Riesensalamander (Cryptobranchus maximus)

[641] Als den nächsten Verwandten des Zeugen der Sint-oder, wie man zu schreiben pflegt, der Sündflut, dürfen wir wahrscheinlich den Riesensalamander (Cryptobranchus maximus oder japonicus, Salamandra und Sieboldia maxima, Tritomegas Sieboldii, Megalobatrachus maximus und Sieboldii) betrachten, ein überaus unförmliches, plumpes, massiges Geschöpf von 1,4 bis 1,6 Meter Länge, Vertreter der Riesenmolche (Cryptobranchus), deren Merkmale die folgenden sind. Der große, niedergedrückte, überhaupt sehr breite Kopf rundet sich vorn in eine stumpfe Spitze ab, der kurze Hals ist bedeutend schmäler als Hinterkopf und Rumpf, letzterer platt, walzig, durch einen dicken Längswulst jederseits gleichsam noch mehr verbreitert, der Schwanz, welcher etwa ein Drittel der Leibeslänge einnimmt, kurz und, entgegengesetzt von Leib und Kopf, seitlich zusammengedrückt, so daß er ein breites Ruder bildet; an den plumpen, stämmigen Füßen sitzen vorn vier, hinten fünf wohl ausgebildete Zehen; die Nasenlöcher liegen vorn an der Schnauze, sehr nahe aneinander, die überaus kleinen, lidlosen Augen hingegen werden fast durch die ganze Breite des Kopfes von einander getrennt. Sehr kleine Zähne bewaffnen die Kiefer, eine zweite mit ihnen gleichlaufende Reihe den Gaumen; die Zunge ist ringsum angewachsen. Das Geripp erinnert, laut Schlegel, ebensowohl an das Knochengerüst der Salamander wie der Hellbender; doch unterscheidet sich der Schädel durch verhältnismäßig große Breite und andere Eigenthümlichkeiten. Die Wirbelsäule besteht aus zwanzig Rumpf- und vierundzwanzig Schwanzwirbeln, welche vom und hinten eingetiefte Gelenkfurchen und seitlich lange Querfortsätze mit Rippenanhängsel haben. Das Becken befestigt sich am einundzwanzigsten Wirbel. Die Haut ist weich, aber uneben; auf dem Kopfe treten Warzen deutlich hervor.

Ein trübes, schwer zu bestimmendes Hellgraubraun, welches durch dunklere Stellen mehr gewölkt als gefleckt wird, bildet die Färbung der Obertheile und geht nach unten in Lichtgrau über. Junge Riesensalamander unterscheiden sich, laut Rein und Roretz, durch glatte, warzen- und runzellose Haut, zimmetbraune Färbung und spärliche, dunkle Fleckung, auch verhältnismäßig große, hervorstehende Augen. Je mehr die Größe der Thiere zunimmt, um so unebener und warziger und um so dunkler und großfleckiger wird die Haut.

Siebold entdeckte diesen größten aller jetzt lebenden Lurche in den zwanziger Jahren auf der Insel Nippon und erfuhr, daß er daselbst in Gebirgsbächen und tiefen, stillen Gewässern, namentlich in den gefüllten Kratern gewesener Vulkane lebt, von den Japanesen gejagt und auf den Märkten als beliebtes Wildpret verkauft wird, konnte aber im übrigen über Lebensweise und Fortpflanzung nichts weiter feststellen. Auch die Eröffnung Japans und die Heranziehung vieler wissenschaftlich gebildeter Fremden in japanische Dienste hat uns bisher zu keiner besseren Kenntnis des Wohnortes und der Lebensweise sowie der Entwickelungsart des Riesensalamanders verholfen, so daß wir in dieser Hinsicht bis auf die neueste Zeit auf die Siebold'schen Mittheilungen beschränkt[641] waren. Siebold hat jedoch, wie Rein und Roretz bemerken, das Thier nie an seinem Wohnorte aufgesucht, sondern erhielt seine Nachrichten durch seine japanische Umgebung. Nun ist es aber sehr schwierig in naturwissenschaftlichen Dingen von Eingeborenen zuverlässige Mittheilungen zu erlangen, und so konnte es nicht fehlen, daß auch den im ganzen richtigen Angaben Siebolds einige nicht [642] zu unterschätzende Irrthümer unterlaufen.


Riesensalamander (Cryptobranchus maximus). 1/5 natürl. Größe.
Riesensalamander (Cryptobranchus maximus). 1/5 natürl. Größe.

Der Riesensalamander ist nicht sehr häufig, so daß die meisten in Japan wohnenden Fremden das Thier nie zu Gesicht bekommen; der von Siebold gebrauchte japanische Name »Sansho Uwo« wird in den meisten Provinzen gar nicht auf ihn, sondern auf kleinere Verwandte bezogen, und dies führt zu Begriffsverwirrungen. Aus allen diesen Gründen haben wir den letztgenannten Forschern warm zu danken, daß sie während ihres Aufenthaltes in Japan es sich angelegen sein ließen, das Thier aus eigener Anschauung kennen zu lernen. »Sowohl nach den Siebold'schen Mittheilungen als nach eingezogenen Erkundigungen«, so berichten uns die beiden Reisenden, »kommt der Riesensalamander nur in der Südhälfte der Hauptinsel von Nippon vor. Man kennt ihn in Iga unter dem Namen 'Haze-Koi', in Mimasaka heißt er 'Hanzaki', in Iwonni 'Hanzake', in Tamba 'Hadakasu' und 'Ango'. Mino, Schinano, Yamaschiro und Iga sind vornehmlich die Provinzen, woselbst er gefunden wird.« Nach langen vergeblichen Bemühungen hatten unsere Forscher die Freude, auf einer Reise durch Ise, Iga und Yamato eine Gebirgsgegend zu berühren, woselbst der Riesensalamander jedermann unter dem Namen »Haze-Koi« bekannt ist. Es gelang ihnen daselbst, ein Dutzend lebende und drei eingesalzene Stücke käuflich zu erwerben, unter Führung eines erfahrenen Fängers die Aufenthaltsorte zu besuchen und dem Fange eines derselben zuzusehen. Was hierbei in Erfahrung gebracht und außerdem noch durch zuverlässige Eingeborene erfahren wurde, läßt sich in folgendem kurz zusammenfassen.

Der Riesensalamander findet sich an verschiedenen Stellen der Wasserscheide zwischen dem Küstengebiete von San-ju-dound, San-yo-do, in den Bergwassern der Provinz Hida und längs der ganzen Wasserscheide, welche die dem Meere von Ise zueilenden Küstenflüsse von dem Flußgebiete des Yodogama trennt. Letzteres ist wohl die wichtigste Fundstätte. Unsere Reisenden fanden das Thier an der Grenze der Provinzen Ise und Iga, woselbst es im oberen Laufe aller Bäche, namentlich in den Quellbächen des Kitzugawa lebt. Jene Wasserscheide besteht aus quarzreichem, stellenweise sehr verwittertem Granit, dem sich etwas tiefer hier und da ältere Schiefergesteine, in Ise, östlich von Iga, aber tertiäre Sandsteine von fast wagerechter Schichtung und Septarienthone mit Resten von Vorweltsthieren anschließen. Keiner der Berge in diesem ganzen Zuge erreicht tausend Meter Höhe, auch der Suzugayama nicht, welcher Siebold das erste Stück lieferte. Vulkanische Gesteine scheinen diesem Gebirgszuge ganz zu fehlen, und Siebold irrt sich ebenso in Bezug auf die Höhenangaben wie darin, daß er den Riesensalamander an Becken und Seen an Stelle erloschener Vulkane leben läßt. Denn auch die anderen Gebirgszüge, in deren Gewässern der Riesensalamander vorkommt, bestehen aus krystallinischen Gesteinen oder Schiefer.

Man findet die Thiere stets in kaltem, klarem, fließendem Wasser, zwei- bis sechshundert, an der Grenze von Hida aber tausend bis funfzehnhundert Meter über dem Meere. Hier lebt er in den kleinen, klaren Quellbächen, da, wo sie kaum einen drittel Meter breit wie Ueberrieselungsgräben die grasigen Bergabhänge durchschneiden und der unterwaschene Rasen von beiden Seiten her die jungen Bächlein fast ganz überdeckt, sowie weiter abwärts, wo durch die Vereinigung solcher Gräben ein munterer, forellenreicher Bach entstanden ist, dessen von Gebüsch überragtes und beschattetes Wasser murmelnd und rauschend die im Boden liegenden Felsblöcke umspült. Unter solchen Blöcken sowie unter den überragenden Ufern leben namentlich die älteren Thiere, während die jüngeren kleine Gräben vorziehen. Nach Aussage der Leute verlassen sie die gewählten Wohnorte nur selten und bloß während der Nacht und gehen nie ans Land. Würmer und Kerbthiere, Fische und Frösche bilden ihre Nahrung.

Gefangen werden die Riesensalamander, indem man entweder das Wasser ableitet und sie dann unter den Steinen und aus den Löchern hervorzieht, oder aber sich der Angel bedient. Letztere besteht aus einem gewöhnlichen Fischhaken, welcher an einem dünnen Seile befestigt und mit einem Regenwurme beködert wird; die freibleibende Spitze des Hakens wird in das offene Ende eines etwa anderthalb Meter langen Bambusstockes gesteckt und das Seil mehrmals locker um [643] denselben gewunden, die auf diese Weise zugerichtete Angel sodann unter langsamem Hin- und Herbewegen vor alle Löcher und Gruben geschoben, in denen man Salamander vermuthet. Schnappt ein solcher nach dem Wurme, so fällt der Haken vom Stocke und bleibt in seinem Rachen hängen. Man fängt den Riesensalamander ebenso wegen seines wohlschmeckenden Fleisches, dem man auch arzneiliche Wirkungen zuschreibt, als um ihn zur Reinhaltung des Wassers in Brunnen zu setzen, ganz ebenso wie man bei uns zu Lande mit den einheimischen Molchen verfährt. Die größten Stücke bringt man nach Kioto, Osaka und Kobe, wo sie in Thierbuden häufig zu sehen sind. Ihr Versand geschieht wie der der Aale in mit Laubwerk überdeckten und zeitweise angefeuchteten Körben.

Nach vielfachen Erkundigungen scheinen die kleinsten Riesensalamander, welche man bis jetzt gefunden hat, eine Länge von etwa funfzehn Centimeter gehabt und in allem wesentlichen den erwachsenen geglichen zu haben. Allem Anscheine nach besitzt der Riesensalamander auch im Jugendzustande keine äußeren Kiemen; ob er aber lebende Junge zur Welt bringt oder Eier legt, bleibt immer noch eine offene Frage.

Ich habe diesen wichtigen Angaben nur das eine noch hinzuzufügen, daß Böttcher durch Untersuchung mehrerer jungen Riesensalamander das Vorhandensein äußerer Kiemenöffnungen festgestellt hat. Dieselben bestehen bei einem sechzehn Centimeter langen, jungen Riesensalamander in feinen, 2,5 Millimeter langen Spalten, welche an derselben Stelle wie bei dem nordamerikanischen Verwandten in der Längsrichtung des Thieres sich hinziehen, zwischen der Ansatzstelle der Vordergliedmaßen und den Mundwinkeln an den beiden Seiten des Halses liegen und auf allen Seiten mit einem gewulsteten, vorne besonders dicken und faltenreichen Rande umgeben sind.

Siebold nahm im Jahre 1829 zwei lebende Riesensalamander von Japan mit, um sie nach Europa überzuführen. Zu ihrer Ernährung hatte er japanesische Flußfische bestimmt, welche auch aufgezehrt wurden; als jedoch die Nahrung zu mangeln begann, fraß der männliche Salamander sein Weibchen auf. Sodann hungerte er bis zur Ankunft in Europa, wie sich später ergab, ohne allen Schaden. Man richtete nun in Leyden für ihn ein Becken mit Süßwasser ein und setzte kleine Fische zu ihm, welche von ihm auch zeitweilig angenommen wurden. Bei seiner Ankunft betrug seine Länge dreißig Centimeter, sechs Jahre später schon einen Meter, seitdem hat er langsam zugenommen und wächst wohl auch noch immer fort; denn er lebt heutigentages noch im Thiergarten zu Amsterdam.

Später, namentlich im letzten Jahrzehnt, sind mehrere dieser ungeschlachten Geschöpfe lebend zu uns gelangt, und gegenwärtig kann man sie im Pflanzengarten zu Paris, in den Thiergärten zu London, zu Berlin und ebenso zu Frankfurt und anderen Orten sehen. Ich habe mehrere Gefangene längere Zeit beobachten können und gefunden, daß sie ohne Ausnahme höchst langweilige Geschöpfe und deshalb auch in keiner Weise geeignet sind, den Beschauer zu fesseln. Eine treffliche Schilderung ihres Wesens hat Weinland gegeben. »Bei den meisten Lurchen hält es bekanntlich sehr schwer, sie zum Fressen zu bringen; wir waren daher, nicht ohne ängstliche Sorge, darauf bedacht, dem werthvollen Salamander eine möglichst angenehme Kost vorzusetzen. Kaum war er in seinem Wasserbecken untergebracht, so wurde ihm ein langer Regenwurm vorgehalten, und wirklich – nachdem dieser einige Minuten lang auf das verführerischste vor seiner Schnauze herumgezappelt, schnappte der Molch heftig zu. Mit dem ersten raschen Bisse war etwa das erste Drittel des Wurmes, mit einem zweiten, unmittelbar darauf folgenden, das zweite, mit einem dritten der ganze Wurm verschwunden; dann sah man das Zungenbein in der Kehlgegend noch einige drückende Bewegungen machen, offenbar um die Beute durch den Schlund in den Magen hinabzudrängen. An diesem Tage verzehrte er nur noch einen Wurm, an dem darauf folgenden ihrer sechs, am dritten ihrer neun und zwar immer in derselben Weise in Absätzen und mit der nachfolgenden kräftigen Schluckbewegung. Damit war die berechtigte Hoffnung gegeben, daß wir den Riesenmolch am Leben erhalten würden; es schien jedoch räthlich, ihm kräftigere Nahrung vorzusetzen. Ein etwa funfzehn Centimeter langer Weißfisch wurde ins Becken gebracht und zwar [644] lebend, da schon bei der Fütterung mit Würmern bemerkt worden war, daß der Riesensalamander bloß zuschnappte, wenn jene sich oberhalb seiner Schnauze bewegten, er sie also mit seinen kleinen, ganz nach oben liegenden Augen sehen konnte, während er um diejenigen, welche man auf den Boden fallen ließ, sich nicht weiter bekümmerte. Sobald der Fisch seinem Kopfe entgegensprang, schnappte er mit einer, von solchem trägen Thiere ganz unerwarteten, pfeilschnellen Seitenbewegung des Kopfes nach ihm, wobei er den Rachen wenigstens zwei Centimeter weit aufriß, ganz so wie Haifische von der Seite her nach ihrer Beute schnappen; der Fisch entkam ihm aber, obgleich der Salamander, als sein erster Biß fehlte, noch zwei Mal aufs gerathewohl in blinder, heißhungeriger Wuth ins Wasser biß, wo der Fisch zuvor geschwommen. Offenbar war der letztere zu stark und die Zähnchen des Salamanders zu schwach, um ihn festzuhalten; denn mit dem ersten Bisse schon war er in der That in der Mitte des Leibes gepackt worden. Wir entfernten daher den Weißfisch und versuchten es, da ein tauglicher kleinerer nicht vorhanden, mit einem Frosche, und zwar mit einem fast ausgewachsenen Teichfrosche. Auch jetzt machte der Molch seinen Angriff, faßte aber den Frosch ungeschickter Weise an einem Vorderbeine, und da bei seinen kleinen, offenbar nur zum Erfassen und Festhalten der Beute dienenden Zähnchen vom Abbeißen des Gliedchens keine Rede sein konnte, mußte er nach langem Hin- und Herzerren des gewaltig arbeitenden Frosches diesen wieder frei lassen. Der Frosch hüpfte in eine Ecke des Beckens und der Salamander watschelte, wie mir schien, ganz zufällig in dieselbe Ecke. Jener wurde zum zweiten Male erfaßt, diesmal aber am Kopfe, und schon nach einer Viertelstunde war er mit sammt seinen langen Hinterbeinen in dem Rachen des Molches verschwunden. Freilich verursachte dieses Mal das Hinabschlucken mehr Mühe; nicht nur stemmte der Salamander seine Vorderbeine kräftig gegen den Boden des Beckens, sondern er drückte auch noch seine Schnauze fest auf, um vermittels dieser dreifachen Stütze für die Schluckbewegung Anhaltspunkte zu gewinnen. Darauf begab er sich hinter einen Stein zur Ruhe. Die Regel, daß Raubfische und Raublurche ihre Beute stets beim Kopfe fassen, bekümmert unseren Molch, wie es scheint, nicht viel; wenigstens wurde beobachtet, daß er einen Fisch von hinten packte und ihn so, den Schwanz voran, den Kopf zuletzt, gegen die Schuppen und gegen die Kiemendeckel verschlang.

Die Art der Ernährung ausgenommen, läßt sich übrigens wenig an diesem trägen, und wie es scheint, sinnesstumpfen Thiere bemerken. Alle seine Bewegungen sind äußerst langsam, außer wenn er nach Nahrung schnappt; immer liegt er ruhig auf dem Grunde des Beckens und zwar an dessen dunkelstem Platze; fällt Licht dahin, so geht er an den nächst dunkelsten. Von Zeit zu Zeit, etwa alle zehn Minuten, streckt er zur Athmung die Schnauze aus dem Wasser; sobald er durch die Nasenlöcher Luft eingenommen, sinkt er wieder ruhig hinab. Außerdem sieht man ihn zuweilen wohl eine Viertelstunde lang regelmäßige, seitlich schwingende, ein wenig vorwärts und rückwärts wiegende Bewegungen mit seinem Rumpfe machen, ähnlich wie man es von Elefanten, Bären usw. in Gefangenschaft beobachtete. Eine Häutung wurde kurz nach seiner Ankunft beobachtet; hierbei fiel die Oberhaut in großen Fetzen ab.«

Die Erfahrung hat gelehrt, daß auch der Riesensalamander zu den zählebigen Lurchen zählt. Einer von denen, welche ich kennen lernte, kroch einmal über den Rand seines Beckens und fiel etwa anderthalb Meter tief auf den Boden herab, wurde hier auch am anderen Morgen fast bewegungslos gefunden, erholte sich aber, ins Wasser zurückversetzt, bald wieder. Von anderen erfuhr man, daß bedeutende Kälte ihnen vielleicht ebensowenig schadet als unseren Teichmolchen: das Becken der Gefangenen im Amsterdamer Thiergarten mußte einmal vom Eise befreit werden, ohne daß sie darunter litten. Zwei Gefangene, welche ich pflegte, verlor ich an einer und derselben Krankheit. Ihre Haut bedeckte sich mit einem Pilze, welcher anfänglich nur in kleinen Flecken auftrat, außerordentlich rasch aber sich verbreitete und zuletzt über das ganze Thier erstreckte, so daß dasselbe wie mit Reif überzogen aussah. Vom ersten Tage der Verpestung an, verlor jeder der Salamander alle Freßlust, blieb auf einer und derselben Stelle liegen, rührte sich nicht mehr [645] und wurde endlich in derselben Lage, welche er eingenommen und tagelang festgehalten, todt gefunden. An eine Zerstörung des Pilzes, dessen Entstehung ich auf das weiche Wasser der Wohnungsbecken zurückführen muß, war aus erklärlichen Gründen nicht zu denken und jedes von der Schmarotzerpflanze befallene Thier rettungslos verloren.

Abgesehen von solchen Zwischenfällen, welche wohl nur unter besonders ungünstigen Umständen vorkommen dürften, braucht man mit dem Riesensalamander wenig Umstände zu machen. Er geht leicht an alle Nahrung, welche sich regt, und seine Ernährung verursacht dementsprechend keinerlei Schwierigkeiten. Hat er sich erst mehrere Male nacheinander satt gefressen, so bekümmert er sich zuweilen wochenlang nicht um die zu seiner Ernährung bestimmten Fische in seinem Wasserbecken; plötzlich aber schnappt er mehrmals nacheinander zu und frißt eine erkleckliche Anzahl. Trotzdem scheint es, als ob er sehr wohl einen Unterschied zwischen der einen und anderen Beute zu machen wisse; denn er zieht manche Fische, beispielsweise Forellen, minder schmackhaften vor. Ebenso unregelmäßig als er frißt, entleert er sich; wenn es aber geschieht, wirft er eine erstaunliche Menge formlosen, weichen, braungefärbten Kothes aus.

Obgleich wahrscheinlich mehr Nacht- als Tagthier, benimmt er sich in der Dunkelheit kaum anders als während des Tages, gibt seine erstaunliche Trägheit auch nach Einbruch der Nacht nicht auf. Zuweilen verläßt er das dunkle Versteck, welches er sich erwählte und kriecht langsam auf einen Vorsprung heraus, vielleicht in der Absicht, freier zu athmen; es können aber Wochen vergehen, ohne daß er seine Lage wechselt. Treibt man ihn gewaltsam aus seinem Schlupfwinkel, so kehrt er gelassen dahin zurück; verdirbt man ihm sein Lager, indem man Steine oder groben Kies darauf streut, so scharrt er alles wieder weg und stellt sich das Lager wieder her, wie es war. Wiederholte Störungen erregen schließlich seinen Zorn; er versucht dann sich zu wehren, beißt auch heftig in einen ihm vorgehaltenen Stock und läßt nicht sogleich wieder los. Seinen Wärter unterscheidet er schwerlich von anderen Leuten.

In Amsterdam lebt der mehrfach erwähnte Riesensalamander gegenwärtig in Gesellschaft eines zweiten, wie man annimmt, weiblichen Stückes seiner Art, und hofft man dort, beide Thiere noch zur Fortpflanzung zu bringen.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 641-646.
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