1. Sippe: Schweifaffen (Pithecia)

[209] Die Schweifaffen (Pithecia) haben einen gedrungen gebauten Leib, welcher durch die lange und lockere Behaarung noch plumper erscheint, als er wirklich ist, verhältnismäßig kräftige Glieder und einen dicken buschigen, nach der Spitze zu meist mit verlängerten Haaren bekleideten Schwanz. Das Haar ihres Oberkopfes ist haubenartig gescheitelt, das der Wangen und des Kinnes zu einem mehr oder minder langen kräftigen Vollbarte verlängert. Von den übrigen Breitnasen unterscheiden sie sich außerdem durch ihr Gebiß, da die sehr kräftigen dreikantigen Eckzähne von den absonderlich zusammengedrängten, an den Spitzen sehr verschmälerten und gegeneinander geneigten, schief nach vorn und außen gerichteten Schneidezähnen getrennt sind.

Das Verbreitungsgebiet der wenigen Arten dieser Gruppe beschränkt sich auf die nördlichen Theile Südamerika's. Hier bewohnen sie hohe, trockene, von Unterholz freie Wälder, von anderen Affen sich fern haltend. Nach Tschudi sind sie Dämmerthiere, deren Thätigkeit erst nach Sonnenuntergang beginnt und bis zum Aufgange fortwährt; über Tags schlafen sie und sind dann schwer aufzujagen, weil sie durch kein Geräusch sich verrathen und nur verfolgt, lebhafter sich bewegen. Leicht zähmbar, bleiben sie doch in der Gefangenschaft oft mürrisch und verdrießlich, und wenn sie am Tage wachen, zeigen sie sich träge oder traurig. Schomburgk bemerkt, daß er diesen Angaben Tschudi's nach seinen eigenen Erfahrungen durchaus widersprechen müsse, wenigstens was das Nachtleben unserer Affen anlange. Nach seinen Beobachtungen beschränken sich die verschiedenen Arten auf bestimmte Oertlichkeiten und halten sich von den übrigen streng abgesondert, lassen auch öfters ihre Stimme vernehmen und verrathen sich dadurch dem Reisenden. »Ueberall, wo die Belaubung des Ufers dicht erschien«, so erzählt er, »fand ich auch Herden von Affen in den Zweigen versammelt, unter denen die wirklich netten Schweifaffen die größte Anzahl bildeten. [209] Ihr schön gescheiteltes, langes Haar, die üppig stolzen Kinn- und Backenbärte, ihre langbehaarten, fuchsähnlichen Schwänze verleihen den lebhaft- und klugblickenden Thieren ein ungemein freundliches, zugleich aber auch lächerliches Aeußere. Es waren die ersten, denen ich auf meiner Reise begegnete. Natürlich mußte ich augenblicklich an das Land springen, um mein Jagdglück zu versuchen. Ich schoß ein Männchen und ein Weibchen. Doch bereute ich fast meinen Schuß, als ich die bittere, das Herz tief ergreifende Wehklage des letzteren hörte, welches ich nur stark verwundet hatte. Diese Klagetöne stimmen genau mit den bitteren Schmerzenslauten eines Kindes überein.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CCIX209-CCX210.
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