehr als der Weiße; denn unter diesen findet man einzelne, welche, die giftigen Zähne nicht fürchtend, die Klapperschlangen mit bloßer Hand ergreifen. Ein Sohn des berühmten Generals Clark, Mitglied unserer Karawane nach den Felsengebirgen, hatte stets die Taschen mit Rasseln angefüllt. Sobald er eine Klapperschlange erblickte, rannte er ihr nach, trat ihr mit dem linken Fuße auf den Kopf, riß ihr mit der rechten Hand die Rassel ab und ließ sie dann los, ohne jemals gebissen zu werden.

Die Sioux, Dacotahs oder Nadowessier tödten keine Klapperschlange; vielmehr steht sie wegen ihrer List in Ansehen, und das Begegnen einer solchen wird von ihnen als etwas günstiges gedeutet. Wegen dieser Verehrung der Schlangen erhielten diese Indianer von ihren Erbfeinden den Namen Naddowessju, welcher so viel wie Klapperschlange bedeutet. Der Name Sioux ist nichts mehr, als die letzte Silbe jenes Wortes. Kein anderer Indianerstamm hegt die religiöse Achtung vor diesen Thieren, auch nicht die Schlangenindianer oder Schaschonies.«

Viele Thiere kennen und fürchten die Klapperschlange. Pferde und Rinder scheuen sich vor ihr und entfliehen, sobald sie sie gewahren; Hunde stellen sie, halten sich aber in achtungsvoller Ferne, Vögel erheben bei ihrem Anblicke lautes Angstgeschrei. »In einer Entfernung von etwa zwanzig Schritten von meinem Hause«, erzählt Duden, »sah ich eine etwa anderthalb Meter lange Klapperschlange, welche sich eben am Fuße eines Nußbaumes aufgerollt und eine angreifende Stellung gegen meine Hunde angenommen hatte. Ihr Schweif war in steter Bewegung und verursachte ein Geräusch, wie das eines Scherenschleifers, während sie den geöffneten, hoch gehobenen Rachen meinen beiden Hunden entgegenstreckte. Diese blickten unbeweglich, wie mit äußerster Verwunderung, auf das drohende Thier und wagten nicht, es anzugreifen, obgleich keiner von ihnen zu furchtsam war, sich mit Wölfen zu messen. Auch zwei Katzen standen umher, von gleicher Verwunderung befangen. Ich war besorgt für das Loos meiner Hausthiere; die Schlange aber änderte plötzlich ihre Stellung und setzte ihren Weg fort. Hunde und Katzen wichen ihr sorgfältig aus, verfolgten sie aber dennoch, wie es schien aus bloßer Neugier. Ich schoß ihr eine volle Ladung in den Leib und machte alsdann mit einem Stocke ihrem zähen Leben ein Ende. Keines der Hausthiere konnte ich dahin bringen, sich dem leblosen Körper mehr zu nähern, als sie sich vorher der lebenden Schlange genahet hatten.«

Von mehreren Beobachtern ist die Behauptung ausgesprochen worden, daß die Klapperschlange vor dem Bisse immer zu rasseln pflege; dies ist jedoch nicht ganz richtig. »Geht sie«, sagt Geyer, »langsam, so schleppt sie die Rassel völlig; ist sie aber auf der Flucht, so hebt sie solche in die Höhe, rasselt aber ununterbrochen wie vorher; nur wenn sie ihren Raub verfolgt, hört man davon nichts. Das Rasseln klingt wie das Geräusch, welches ein Schleifer hervorbringt, oder täuschend ähnlich dem Rasseln der Wickensamen im Getreide. In den Prairien des oberen Missouri leben kleine Heuschrecken, [499] welche beim Fortfliegen genau dasselbe Geräusch verursachen. Die Klapperschlange warnt auch nicht immer, sondern nur, wenn sie erschrickt oder sich angegriffen sieht. Sehr oft sah ich eine da liegen, wo ich einen Augenblick vorher kaum einen Zehntelmeter entfernt gestanden hatte.« Die Wilden behaupten, laut Kalm, daß sie niemals klappere, wenn sie böses im Sinne habe: eine Ansicht, welche mit den Anschauungen der Rothhäute über die List und Schlauheit der Schlangen vollständig übereinstimmt, aber gewiß unbegründet ist. Soviel wir beurtheilen können, ist das Rasseln nichts weiter als ein Zeichen größerer Erregung, welche sich ja auch bei anderen Schlangen durch heftiges Bewegen mit der Schwanzspitze zu erkennen gibt. Die von mir gepflegten oder sonst wie in Gefangenschaft gesehenen Klapperschlangen rasselten stets, wenn sie irgend wie gestört zu werden glaubten, gewöhnlich schon, sobald man das Zimmer betrat, in welchem ihre Käfige standen. Beim Rasseln nehmen sie in der Regel die Stellung an, welche auf unserer Abbildung wiedergegeben worden ist, indem sie den Kopf zwanzig bis dreißig Centimeter über den Boden erheben, den Hals, um sogleich die zum Vorstoße nöthige Länge des Vorderleibes frei zu haben, Sförmig biegen, und die Schwanzspitze mit der Rassel zwischen den Windungen, wie ganz richtig dargestellt, hinter der Biegung des Halses emporstrecken. Das Geräusch, welches auch nach meiner Ansicht am besten mit dem Zirpen einer Heuschrecke verglichen werden kann, jedoch minder hell, vielmehr sehr dumpf, ich möchte sagen, tonlos klingt, wird durch seitliches Hin- und Herbewegen des Schwanzes hervorgebracht; die Schwingungen geschehen aber so schnell, daß das Auge nicht mehr im Stande ist, die Schwanzspitze zu unterscheiden, sondern wie bei allen schnell sich bewegenden Körpern nur einen Schatten derselben gewahrt. Wahrhaft bewunderungswürdig ist die Ausdauer, mit welcher eine Klapperschlange rasselt. So lange sie sich bedroht fühlt, verbleibt sie in der angenommenen Stellung und rasselt fort. Ich habe mir es, boshaft genug, zum Vergnügen gereichen lassen, ihre Ausdauer zu erproben; sie aber hat mich ermüdet. Tritt man ein wenig von der erregten Schlange zurück, so wird das Rasseln schwächer, nähert man sich ihr wiederum, so verstärkt sich auch der Laut, und dies um so mehr, je mehr ihre Furcht und ihr Zorn sich steigern. Nach meinen Beobachtungen glaube ich annehmen zu dürfen, daß sie stets rasselt, wenn sie einen sich nahenden Menschen rechtzeitig zu sehen bekommt und nur dann lautlos zubeißt, wenn sie von einem solchen vollständig überrascht wurde.

Der Biß ist immer sehr gefährlich, weil die außerordentlich großen, nadelspitzen Zähne auch eine dichte Bekleidung oder ein dickes Fell durchdringen. »Sie beißt«, sagt Geyer, »mit einer Kraft, welche man in ihr nicht vermuthet. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß sie nicht springen kann, machte ich mir es zum Zeitvertreibe, ihre Beißlust zu beobachten. Ich fand, daß die Giftzähne keineswegs so leicht abbrechen, selbst wenn man den Stock, in welchem sie sich festgebissen hat, dreht; ja man kann das ganze Thier mitdrehen und in die Höhe heben. Läßt es los, so thut es dies nur, um die Zähne zu erhalten, beißt jedoch augenblicklich wieder ein. Eine große, mit zwölf Rasselgliedern versehene, gegen zwei Meter lange Klapperschlange biß, nachdem ich sie gelähmt, etwa dreißigmal in einen Hickorystab von drei Centimeter Durchmesser, riß an der betreffenden Stelle die Rinde bis auf den Splint ab und zerbiß auch diesen noch. Je länger man dieses Spiel treibt, um so wüthender wird die Schlange, und zuletzt erfolgen die Bisse erstaunlich rasch auf einander; schließlich aber stellt sich Ermattung ein, und Furcht tritt an die Stelle der Wuth.

Eine andere Gelegenheit, die Kraft des Bisses zu erfahren, bot sich mir einmal in der Prairie am Missouri dar. Ich bemerkte einen ausgewachsenen Ochsen, welcher wie wüthend auf mich zukam. Um ihm nicht vor die Hörner zu gerathen, lenkte ich den Kopf meines Pferdes seitwärts und setzte es zugleich in kurzen Galopp. Der Ochse strich neben einem niedrigen Strauche dicht an mir vorüber, und dabei sah ich, daß eine große Klapperschlange hinter seiner Kinnlade hing. Ich setzte ihm nach. Er beschrieb einen weiten Bogen, rannte endlich mit voller Kraft in einen Apfelhain, brach auf der anderen Seite durch, und hatte seinen Feind abgestreift. Um die [500] Folgen des Bisses zu beobachten, stieg ich ab. Der Ochse ging langsam zu den übrigen grasenden Rindern, weidete aber nicht; einige Minuten später stand er still, hing den Kopf und neigte ihn nach der der Wunde entgegengesetzten Seite; von den Knien hinab nach den Fesselgelenken bemerkte ich ein Schwanken, welches immer mehr zunahm, als ich ihn trieb. Die gebissene Stelle war schon bis zum Ohre hinauf stark geschwollen. Dies war vormittags zwischen neun und zehn Uhr. Am folgenden Tage gegen vier Uhr nachmittags kehrte ich zurück und fand das Thier noch auf derselben Stelle, das Maul mit Erde überzogen, trocken, offen, die geschwollene Zunge heraushängend und mit trockener Erde bedeckt; darunter aber war ein ziemlich tiefes Loch in den Boden geleckt worden. Die Bißwunde eiterte und wurde von Schwärmen von Fliegen umlagert. Da Wohnungen nicht in der Nähe waren, konnte ich nichts für das arme Thier thun; doch schnitt ich ihm einen Arm voll Gras, tauchte es in das Wasser und legte es ihm vor sein Maul.

Sehr verschieden äußern sich die Wirkungen des Giftes, je nachdem die Klapperschlange mehr oder weniger gereizt ist. Als minder giftig gilt der Biß bei feuchtem, kühlem Wetter, als sehr gefährlich gleich nach ihrem Hervorkriechen aus der Winterherberge und während der Hitze des August. Um diese Zeit ist man nirgends sicher vor ihr; sie befindet sich dann in ihrer höchsten Regsamkeit, ist kampflustig und rasselt einem oft mehrere Schritte entgegen. Unter den Spokans sah ich einen Indianerknaben, welcher in dieser Jahreszeit gebissen worden war. Alle Mittel, welche die Indianer kannten, schlugen nicht an. Der Knabe war entsetzlich anzusehen; denn der Brand hatte bereits die Knochen des gebissenen Theiles bloßgelegt, und man sah ihn von unten auf buchstäblich verfaulen. Seine Wunden gaben einen so widrigen Gestank von sich, daß man sich ihm fast nicht zu nahen vermochte. Nach sechs Wochen erst starb der arme Knabe.

Auch die Indianer besitzen also kein sicheres Mittel gegen den Biß der Klapperschlangen. Indessen ist anzunehmen, daß mehrere Pflanzenstoffe erfolgreich angewendet worden sind. Hierher gehören Aristolochia serpentaria, Prenanthes serpentaria, Echinacea purpurea, serotina, angustifolia, Eryngium aquaticum. Polygala Senega und P. purpurea stehen in geringem Ansehen. Sonderbar, daß von allen diesen Pflanzen nur die Wurzel angewendet wird. Indianer führen solche Wurzeln getrocknet bei sich und kauen sie vor der Anwendung zu Brei. Ich bezweifle, daß sie mehr als eine Linderung der Schmerzen hervorzubringen im Stande sind, habe übrigens nie Gelegenheit gehabt, die Wirkung irgend einer zu beobachten. Das sicherste, wenn auch schmerzhafteste Mittel ist, nach übereinstimmenden Erfahrungen der Vogelsteller und Jäger, das häufige und wiederholte Abbrennen von feuchten Schießpulverhaufen auf der Wunde; dabei wird dem Leidenden auch Schießpulver eingegeben, jedesmal eine Ladung etwa. Doch mögen die Jäger des wilden Westens, für welche das Schießpulver sehr hohen Werth hat, demselben wohl zu viele Kraft zuschreiben, obschon das Ausbrennen der frischen Wunde jedenfalls gute Folgen hat.«

Glücklicherweise verbreitet sich gegenwärtig unter den Amerikanern mehr und mehr die Kenntnis des wie es scheint wirksamsten Gegenmittels: man läßt jetzt die Vergifteten vor allen Dingen Branntwein oder Weingeist überhaupt einnehmen. »Im September des Jahres 1820«, erzählt Mayrand, »hörte ich eines Abends das heftige Geschrei einer Weibsperson, wurde nach einigen Minuten gerufen und benachrichtigt, daß der Sklave Essex von einer Klapperschlange gebissen worden sei und im Sterben liege. Ich fand ihn bewegungs- und sprachlos; seine Kinnladen waren geschlossen, der Puls unregelmäßig und kaum bemerkbar. Die Menschlichkeit wie auch mein Vortheil erheischten, daß ich alles mögliche zu seiner Rettung versuchte. Ich hatte von der guten Wirkung geistiger Getränke gehört und beschloß, die stärksten Reizmittel, welche in meinem Besitze waren, anzuwenden, vermischte deshalb einen Theelöffel voll feingestoßenem spanischen Pfeffer mit einem Glase Schnaps, ließ die Kinnladen auseinander halten und goß dem Kranken die Mischung ein. Die erste und die drei oder vier nächsten Gaben wurden ausgebrochen, das fünfte Glas endlich blieb im Magen. Der Puls hob sich, nachdem fünf bis sechs Gläser gepfefferter Branntwein genommen worden waren, fiel jedoch schnell wieder, und ich begann deshalb von neuem Schnaps [501] und Pfeffer einzuflößen. Wiewohl ich nun fürchtete, daß die bedeutende Menge des Reizmittels tödtliche Folgen haben könnte, so mußte ich doch damit fortfahren, weil der Puls alsbald wieder sank, sobald ich das Einflößen aussetzte. Nachdem der Kranke mehr als ein Liter Branntwein mit Pfeffer geschluckt hatte, sprach er mit seinen Landsleuten; nach zwei Stunden, während welcher das Mittel fortgesetzt gereicht wurde, war er so erstarkt, daß ich ihn einigen Wärtern überlassen konnte. Am nächsten Morgen hatte sich sein Befinden bedeutend gebessert; doch war er noch äußerst kraftlos. Ich fuhr also während des Tages damit fort, ihm jede Stunde Hirschhorngeist in mäßigen Gaben, auch stärkende Nahrungsmittel zu reichen. Während der Nacht wurden drei Liter Branntwein verbraucht, etwa eines davon aber verschüttet. Ein guter Theil des Fleisches unter den Kinnladen wurde brandig und fiel ab, und um die Wunde herum ging ein Stück von Thalergröße verloren; die Heilung trat jedoch, unterstützt durch Breiumschläge und Waschungen mit einer Abkochung von Rinde der Rotheiche, bald ein.

Ein Jahr später wurde ich nachts gerufen, um einen ebenfalls von einer Klapperschlange gebissenen Neger zu retten. Er empfand große Schmerzen in der Brust und brach gallige Flüssigkeit aus. Schnaps und grüner Pfeffer wurden ihm in wiederholten Gaben von je einem Weinglase voll gereicht, bis der Puls wiederkehrte. Der Schmerz ließ nach, und nachdem der Mensch sechs Gläser geschluckt hatte, befand er sich besser; Erbrechen und Schmerz hörten auf, und nach zehn bis zwölf Stunden war er außer Gefahr. Er hatte ungefähr ein Liter gepfefferten Branntwein zu sich genommen.

Von einem Freunde erfuhr ich folgendes: Man fand einen Mann, welcher von einer Giftschlange mehr als einmal gebissen worden war, und trug ihn als Todten nach Hause. Nach einiger Zeit kam er wieder zu sich und befand sich vollkommen wohl. Nach Aussage des übrigen Gesindes hatte er das Haus im berauschten Zustande verlassen und war wahrscheinlich auf die Schlange gefallen; das Reizmittel aber hatte die Wirkung des Giftes ohne Zweifel überwunden.«

Gefangene Klapperschlangen trotzen oft lange, gehen jedoch, falls ihr Käfig nur einigermaßen zweckentsprechend hergerichtet wurde, schließlich an das Futter. Eine, welche ich kaufte, fraß sieben Monate lang nicht das geringste, obwohl sie die Thiere, welche ich ihr zum Opfer bot, tödtete, und bequemte sich erst nach Ablauf der angegebenen Zeit, nachdem sie fast bis zum Gerippe abgemagert war, eine von ihr vergiftete Ratte zu verzehren. Wenn ich zwei Monate als die geringste Zeit annehme, welche sie in Gefangenschaft verbracht hatte, bevor sie in meinen Besitz gelangte, darf ich also sagen, daß ihr ein dreivierteljähriger Nahrungsmangel nichts geschadet hat. Während ihres freiwilligen Fastens trank sie oft Wasser, badete, häutete sich auch wiederholt, schien nach jeder Häutung Futter zu verlangen, zeigte sich bissiger und lebhafter, als sie früher gewesen war, tödtete die Thiere und ließ sie liegen, bis sie endlich doch eine Ratte verschlang und nunmehr so regelmäßig zu fressen begann, daß sie im Verlaufe von zwei Monaten wieder ihre frühere Fülle und Rundung erlangt hatte. Wie träge auch die Klapperschlange ist, erfuhr ich bei einer anderen Gelegenheit. Obgleich durch Effeldt, welcher ähnliches beobachtet zu haben versicherte, gewarnt, ließ ich meinen gefangenen Klapperschlangen regelmäßig lebende Ratten reichen und diese so lange füttern, bis sie ihrem endlichen Schicksale anheimgefallen und durch eine schließlich doch in Wuth gerathene Schlange vergiftet worden waren. Die Ratten wurden in dem Käfige bald heimisch und machten es sich hier so bequem als möglich. Das Rasseln der Klapperschlange schien sie höchstens mit Neugier, nicht aber mit Furcht zu erfüllen. Sie behandelten die Schlangen so, als wären sie gar nicht vorhanden, liefen über sie hinweg, sprangen auf ihrem Rücken herum und kümmerten sich zuletzt nicht im geringsten mehr um deren zuweilen sich regenden Zorn, welcher dann und wann auch so weit gehen konnte, daß eine Schlange die beschriebene Angriffsstellung einnahm und stundenlang in derselben verharrte, je nachdem die Ratte mehr oder weniger sich ihr näherte, lebhafter oder minder lebhaft rasselnd. Als ich an einem Morgen an den Käfig meiner Klapperschlange trat, bemerkte ich zu meiner Ueberraschung, daß sie nicht mehr rasselte, wie sonst regelmäßig [502] geschehen war, sobald sie mich erblickt hatte. Sie lag, augenscheinlich krank, lang ausgestreckt im Käfige, rührte sich nicht, und nur die Augen leuchteten noch ebenso lebhaft, um nicht zu sagen, tückisch, wie zuvor. Gegen Mittag lag die Schlange todt auf derselben Stelle, und als sie aus dem Käfige genommen wurde, zeigte sich, daß sie eine große und tiefe Wunde hatte, welche offenbar ihren Tod herbeigeführt haben mußte. Die Wunde aber war ihr von der Ratte beigebracht worden. Der Nager hatte die furchtbare Giftschlange einfach bei lebendigem Leibe angefressen. Effeldt, dem ich den Fall mittheilte, war sichtlich erfreut, seine Voraussagung so glänzend erfüllt zu sehen, und wiederholte die Warnung, zu Giftschlangen andere, als solche Säugethiere zu setzen, welche kein Unheil anzurichten im Stande sind, um so mehr, als alle größeren Giftschlangen bald daran sich gewöhnen, auch ihnen vorgeworfene todte Thiere und selbst rohe Fleischstücke zu verzehren.

Bei einigermaßen zuträglicher Pflege halten sich die Klapperschlangen vortrefflich in Gefangenschaft: von einzelnen weiß man, daß sie zehn, zwölf Jahre im Käfige ausgedauert haben. Anfänglich befinden sie sich, wie ihre Verwandten, fast fortwährend in gereiztem Zustande; nach und nach aber mindert sich ihre Bosheit, und schließlich lernen sie ihren Wärter wirklich als ihren Ernährer kennen, beißen mindestens nicht mehr so unsinnig nach ihm, bezüglich nach dem sich ihrem Käfige nahenden Menschen als früher. Mit ihresgleichen vertragen sie sich ausgezeichnet. »Fünfunddreißig Stück von ihnen«, sagt Mitchell, »welche ich in einem und demselben Käfige zusammenhielt, bekundeten niemals ein Zeichen gegenseitiger Feindschaft, selbst wenn man eine ihrer Art mitten unter die Gesellschaft warf, während ein in ihren Käfig gesetztes Kaninchen, eine Taube usw. alle sofort in Aufruhr brachte. Sonst zeigten sie sich überaus unthätig. Bei warmer Witterung, wann sie noch am muntersten, lagen sie verknäuelt durch- und übereinander, gelegentlich ihre Stellung verändernd, dann aber auf längere Zeit vollkommen regungslos verharrend.« Diese Ruhe ist um so gefährlicher, als sie im grellsten Widerspruche steht zu der blitzartigen Schnelligkeit ihres Angriffes und leicht zu Täuschungen verleiten kann.

Ein gewisser Neale, welcher viele Klapperschlangen gefangen gehalten hatte, gelangte zu der Ansicht, daß letztere gezähmt werden können. Er behauptete, Musik äußere auch auf sie ihre Wirkung und versicherte, eine sanfte Weise reiche hin, die wüthendsten zu beruhigen. Zuletzt soll der Mann wirklich gezähmte Klapperschlangen ausgestellt haben. »Ihre Folgsamkeit«, sagt ein Berichterstatter, »ist so groß, daß er sie, nachdem er ihnen einige Worte gesagt und sie mit der Hand gestreichelt hat, behandelt, als wenn sie Stricke wären. Er läßt sie an seiner Brust emporsteigen, sich um seinen Hals schlingen, küßt sie und nimmt eine zweite, nachdem sich die erste umschlungen hat. Und diese furchtbaren Thiere, weit entfernt, ihrem Herrn wehe thun zu wollen, scheinen Anhänglichkeit für ihn zu empfinden. Er öffnet den Mund der Schlangen und zeigt ihre Gifthaken usw. Seine Sicherheit hat noch einen anderen Grund; er besitzt, wie er sagt, ein wirksames Mittel gegen ihren Biß und macht kein Geheimnis daraus. Man muß, wie er versichert, damit anfangen, den Mund mit heißem Oele zu waschen, dann den Biß aufsaugen, hierauf von einer Abkochung der Serpentariawurzel trinken, bis starkes Erbrechen eintritt; dann hat man weiter nichts zu fürchten.«

Unmöglich ist es wohl nicht, daß man durch sorgfältige Behandlung auch Klapperschlangen einigermaßen zähmen kann; höchst gefährlich aber bleibt der Umgang mit ihnen doch, und fast alle Schausteller dieses Schlages, welche solche Kunststücke zum besten geben, büßen früher oder später eine kleine Unvorsichtigkeit mit dem Leben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 491-503.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Narrenburg

Die Narrenburg

Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.

82 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon