Vierte Familie: Zwergschlangen (Calamaridae)

[295] Ihrer geringen Größe halber mögen die Zwergschlangen (Calamaridae) hier ihre Stelle finden. Man begreift unter diesem Namen eine über alle heißen Länder der Erde verbreitete, namentlich in Indien und Amerika besonders entwickelte, ungefähr achtzig Arten zählende Familie wenig bekannter und genauer Untersuchung sehr bedürftiger Schlangen, deren Merkmale folgende sind: Der Leib ist rund und steif, der Kopf sehr kurz, vom Halse nicht unterschieden, der Schwanz mehr oder weniger kurz, jedoch zugespitzt. Runde, glatte oder gekielte, mehr oder minder schindelförmig übereinander liegende und in dreizehn bis siebzehn Längsreihen geordnete Schuppen bekleiden Leib und Schwanz, wohl entwickelte Schilder den Bauch, in einer oder zwei Reihen geordnete Schilder die Unterseite des Schwanzes.


Zwergschlange (Calamaria albiventer). Natürliche Größe.
Zwergschlange (Calamaria albiventer). Natürliche Größe.

Die Anzahl der Kopfschilder dagegen ist sehr verringert, weil zwei oder mehrere von ihnen zuweilen verschmelzen. Die rundsternigen Augen sind klein, die Nasenlöcher seitlich gelegen. Das Gebiß zeigt nichts auffallendes, die Kieferzähne sind in der Größe einander ziemlich gleich und neben ihnen Gaumenzähne vorhanden.

Alle Zwergschlangen verdienen ihren Namen; denn keine einzige von ihnen mißt mehr als sechzig Centimeter; die meisten erreichen nicht einmal die Hälfte, viele kaum ein Drittel dieser Länge. Sie leben fast nach Art der Wurm- und Rollschlangen, zwischen umgefallenen Steinen und in ähnlichen Schlupfwinkeln, ausschließlich auf dem Boden, theilweise unter ihm, und nähren sich wie jene von Kerbthieren und Würmern, fallen dagegen ihrerseits anderen Schlangen, namentlich kleineren Giftnattern, welche dieselben Oertlichkeiten bewohnen wie sie, sehr häufig zum Opfer.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 295-296.
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