Mohrensalamander (Salamandra atra)

[617] In den Alpen wird der Feuersalamander durch eine verwandte Art, den Mohrensalamander (Salamandra atra), vertreten, einen jenem höchst ähnlichen, aber ungefleckten, gleichmäßig tief sammetschwarzen Molch, dessen Größe hinter der des Verwandten etwas zurücksteht und selten mehr als dreizehn Centimeter beträgt.

Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über die Alpen der Schweiz, Savoyens, Tirols, Steiermarks, Kärntens, Salzburgs und Oberösterreichs und einige Gebirgszüge Süddeutschlands, welche mit den Alpen zusammenhängen oder Vorberge derselben sind. Außerdem soll er auch im Hochgebirge der Bukowina vorkommen, und ebenso will man ihn in Oberschwaben als ständigen Bewohner der dortigen Gebirge gefunden haben. In den Alpen bevölkert er innerhalb eines [617] zwischen sechshundert bis zweitausend Meter über dem Meere gelegenen Höhengürtels geeignete Orte in zahlreicher Menge, so in Tirol, laut Gredler, feuchte Wälder oder von Bächlein durchrieselte Schluchten des Berg- und Voralpengürtels. Er lebt fast immer gesellig, meist zu Dutzenden beisammen unter Steinen, Moos und Gestrüpp, nach Art seines Verwandten. Wie dieser ist er ein träges, langsames, schläferig erscheinendes Geschöpf, welches ebenfalls nur bei feuchtem Wetter sich außerhalb seiner Versteckplätze zeigt und bei größerer Trockenheit verkümmert. Seiner Trägheit halber belegt ihn der Tiroler mit dem Schmähnamen »Tattermann« oder »Tattermandl«, welcher so viel wie todter Mann oder in üblicher Bedeutung Vogelscheuche besagen will.

Der Mohrensalamander weicht, laut Schreiber, in der Art der Fortpflanzung vom Feuersalamander ab. Er bringt zwar auch lebende Junge zur Welt, aber nie mehr als je zwei auf einmal. Obgleich die Eierstöcke des Weibchens ebenso groß und gehaltreich sind, auch ebenso viele Eier auf einmal in die Eiergänge gelangen wie beim Feuersalamander, so bildet sich doch in jedem Eiergange nur eines aus, und der Keim entwickelt sich auf Kosten der übrigen Eier, indem dieselben in eine gemeinschaftliche Dottermasse zusammenfließen, welche den Keimling einschließt, bis er die Eihülle sprengt und sich frei in derselben bewegen kann. Zwanzig und mehr Eier in jedem Eiergange bleiben also unbefruchtet und bieten als eine gleichförmige, zähflüssige Masse dem Keimlinge Nahrung. Zur Zeit der Geburt ist der Vorrath jener Masse rein aufgezehrt.

Der einzelne Keimling erhält hier nicht bloß seine völlige Ausbildung, sondern wächst bis zu einer Größe von fünfundvierzig bis funfzig Millimeter an, füllt das hintere Ende des nicht gekrümmten und auf fünfunddreißig Millimeter Länge und einen Centimeter im Durchmesser erweiterten Eierganges ganz aus, liegt mit an den Leib gebogenem, oft zweimal gekrümmtem Schwanze, bewegt sich frei und lebhaft, wendet sich oft ganz um und wird bald mit dem Kopfe, bald mit dem Schwanze vorangeboren. Die Kiemen, welche übrigens denen des gefleckten Salamanders gleichen, sind größer und erreichen beinahe die Hälfte der Länge des ganzen Körpers, indem der hintere Stamm mit der Spitze bis an den Hinterschenkel reicht; allein diese Kiemen verschwinden schon vor der Geburt und zeigen sich an den Geborenen in der Gestalt kleiner Stümpfchen oder Knötchen, so daß man also, wenn man den Quappenzustand sehen will, den Keim im Leibe der Mutter selbst untersuchen muß. Zu diesem Behufe tödtet man die Mutter in Weingeist, welcher auf die Jungen so wenig einwirkt, daß sie außer dem Leibe der Mutter noch fortleben, sogar mehrere Wochen noch am Leben bleiben. Diese wunderbare Zähigkeit beweist, daß diesen Jungen das Wasser entbehrlich ist, und in der That setzt die Mutter ihre Keime selbst in der Gefangenschaft, wenn man ihr reichlich Wasser darbietet, auf das Trockene. Der Mohrensalamander lehrt uns also eine absonderliche Fortpflanzung kennen, welche in der ganzen Ordnung nicht wieder bemerkt wurde.

Die Entwickelung der Eier währt ebenso lange wie beim Feuersalamander, aber die Dauer der Trächtigkeit von der Befruchtung an bis zur Geburt weit länger, weil die Jungen so lange im Leibe der Mutter verbleiben, bis sie ihre Verwandlung vollendet und eine bedeutende Größe erreicht haben. Selten findet man vor dem August trächtige Weibchen mit weit entwickelten Jungen; die Befruchtung geschieht aber, der Höhe des Aufenthaltes entsprechend, oft auch sehr spät, und ist es also nicht bloß der Mangel an Wasser, sondern auch das Klima des Wohnortes, welches diese abweichende Fortpflanzung theilweise erklärt.

Gewöhnlich sind die Jungen eines Weibchens in den Eiergängen beide von gleicher Größe und Stärke, werden auch oft in derselben Stunde geboren; doch geschieht es ausnahmsweise, daß sie sich ungleich entwickeln und das eine erst nach Verlauf von mehreren Tagen oder selbst Wochen nach dem anderen zur Welt kommt. Diese Verschiedenheit scheint daher zu rühren, daß das zuerst befruchtete Ei abstarb und nun ein anderes statt seiner sich entwickelte. Nicht selten findet man in einem und demselben Eiergange zwei, auch drei in verschiedenen Graden ausgebildete Eier, während alle übrigen bereits mehr oder minder verdrückt, verunstaltet oder schon zusammengeflossen sind. [618] Hieraus ergibt sich, daß alle Eier einer Brut gleichzeitig in den Eiergängen oder Eierstöcken befruchtet werden, obschon immer nur je zwei sich entwickeln. Räthselhaft bleibt die Art der Befruchtung selbst, da man beim Mohrensalamander ebensowenig als beim Feuersalamander äußere männliche Geschlechtstheile entdeckt; dennoch muß Befruchtung im Inneren vorgehen, der Samen also eindringen, ohne daß das Wasser vermittelt. Uebrigens hat man beobachtet, daß der männliche Mohrensalamander den weiblichen nach Art des sich paarenden Frosches umfaßt, und zwar gerade vor den Vorderbeinen des letzteren, welcher seine Vorderbeine über die des Männchens schlägt. So umschlungen schleppen sich beide gemeinschaftlich vom Lande aus, wo die Umarmung stattfindet, ins Wasser, verweilen hier oft stundenlang, theils ruhend, theils schwimmend, bis sie ihrem Triebe genügt haben.

In allem übrigen kommt der Mohrensalamander mit seinen Verwandten vollständig überein.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 617-619.
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