Dreizehnte Familie: Hasenmäuse (Chinchillina)

[449] Erst in der Neuzeit ist man bekannter geworden mit den Mitgliedern einer kleinen Familie amerikanischer Thiere, deren Felle schon seit alten Zeiten von den Ureingebornen Südamerikas benutzt und auch seit Ende vorigen Jahrhunderts in großen Massen nach Europa übergeführt wurden. Die Hasenmäuse oder Chinchillen [sprich Tschintschiljen] (Chinchillina) scheinen [449] Mittelglieder zu sein zwischen den Mäusen und Hasen. Wenn man sie Kaninchen mit langem Buschschwanze nennt, hat man ihre kürzeste Beschreibung gegeben. Doch unterscheidet sie von den Hasen scharf und bestimmt das Gebiß, welches mit dem der übrigen Plumpnager übereinstimmt. Die Backenzähne sind wurzellos, zeigen zwei bis drei gleichlaufende Schmelzblätter, und die Reihen nähern sich vorn einander. Die Wirbelsäule besteht aus 12 Rippen-, 8 Lenden-, 2 Kreuz- und 20 Schwanzwirbeln. Der feinste Pelz, welchen Säugethiere überhaupt tragen, deckt ihren Leib. Seine Färbung ist ein lichtes Grau mit Weiß und Schwarzbraun oder Gelb.

Alle Chinchillen bewohnen Südamerika, und zwar größtentheils das Gebirge noch in bedeutender Höhe zwischen den kahlen Felsen unter der Schneegrenze; nur eine Art findet sich in der Ebene. Natürliche Höhlen oder von den Thieren eigens gegrabene Gänge bilden ihre Wohnsitze. Alle sind gesellig, manche bewohnen familienweise eine und dieselbe Höhle. Wie die Hasen dem Lichte abhold, zeigen sie sich am meisten in der Dämmerung oder in der Nacht. Sie sind schnelle, lebhafte, behende, scheue und furchtsame Thiere und auch in ihren Bewegungen halb Kaninchen, halb Mäuse. Das Gehör scheint der entwickeltste Sinn zu sein. Ihr Verstand ist gering. Wurzeln und Flechten, Zwiebeln und Rinde, auch wohl Früchte bilden ihre Nahrung. Ihre Vermehrung ist ungefähr ebensogroß wie die der Hasen. Sie ertragen die Gefangenschaft leicht und erfreuen durch Reinlichkeit und Zahmheit. Manche Arten richten Schaden an, oder werden wenigstens dem Menschen durch das Unterwühlen des Bodens lästig, alle aber nützen durch ihr Fleisch und ihr wahrhaft kostbares Fell.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 449-450.
Lizenz:
Kategorien: