Feldhase (Lepus vulgaris)

[461] Lampe, der Feldhase (Lepus vulgaris, europaeus, campicola, caspius, aquilonius, medius, fälschlich auch L. timidus genannt), ein derber Nager von 75 Centim. Gesammtlänge, wovon nur 8 Centim. auf den Schwanz kommen, 30 Centim. Höhe und 6 bis 9 Kilogramm Gewicht, ist der bei uns heimische Vertreter dieser Sippe. Die Färbung seines Balges ist mit wenig Worten schwer zu beschreiben. Der Pelz besteht aus kurzen Wollen- und langen Grannenhaaren; erstere stehen sehr dicht und sind stark gekräuselt, die Grannen stark, lang und auch etwas gekräuselt. Das Unterhaar ist auf der Unterseite der Kehle rein weiß, an den Seiten weiß, auf der Oberseite [461] weiß mit schwarzbraunen Enden, auf dem Oberhalse dunkelroth, im Genicke an der Spitze weiß, das Oberhaar der Oberseite grau am Grunde, am Ende braunschwarz, rostgelb geringelt; doch finden sich auch viele ganz schwarze Haare darunter. Hierdurch erhält der Pelz eine echte Erdfarbe. Er ist auf der Oberseite braungelb mit schwarzer Sprenkelung, am Halse gelbbraun, weißlich überlaufen, nach hinten weißgrau, an der Unterseite weiß. Nun ändert die Färbung auch im Sommer und Winter regelmäßig ab, und die Häsin sieht röther aus als der Hase; es kommen verschiedene Abänderungen, gelbe, gescheckte, weiße Hasen vor, kurz, die Färbung kann eine sehr mannigfache sein. Immer aber ist sie vortrefflich geeignet, unseren Nager, wenn er auf der Erde ruht, den Blicken seiner Gegner zu entrücken. Schon in einer geringen Entfernung ähnelt die Gesammtfärbung der Umgebung so, daß man den Balg nicht von der Erde unterscheiden kann. Die jungen Hasen zeichnen sich häufig durch den sogenannten Stern oder eine Blässe aus der Stirn aus; in seltenen Fällen tragen sie diese Färbung auch in ein höheres Alter hinüber.


Hase (Lepus vulgaris). 1/7 natürl. Größe.
Hase (Lepus vulgaris). 1/7 natürl. Größe.

Lampe führt mehrere Namen, je nach Geschlecht und Vorkommen. Man unterscheidet Berg- und Feldhasen, Wald- und Holzhasen, Grund-, Sumpf- und Moorhasen, Sandhasen usw. Der alte männliche Hase heißt Rammler, der weibliche Häsin oder Satzhase; [462] unter Halbwüchsigen versteht man die Jungen, unter Dreiläufern die, welche drei Viertel ihrer vollkommenen Größe erreicht haben. Die Ohren heißen in der Waidmannssprache Löffel, die Augen Seher, die Füße Läufe; das Haar wird Wolle, der Schwanz Blume, die Haut Balg genannt. Im übrigen wendet man auf sein Leben noch folgende Ausdrücke an. Der Hase äst sich oder nimmt seine Weide, er sitzt oder drückt sich, er rückt ins Feld, um Aesung zu suchen, und ins Holz, um zu ruhen, er fährt ins Lager oder in die Vertiefung, in welcher er bei Tage schläft, und fährt aus derselben heraus. Er wird von den Menschen aufgestoßen, von den Hunden aufgestochen; er rammelt, die Häsin setzt; er ist gut oder schlecht; er klagt, verendet, wird ausgeweidet und gestreift usw.

Ganz Mitteleuropa und ein kleiner Theil des westlichen Asiens ist die Heimat unseres Hasen. Im Süden vertritt ihn der Hase des Mittelmeeres, eine verschiedene Art von geringer Größe und röthlicher Färbung, auf den Hochgebirgen der Alpen-, im hohen Norden der Schneehase, welcher vielleicht eine von dem Alpenhasen verschiedene, jedenfalls aber sehr ähnliche Art ist. Seine Nordgrenze erreicht er in Schottland, im südlichen Schweden und in Nordrußland, seine Südgrenze in Südfrankreich und Norditalien. Fruchtbare Ebenen mit oder ohne Gehölze und die bewaldeten Vorberge der Gebirge sind die bevorzugten Aufenthaltsorte; doch steigt er in den Alpen bis zu einer Höhe von 1500 Meter über dem Meere und im Kaukasus bis zu 2000 Meter empor. Er zieht gemäßigte den rauhen Ländern entschieden vor, und wählt aus Liebe zur Wärme Felder, welche unter dem Winde liegen und gedeckt sind. Versuche, die man angestellt hat, ihn nach dem Norden zu verpflanzen, sind fehlgeschlagen. Alte Rammler zeigen sich weniger wählerisch in ihrem Aufenthaltsorte als die Häsinnen und Junghasen, lagern sich oft in Büschen, Rohrdickichten und hochgelegenen Berghölzern, während jene in der Wahl ihrer Lager immer sehr sorgfältig zu Werke gehen.

»Im allgemeinen«, sagt Dietrich aus dem Winckell, dessen Lebensschilderung Lampes ich für die gelungenste halte, »ist der Hase mehr Nacht-als Tagthier, obwohl man ihn an heiteren Sommertagen auch vor Untergang der Sonne und noch am Morgen im Felde umherstreifen sieht. Höchst ungern verläßt er den Ort, an welchem er aufgewachsen und groß geworden ist. Findet er aber in demselben keinen anderen Hasen, mit dem er sich paaren kann, oder fehlt es ihm an Aesung, so entfernt er sich weiter als gewöhnlich. Aber der Satzhase kehrt, wenn die Paarungszeit herannaht, wie der Rammler zur Herbstzeit wieder nach der Geburtsstätte zurück. Fortwährende Ruhe hält ihn besonders fest, fortgesetzte Verfolgung vertreibt ihn für immer. Der Feldhase bewohnt größtentheils die Felder und verläßt sie, wenn es regnet. Wird das Stück, in welchem er seine Wohnung gebaut hat, abgehauen, so geht er an einen anderen Ort, in die Rüben-, Saat-, Krautfelder usw. Hier, überall von kräftiger Aesung umgeben, schwelgt er im Genusse derselben. Alle Kohl- und Rübenarten sind ihm Leckerspeise. Der Petersilie scheint er besonderen Vorzug zu geben. Im Spätherbste wählt er nicht zu frische Sturzäcker, nicht zu feuchte, mit Binsen bewachsene Vertiefungen und Felder mit Oelsaat, welche nächst dem Wintergetreide den größten Theil seiner Weide ausmacht. So lange noch gar kein oder wenig Schnee liegt, verändert er seinen Wohnort nicht; nur bei Nacht geht er in die Gärten und sucht den eingeschlagenen und aufgeschichteten Kohl auf. Fällt starker Schnee, so läßt er sich in seinem Lager verschneien, zieht sich aber, sobald das Unwetter nachläßt, in die Nähe der Kleefelder. Bekommt der Schnee eine Eisrinde, so nimmt der Mangel immer mehr überhand, und je mehr dies geschieht, um so schädlicher wird der Hase den Gärten und Baumschulen. Dann ist ihm die Schale der meisten jungen Bäume, vorzüglich die der Akazie und ganz junger Lärchen sowie der Schwarzdorn, ebenso willkommen wie der Braunkohl. Vermindert sich durch Thauwetter der Schnee, oder geht er ganz weg, so zieht sich der Hase wieder zurück, und dann ist grünes Getreide aller Art seine ausschließliche Weide. Bis die Wintersaat zu schossen anfängt, äst er diese; hierauf rückt er vor Sonnenuntergang oder nach warmem Regen etwas früher aus und geht ins Sommergetreide. [463] Auch diese Saat nimmt er nicht an, wenn sie alt wird, bleibt aber in ihr liegen, besucht abends frischgepflanzte Krautfelder, Rübenstücke u. dgl. Der Buschhase rückt nur abends auf die Felder und kehrt morgens mit Tagesanbruch oder bald nach Sonnenaufgang wieder ins Holz zurück. Er wechselt aber während des Sommers seinen Aufenthalt am Tage zuweilen mit hochbestandenen Getreidefeldern oder, wenn Regen fällt, mit Brach- und Sturzäckern. Im Herbste, wenn die Sträucher sich entlauben, geht er ganz aus dem Walde heraus, denn das Fallen der Blätter ist ihm entsetzlich; im Winter zieht er sich in die dichtesten Gehölze, mit eintretendem Thauwetter aber kehrt er wieder in das lichtere Holz zurück. Der eigentliche Waldhase zeigt sich während der milden und fruchtbaren Jahreszeit in den Vorhölzern und rückt von hieraus, wenn ihm die Aesung auf den Waldwiesen nicht genügt, gegen Abend in die Felder. Bei starkem Winter geht er in die Dickichte und immer tiefer in den Wald hinein. Er läßt sich auch durch das fallende Laub nicht stören. Der Berghase befindet sich beim Genusse der in der Nachbarschaft seines Aufenthaltes wachsenden duftigen Kräuter so wohl, daß er nur, wenn Felder in der Nähe sind, dieselben aus Lüsternheit besucht.

Außer der Rammelzeit, während welcher alles, was Hase heißt, in unaufhörlicher Unruhe ist, bringt dieses Wild den ganzen Tag schlafend oder schlummernd im Lager zu. Nie geht der Hase gerade auf den Ort los, wo er ein altes Lager weiß oder ein neues machen will, sondern läuft erst ein Stück über den Ort, wo er zu ruhen gedenkt, hinaus, kehrt um, macht wieder einige Sätze vorwärts, dann wieder einen Sprung seitswärts, und verfährt so noch einige Male, bis er mit dem weitesten Satze an den Platz kommt, wo er bleiben will. Bei der Zubereitung des Lagers scharrt er im freien Felde eine etwa 5 bis 8 Centim. tiefe, am hinteren Ende etwas gewölbte Höhlung in die Erde, welche so lang und breit ist, daß der obere Theil des Rückens nur sehr wenig sichtbar bleibt, wenn er in derselben die Vorderläufe ausstreckt, auf diesen den Kopf mit angeschlossenen Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter den Leib zusammendrückt. In diesem Lager schützt er sich während der milden Jahreszeit leidlich vor Sturm und Regen. Im Winter höhlt er das Lager gewöhnlich so tief aus, daß man von ihm nichts als einen kleinen, schwarzgrauen Punkt gewahrt. Im Sommer wendet er das Gesicht nach Norden, im Winter nach Süden, bei stürmischem Wetter aber so, daß er unter dem Winde sitzt.

Fast möchte es scheinen, als habe die Natur den Hasen durch Munterkeit, Schnelligkeit und Schlauheit für die ihm angeborene Furchtsamkeit und Scheu zu entschädigen gesucht. Hat er irgend eine Gelegenheit gefunden, unter dem Schutze der Dunkelheit seinen sehr guten Appetit zu stillen, und ist die Witterung nicht ganz ungünstig, so wird kaum ein Morgen vergehen, an welchem er sich nicht gleich nach Sonnenaufgang auf trockenen, zumal sandigen Plätzen entweder mit seines Gleichen oder allein herumtummelt. Lustige Sprünge, abwechselnd mit Kreislaufen und Wälzen, sind Aeußerungen des Wohlbehagens, in welchem er sich so berauscht, daß er seinen ärgsten Feind, den Fuchs, übersehen kann. Der alte Hase läßt sich nicht so leicht überlisten und rettet sich, wenn er gesund und bei Kräften ist, vor den Nachstellungen dieses Erzfeindes fast regelmäßig durch die Flucht. Dabei sucht er durch Widerhaken und Hakenschlagen, welches er meisterhaft versteht, seinen Feind zu übertölpeln. Nur wenn er vor raschen Windhunden dahinläuft, sucht er einen anderen vorzustoßen und drückt in dessen Wohnung, den vertriebenen Besitzer kaltblütig der Verfolgung überlassend, oder er geht gerade in eine Herde Vieh, fährt in das erste beste Rohrdickicht und schwimmt im Nothfalle auch über ziemlich breite Gewässer. Niemals aber wagt er sich einem lebenden Geschöpfe anderer Art zu widersetzen, und nur, wenn Eifersucht ihn reizt, läßt er sich in einen Kampf mit seines Gleichen ein. Zuweilen kommt es vor, daß ihn eine eingebildete oder wahre Gefahr derart überrascht und aus der Fassung bringt, daß er, jedes Rettungsmittel vergessend, in der größten Angst hin- und herläuft, ja wohl gar in ein jämmerliches Klagen ausbricht.« Vor allen unbekannten Dingen hat er überhaupt eine außerordentliche Scheu, und deshalb meidet er auch sorgfältig alle Scheusale, welche in den Feldern aufgestellt werden, um ihn abzuhalten. [464] Dagegen kommt es auch vor, daß alte, ausgelernte Hasen sich außerordentlich dreist zeigen, nicht einmal durch Hunde sich vertreiben lassen und, sobald sie merken, daß diese eingesperrt oder angehängt sind, mit einer Unverschämtheit ohne Gleichen an die Gärten herankommen und sozusagen unter den Augen der Hunde sich äsen. Lenz hat mehrmals gesehen, daß Hasen so nahe unter seinem Fenster und neben den angefesselten Hunden hinschlüpften, daß der Schaum aus dem Rachen der entrüsteten Hunde ihnen auf den Pelz spritzte.

Die Schnelligkeit des Hasen im Laufe rührt größtentheils daher, daß er stark überbaut ist, d.h., daß seine Hinterläufe länger als die vorderen sind. Hierin liegt auch der Grund, daß er besser bergauf als bergab rennen kann. Wenn er ruhig ist, bewegt er sich in kurzen, langsamen Sprüngen, wenn ihm daran liegt, schnell fortzukommen, in sehr großen Sätzen. Beim Entfliehen hat er die Eigenthümlichkeit, daß er ohne besondern Grund in einiger Entfernung von seinem Lager einen Kegel macht d.h. die Stellung eines aufrechtsitzenden Hundes annimmt; ist er dem ihm nachjagenden Hunde ein Stück voraus, so stellt er sich nicht nur auf die vollständig ausgestreckten Hinterläufe, sondern geht auch wohl so ein paar Schritte vorwärts und dreht sich nach allen Seiten um.

Gewöhnlich gibt er nur dann einen Laut von sich, wenn er sich in Gefahr sieht. Dieses Geschrei ähnelt dem kleiner Kinder und wird mit »Klagen« bezeichnet.

Unter den Sinnen des Hasen ist, wie schon die großen Löffel schließen lassen, das Gehör am besten ausgebildet, der Geruch recht gut, das Gesicht aber ziemlich schwach. Unter seinen geistigen Eigenschaften steht eine außerordentliche Vorsicht und Aufmerksamkeit oben an. Der leiseste Laut, den er vernimmt, der Wind, welcher durch die Blätter säuselt, ein rauschendes Blatt genügen, um ihn, wenn er schläft, zu erwecken und im hohen Grade aufmerksam zu machen. Eine vorüberhuschende Eidechse oder das Quaken eines Frosches kann ihn von seinem Lager verscheuchen, und selbst, wenn er im vollsten Laufe ist, bedarf es nur eines leisen Pfeifens, um ihn aufzuhalten. Die berühmte Harmlosigkeit des Hasen ist nicht soweit her. Dietrich aus dem Winckell sagt geradezu, daß das größte Laster des Hasen seine Bosheit sei, nicht weil er dieselbe durch Kratzen und Beißen äußere, sondern weil sie der Satzhase durch Verleugnung der elterlichen Liebe, der Rammler aber durch Grausamkeit gegen junge Häschen, oft in der empörendsten Weise, bethätige.

Die Rammelzeit beginnt nach harten Wintern anfangs März, bei gelinderem Wetter schon Ende Februars, im allgemeinen um so eher, je mehr der Hase Nahrung hat. »Zu Anfang der Begattungszeit«, sagt unser Gewährsmann, »schwärmen unaufhörlich Rammler, Häsinnen suchend, umher, und folgen der Spur derselben, gleich den Hunden, mit zur Erde gesenkter Nase. Sobald ein Paar sich zusammenfindet, beginnt die verliebte Neckerei durch Kreislaufen und Kegelschlagen, wobei anfangs der Satzhase immer der vorderste ist. Aber nicht lange dauert es, so fährt dieser an die Seite, und ehe der Rammler es versieht, gibt ihm die äußerst gefällige Schöne Anleitung, was er thun soll. In möglichster Eile bemüht sich nun der Rammler, seine Gelehrigkeit thätlich zu erweisen, ist aber dabei so ungezogen, im Augenblicke des höchsten Entzückens mit den scharfen Nägeln der Geliebten große Klumpen Wolle abzureißen. Kaum erblicken andere seines Geschlechtes den Glücklichen, so eilen sie heran, um ihn zu verdrängen oder wenigstens die Freude des Genusses zu verderben. Anfänglich versucht es jener, seine Schöne zur Flucht zu bewegen; aber aus Gründen, welche sich aus der unersättlichen Begierde derselben erklären lassen, zeigt sie nur selten Lust dazu, und so hebt jetzt ein neues Schauspiel an, indem die Häsin von mehreren Bewerbern verfolgt und geneckt, endlich von dem behendesten, welcher sich den Minnesold nicht leicht entgehen läßt, eingeholt wird. Daß unter solchen Umständen nicht alles ruhig abgehen kann, versteht sich von selbst. Eifersucht erbittert auch Hasengemüther, und so entsteht ein Kampf, zwar nicht auf Leben und Tod, aber höchst lustig für den Beobachter. Zwei, drei und mehrere Rammler fahren zusammen, rennen an einander, entfernen sich, machen Kegel und Männchen, fahren wieder auf einander los und bedienen sich dabei mit in ihrer Art ganz kräftigen Ohrfeigen, so daß die Wolle umherfliegt, [465] bis endlich der Stärkste seinen Lohn empfängt, oder noch öfters sich betrogen fühlt, indem sich das Weibchen mit einem der Streiter oder gar mit einem neuen Ankömmlinge unbemerkt entfernt hat, gewiß überzeugt, daß auch die Hintergangenen nicht unterlassen werden, fremden Reizen zu huldigen, sobald sich Gelegenheit dazu findet.«

Glaubwürdige Jäger versichern, daß diese Zweikämpfe zwischen verliebten Hasen, so unschuldig sie auch aussehen, zuweilen doch nicht ohne Verletzungen abgehen, weil sie nicht selten auf ihrem Reviere erblindete Hasen angetroffen haben, denen bei solchen Kämpfen die Lichter verwundet wurden. Die abgekratzte Wolle, welche auf den Stellen umherliegt, dient dem Jäger als Zeichen, daß die Rammelzeit wirklich angebrochen ist, und in besonders milden Jahren wird sich jeder Thierfreund in Acht nehmen, nunmehr noch auf das Wild zu jagen.

Dreißig Tage etwa geht die Häsin tragend. Gewöhnlich setzt sie zwischen Mitte und Ende des März das erste, im August das vierte und letzte Mal. Der erste Satz besteht aus mindestens einem oder zwei, der zweite aus drei bis fünf, der dritte aus drei und der vierte wiederum aus ein bis zwei Jungen. Höchst selten und nur in sehr günstigen Jahren geschieht es, daß eine Häsin fünfmal setzt. Das Wochenbett ist eine höchst einfache Vertiefung an einem ruhigen Orte des Waldes oder Feldes: ein Misthaufen, die Höhlung eines alten Stockes, angehäuftes Laub oder auch ein bloßes Lager, eine tiefe Furche, ja endlich der flache Boden an allen Orten. Die Jungen kommen mit offenen Augen und jedenfalls schon sehr ausgebildet zur Welt. Manche Jäger sagen, daß sie sofort nach der Geburt sich selbst trocknen und putzen müssen. So viel ist sicher, daß die Mutter nur während der ersten fünf bis sechs Tage bei ihren Kindern verweilt, dann aber, neuer Genüsse halber, sie ihrem Schicksale überläßt. Nur von Zeit zu Zeit kommt sie noch an den Ort zurück, wo sie die kleine Brut ins Leben setzte, lockt sie durch ein eigenthümliches Geklapper mit den Löffeln und läßt sie säugen, wahrscheinlich nur, um sich von der sie beschwerenden Milch zu befreien, nicht etwa aus wirklicher Mutterliebe. Bei Annäherung eines Feindes verläßt sie ihre Kinder regelmäßig, obwohl auch Fälle bekannt sind, daß alte Häsinen die Brut gegen kleine Raubvögel und Raben vertheidigt haben. Im allgemeinen trägt wohl die Lieblosigkeit der Hasenmutter die Hauptschuld, daß so wenige von den gesetzten Jungen auskommen. Von dem ersten Satze gehen die meisten zu Grunde: der Uebergang aus dem warmen Mutterleib auf die kalte Erde ist zu grell, das kleine Geschöpf erstarrt und geht ein. Und wenn es wirklich auch das schwache Leben noch fristet, drohen ihm Gefahren aller Art, selbst vom eigenen Vater. Der Rammler benimmt sich wahrhaft abscheulich gegen die jungen Häschen. Er peinigt sie, wenn er kann, zu Tode. »Ich hörte«, sagt Dietrich aus dem Winckell, »einst einen jungen Hasen klagen, glaubte aber, da es in der Nähe des Dorfes war, ihn in den Klauen einer Katze und eilte dahin, um dieser den Lohn mit einem Schusse zu geben. Statt dessen aber sah ich einen Rammler vor dem Häschen sitzen und ihn mit beiden Vorderläufen von einer Seite zur andern unaufhörlich so maulschelliren, daß das arme Thierchen schon ganz matt geworden war. Dafür mußte aber der alte seine Bosheit mit dem Leben bezahlen.«

Bei keinem andern wildlebenden Thiere hat man soviel Mißgeburten beobachtet wie bei den Hasen. Solche, die zwei Köpfe oder wenigstens eine doppelte Zunge haben, oder herausstehende Zähne besitzen, sind keine Seltenheiten.

Eine junge Hasenfamilie verläßt nur ungern die Gegend, in welcher sie geboren wurde. Die Geschwister entfernen sich wenig von einander, wenn auch jedes sich ein anderes Lager gräbt. Abends rücken sie zusammen auf Aesung aus, morgens gehen sie gemeinschaftlich nach dem Lager zurück, und so währt ihr Treiben, welches mit der Zeit ein recht fröhliches und frisches wird, fort, bis sie halbwüchsig sind. Dann trennen sie sich von einander. Nach funfzehn Monaten sind sie erwachsen, schon im ersten Lebensjahre aber zur Fortpflanzung geeignet. Sieben bis acht Jahre dürfte die höchste Lebensdauer sein, welche der Hase bei uns erreicht; es kommen aber Beispiele vor, daß Hasen allen Nachstellungen noch längere Zeit entgehen und immer noch nicht an Altersschwäche[466] sterben. Im ersten Viertel dieses Jahrhunderts war in meiner Heimat ein Rammler berüchtigt unter den Jägern: mein Vater kannte ihn seit acht Jahren. Stets war es dem Schlaukopfe gelungen, sich allen Nachstellungen zu entziehen; erst während eines sehr strengen Winters wurde er von meinem Vater auf dem Anstande erlegt. Beim Wiegen ergab sich, daß er ein Gewicht von achtzehn Pfund erreicht hatte.

»Das Leben unseres Nagers«, sagt Adolf Müller, »ist fast eine ununterbrochene Kette der Drangsal, der Noth und des Leidens, denen die Geschwister Wachsamkeit und Vorsicht zwar auf dem Fuße folgen, welchen aber auch das allbekannte, weniger bemitleidete als verspottete Kind, die Hasenfurcht, gleichsam riesig über den Kopf wächst. Schickt doch das ganze Heer unserer einheimischen Raubthiere unter Säugern und Vögeln die Spione, Schleicher, Wegelagerer und Raubmörder hinter dem Friedlichen und Wehrlosen her, das stille Eden seiner Fluren und Wälder in einen Plan der Bedrängnis und des Todes umzuwandeln; jagt doch die Reihe der Hunde, vom krummläufigen, langsamen Dächsel bis zum hochläufigen, schlanken, sturmflüchtigen Windhunde hin, den schnellsten Renner der Fluren und Wälder zu Tode. Und wo selbst die Ausdauer und Flüchtigkeit des Hundes nicht ausreicht, wo der Spürsinn, die List und die Mordgier der Raubthiere, wo die Unwetter und Geschicke der Natur unseren Bedrängten verschonten: da hält der Mensch mit seiner tausendfachen Pein und List zum Verderben des Aermsten noch seine Mittel bereit. Als das grausamste und zugleich hinterlistigste Raubthier verurtheilt er den Leidgebornen auch noch zum Strange. Er schleicht wie der Mörder bei Nacht und Nebel in den Wald und legt in den Paß die scheußliche Drahtschlinge, in welcher sich der Harmlose am Halse fängt und an welcher er den jämmerlichen Tod des Erstickens stirbt. Aber dies thut nur der Wilderer, nimmermehr der Waidmann! Der Lampe des deutschen Jägers findet in diesem niemals seinen Henker, sein Hase stirbt weder unter dem Schlage des Bauernprügels, noch unter dem der Schippe des wildernden Schäfers; von der Jägerhand stirbt er nur den waidgerechten Tod durch den sicheren Schrotschuß. So wie ein edles Jägergemüth unserem Thiere gern den Sieg vergönnt, den es durch Schnelligkeit, Vorsicht und List über die waidmännische Kunst erringt, so rechnet es jede Quälerei des Wildes für eine Sünde.«

Ueber die waid- und nicht waidgerechte Jagd des Hasen sind Bücher geschrieben worden, und kann es daher meine Absicht nicht sein, auf verschiedene Jagdarten näher einzugehen. Nach meinem Geschmacke gewähren dem Jäger die Suche und der Anstand das meiste Vergnügen. Die Hasenhetze mit Windhunden ist zwar im hohen Grade aufregend, verdirbt aber die Jagd; Kessel- oder Leinentreiben wer den, so vergnüglich sie in nicht zu stark bevölkerten Gebieten sind, da wo es viele Hasen gibt, schließlich zu einer förmlichen Schlächterei, während Suche und Anstand immer in Spannung erhalten und des Jägers am würdigsten sind. Dieser hat auf der Suche Gelegenheit, sich als Waidmann zu zeigen und schöpft auf dem Anstande manche Belehrung, weil er die Thiere, nicht die Hasen allein, so zu sagen noch in ihrem Hausanzuge antrifft und ihr Benehmen im Zustande gänzlicher Ruhe und Sorglosigkeit beobachten kann. Mancher Jäger zieht den Waldanstand jeder anderen Jagd vor; denn das süßeste, die Hoffnung, ist hier des Waidmanns treue, unzertrennliche Gefährtin. Zu dem Anstande rechne ich auch das Verlappen, eine Jagdweise, welche ich wohl erst erklären muß, weil man sie nicht in allen Gegenden unseres Vaterlandes ausübt.

Freund Lampe, der Furchtsame, sieht, wie schon erwähnt, in jedem ihm unbekannten Dinge einen fürchterlichen Gegenstand, und hierauf gründet der tückische Mensch seine nichtswürdigen Pläne, ihn zu berücken. In stiller Mitternachtsstunde, wenn sich der Hase aus dem Walde in die Felder gezogen hat zu fröhlicher Aesung, schleicht jener hinaus, um ihm die Pforten nach seiner Tagesherberge zu verschließen. Drei bis vier Männer tragen große Ballen, welche bei genauerer Prüfung sich als Rollen von starkem Bindfaden erweisen, in welchen in gewissen Abständen zwei Federn oder mindestens weiße Zeugstreifen eingeflochten wurden. Das sind die Lappen, um mit dem Jäger zu sprechen. Man beginnt nun an einem bestimmten Orte des Waldrandes mit der [467] Aufrichtung dieser Scheusale. In kleinen Abständen werden schwache Pfählchen in die Erde gesteckt und daran die Lappen befestigt, sodaß sie ungefähr einen halben Meter hoch über der Erde schweben; und so wird der ganze Kreis, welcher die Fruchtfelder begrenzt, eingeschlossen. Damit ist für den Hasen jeglicher Zugang zum Walde versperrt. Die Jagdgenossenschaft macht sich nun früh auf den Weg, denn sie muß schon eine gute Weile vor Tagesanbruch zur Stelle sein. Möglichst lautlos wandelt der Zug dahin. Der Jagdeigenthümer stellt den einen hier, den anderen dort an die besten Anlaufsplätze, und immer geringer wird die Anzahl der Jäger. Endlich ist das Ganze umstellt, jeder einzelne Jäger hat sich seinen Anstand so gut als möglich gewählt und wartet gespannt der Dinge, die da kommen sollen.

Mit dem ersten Grauen des Tages rücken die Hasen von den Feldern dem Walde zu. Unbesorgt gehen sie den altgewohnten Pfad. Der eine oder der andere treibt seine sehr gewöhnlichen Possen. Alles ist todtenstill ringsum, höchstens eine Krähe läßt sich vernehmen. Im Osten röthet die aufgehende Sonne den untersten Rand des Himmelsgewölbes. Näher und näher kommt Lampe an die gefährliche Linie: da schimmert ihm die weiße Reihe entgegen! Er wird bedenklich, erschrickt, hebt die Löffel und dreht und bewegt einen um den anderen. Nach allen Seiten hinlauscht er, alles bleibt ruhig. Noch ein paar Schritte geht er vorwärts, um sich das Ding in größter Nähe zu beschauen; aber je näher er kommt, um so bedenklicher wird er. Hier erscheint die sorgfältigste Prüfung nöthig. Eines und das andere der furchtsamen Thiere prallt entsetzt zurück, schlägt einen Haken und kehrt auf demselben Wege, welchen es gekommen, feldeinwärts, um an einer andern Stelle sein Heil zu versuchen. Drüben aber gehts ihm genau ebenso wie auf der eben verlassenen Seite. Aber es ist dort vielleicht nicht so vorsichtig gewesen; denn plötzlich zuckt ein Feuerstrahl aus dem Walde heraus, und donnernd unterbricht der erste Schuß die Morgenstille. Von allen Bergen pflanzt er sich fort, und das Echo der Wälder trägt ihn weiter und weiter. Jetzt wirds lebendig. Hier und dort blitzt es, in der ganzen Linie wirds laut. Wie verzweifelt rennen die armen Hasen in dem gefeiten Kreise umher. Der eine prallt hier, der andere dort zurück; aber leider laufen sie soviel als möglich auf dem allbekannten Wege dahin und kommen so den im Hinterhalte aufgestellten Schützen regelmäßig zum Schusse. So währt das Morden fort, bis der Morgen vollends anbricht. Denn mit dem Erleben des Tages sind alle Hasen verschwunden, auch die, welche vom Tode verschont wurden. Sie haben sich mitten in den Feldern gedrückt und harren dort auf ruhigere Zeiten, nicht ahnend, daß dem Verlappen in den Mittagsstunden die Treibjagd folgt. Nunmehr wird es auch lebendig im Walde; jeder der Schützen geht heraus, um das von ihm erlegte Wild zu holen. Die wenigsten finden so viele Hasen, als sie zu finden glaubten. Es hält schwer, das Thier in der Dämmerung gehörig auf das Korn zu nehmen, und in der Regel wird weit mehr gefehlt als getroffen.

Gefangene Hasen werden leicht zahm, gewöhnen sich ohne Weigerung an alle Nahrung, welche man den Kaninchen füttert, sind jedoch zärtlich und sterben leicht dahin. Wenn man ihnen nur Heu, Brod, Hafer und Wasser, aber nie Grünes gibt, leben sie länger. Bringt man junge Hasen zu alten, so werden sie regelmäßig von diesen todtgebissen. Anderen schwachen Thieren ergeht es selten besser: im Gehege von mir gepflegter Hasen fand ich eine getödtete, halb aufgefressene Ratte. Mit Meerschweinchen vertragen sich die Hasen gut, mit Kaninchen und Schneehasen paaren sie sich und erzielen Blendlinge, welche wieder fruchtbar sind: dies hat neuerdings wieder Broca bewiesen. Rouy, ein Kaninchenzüchter von Angoulême, liefert seit einiger Zeit jährlich über tausend »Hasenkaninchen« oder Lapins in den Handel. Diese Bastarde sind ebenso fruchtbar mit der väterlichen wie mit der mütterlichen Art als auch unter sich. Dreiachtels-Bastarde, d.h. diejenigen, welche ein Viertel vom Kaninchen und drei Viertel vom Hasen haben, gewähren die meisten Vortheile. Von diesen Blendlingen hat man bereits durch dreizehn Geschlechter Junge erzielt, ohne daß die Fruchtbarkeit abgenommen hätte. Das Weibchen bringt fünf bis sechs Junge bei jedem Wurfe zur Welt und wirft jährlich sechsmal. Broca überzeugte sich, daß der Besitzer mit [468] größter Sorgfalt die Ergebnisse seiner Kreuzungen überwacht. Die betreffenden Thiere werden nach Umständen getrennt und zusammengebracht, mit besonderen Namen oder Zahlen bezeichnet usw.

Neuerdings wendet man auch in Deutschland der Hasenkaninchenzucht größere Aufmerksamkeit zu und erzielt Erfolge, welche den Züchtern genügen. Ob diese wirklichen Nutzen ziehen, d.h. mehr durch ihre Zucht verdienen, als diese kostet, mag dahingestellt bleiben. Derjenige, welcher alles Futter kaufen muß und durch die Ergebnisse der Zucht auch dann noch einen Gewinn erzielen will, dürfte sich irren, während in größeren Wirtschaften, wo eine Menge von Futter abfällt, jene Zucht sich wahrscheinlich günstig stellt. Ich habe neuerdings bei einem eifrigen Züchter sehr schöne Hasenkaninchen gesehen und viel Rühmenswerthes über sie gehört; die Sache verdient also jedenfalls allgemeinere Beachtung.

Jung eingefangene Hasen gewöhnen sich so an den Menschen, daß sie auf dessen Ruf herbeikommen, die Nahrung aus den Händen nehmen, und trotz ihrer Dummheit Kunststückchen ausführen lernen; alte dagegen bleiben immer dumm und gewöhnen sich kaum an ihren Pfleger. Die Gefangenen sind nett und munter, verlieren ihre Furchtsamkeit jedoch nicht. »Lächerlich sieht es aus«, sagt Lenz, »wenn man in den Stall eines Hasen mit einem weißen Bogen Papier oder sonst einem ähnlichen Dinge eintritt. Der Hase geräth ganz aus der Fassung und springt wie verrückt meterhoch an den Wänden in die Höhe.«

Anderseits gewöhnen sich Hasen jedoch auch nach und nach selbst an ihre erklärten Feinde. Der königlich bayrische Revierförster Fuchs zu Wildenberg in Unterfranken besaß, wie die Jagdzeitung erzählt, einen ausgewachsenen gezähmten Hasen, welcher mit den Jagdhunden eine und dieselbe Lagerstätte theilte und besonders die Zuneigung eines auf der Jagd scharfen, jungen Hühnerhundes sich in dem Grade erworben hatte, daß dieser ihm durch Belecken usw. alle Freundschaftsbezeigungen angedeihen ließ, obgleich der Hase ihn und andere Hunde durch Trommeln auf Kopf und Rücken oft sehr rücksichtslos behandelte, auch bald mit diesem bald mit dem anderen Hunde aus einer Schüssel fraß. Als bemerkenswerth fügt der Beobachter noch hinzu, daß besagter Hase nichts lieber fraß als Fleisch jeder Gattung und nur in Ermangelung dessen grünes Futter zu sich nahm. Kalb- und Schweinefleisch, Leber- und Schwartenwurst brachten ihn in Entzücken, so daß er förmlich tanzte, um dieser Leckerbissen theilhaftig zu werden.

Ueber Nutzen und Schaden des Hasen herrschen verschiedene Ansichten, je nachdem man vom wirtschaftlichen oder jagdlichen Standpunkte urtheilt. Der unbefangene Richter wird den Hasen unbedingt als schädliches Thier bezeichnen müssen und behaupten dürfen, daß er mindestens das Doppelte von dem gebraucht, was er auf dem Markte einbringt. In den meisten Gegenden unseres Vaterlandes macht sich dies aus dem Grunde wenig fühlbar, weil der Hase überall zu naschen pflegt und somit seine Plünderungen auf einen großen Raum sich vertheilen; wegstreiten aber läßt sich der von ihm verursachte Schaden nicht. In Gemarkungen, in denen tausende und mehr Hasen alljährlich erlegt werden, macht sich der durch die Hasen herbeigeführte Verlust an Futter sehr wohl bemerklich. »Nach den von Dettweiler aufgestellten Berechnungen«, sagen die Gebrüder Müller, »bedarf ein zu fünf Pfund Gewicht angenommener Hase nahe an hundert Pfund vorzüglichen Heues, um jenes Gewicht hervorzubringen, ähnlich wie dies nach Fütte rungsversuchen bei Stallvieh gefunden worden ist. Anderthalbtausend in den Gemarkungen von Oderheim und Alsheim in Hessen in einem Jahre geschossene Hasen stellen sonach, den Centner Heu zu zwei Gulden gerechnet, einen Schaden von dreitausend Gulden dar, d.h. die angeführte Anzahl Hasen verzehrt durchschnittlich für die angegebene Summe Felderzeugnisse. Obgleich gegen diese Berechnungen Einwendungen mancher Art erhoben werden können, sind doch die Dettweiler'schen Betrachtungen von national-ökonomischem Standpunkte aus zu würdigen, weil sie den allerdings sehr schwierigen und schwankenden Maßstab der Werthberechnung an den von den Hasen verübten Schaden legen. Daß dieser gerade an den besten Feld- und Gartenerzeugnissen in hasenbevölkerten, mit wenig oder gar keinem Wald versehenen Feldebenen kein eingebildeter zu nennen ist, wird jedem, welcher in dieser [469] Angelegenheit tiefer zu schauen Gelegenheit hatte, klar bewußt sein. Der Hase geht nach unseren eingehenden Beobachtungen die besten, zartesten Futtergewächse, wie Klee und Runkelrüben, Kohl, vorzüglich auch Gemüsearten und ebenso die jung ausgepflanzten Gewächse gerade in ihrer Entwickelung an, äset die Aehren der Gerste und des Hafers sehr gern und wird durch seine oft eine Strecke durchs Getreide gehenden Pfädchen mittels Abbeißens und Niedertretens der Halme nachtheilig. Dieser Schaden kann bei großer Vermehrung sehr empfindlich Platz greifen, während er bei mäßigem Hasenstande, wie ihn unsere vaterländischen Gegenden aufweisen, nicht erkennbar wird. Denn der Hase liebt es, genäschig, wählerisch und unruhig, wie er ist, hier und da nur weniges zu äsen, auch nie einzeln an einem und demselben Orte länger zu verweilen, und das Zerstörende seiner Thätigkeit beschränkt sich deshalb nicht etwa auf einen Acker, sondern stellt sich als örtlich verschwindende Wirkung von einem Wenigen über weite Strecken dar.« Ich stimme diesen Worten meiner kundigen Freunde bei, möchte aber, abgesehen von dem oft sehr ärgerlichen Benagen junger Nutzbäume durch Hasen, noch auf einen mittelbaren Schaden dieses verhätschelten Nagers aufmerksam machen. Eifrige Jagdfreunde fügen, meiner Ansicht nach, unseren Feldern durch Hegung der Hasen an und für sich weniger Schaden zu als durch rücksichtslose Vertilgung der Hasenfeinde, welche durchschnittlich die besten Freunde des Landwirtes sind. Anstatt dichte Gebüsche, sogenannte Remisen, welche außer Singvögeln auch Raubsäugethieren Schlupfwinkel gewähren, anzupflanzen, räth man dieselben auszurotten; anstatt an die verheerend auftretenden Feldmäuse zu denken, behält man einzig und allein die Hasen im Auge und scheut vor keinem Mittel zurück, die unseren Gemarkungen nur nützlichen Raubthiere auszurotten mit Stumpf und Stiel. Setzt man diesen Nachtheil noch auf Rechnung des Hasen, so wird man einer unbedingten Schonung desselben nicht das Wort reden können.

Den allzueifrigen Vertilgern der Hasenfeinde möchte ich bei dieser Gelegenheit auch mit der Behauptung entgegentreten, daß sie hinsichtlich der Räubereien, welche Fuchs und Genossen dem Hasenstande zufügen sollen, unzweifelhaft zu schwarz sehen und übertreiben. Füchse werden Hasen selbstverständlich beschleichen, ergreifen, umbringen und verzehren, wo und wann sie können, nimmermehr aber sie vertilgen, wie oft genug behauptet worden ist. Wer wie ich einen afrikanischen Hasen in Gebieten beobachtet hat, in denen Füchse, Schakale, Schakalwölfe und Hiänenhunde der Hasenjagd mit Eifer obliegen, wird sich angesichts der beneidenswerthen Menge von noch nicht aufgefressenen Hasen sagen müssen, daß Fuchs und Hase sehr wohl nebeneinander leben und bestehen können, beziehentlich daß der den Hasen durch die Füchse zugefügte Abbruch doch nicht so hoch sein kann, als man gewöhnlich annimmt.

Darf nun auch die Schädlichkeit des Hasen als bewiesen gelten, so ist damit noch keineswegs gesagt, daß man ihn ausrotten soll. Unsere Bauernjäger und Raubschützen sorgen ohnehin für seine Verminderung, und diejenigen, denen er ersichtlich schädlich und lästig wird, haben es in der Hand, seinen Bestand nach Belieben zu verringern. Mit Großgrundbesitzern, welche die Freuden der Jagd höher stellen als den Werth der Aesung der auf ihren Grundstücken befindlichen Hasen, ist überhaupt nicht zu rechten; aber auch denjenigen, welche für unbedingte Vertilgung des Nagers sich aussprechen, läßt sich erwidern, daß das Jagdvergnügen und das wohlschmeckende Wildpret des Hasen doch ebenfalls Berücksichtigung verdient. Somit finde ich es vollkommen begreiflich, daß Großgrundbesitzer neuerdings mit ungleich mehr Sorgfalt als früher Vorkehrungen zur Vermehrung der Hasen treffen, indem sie sogenannte Hasengärten anlegen. Diese beruhen auf der Wahrnahme erfahrener Waidmänner, daß zu viele Rammler eher zur Verminderung als zur Vermehrung des Hasenstandes beitragen, also bis auf wenige Zuchthasen abgeschlossen oder doch außer Thätigkeit gesetzt werden müssen. Demgemäß sperrt man in einem wohlumhegten, mit schützendem Gebüsch und leckerer Aesung ausgestatteten Raume fünfmal so viel Häsinnen als Hasen ein, sondert von Zeit zu Zeit die erzeugten Jungen ab, indem man dem größten Theile der Rammler die Freiheit gibt, die Häsinnen aber durch Verschneiden der Löffel zeichnet und erst nach beendigter Jagd auf [470] die Felder setzt, selbstverständlich, nachdem man einen genügenden Bestand für das nächste Jahr zurückbehalten hat. Nach Versicherungen Hartungs, welcher neuerdings vielfach Versuche in dieser Hinsicht angestellt hat, kann man bei einem eingehegten Bestande von zwanzig Rammlern und achtzig Häsinnen mit Sicherheit eine Vermehrung von achthundert jungen Hasen erwarten, welche vollkommen ausreicht, jede Jagdlust zu befriedigen und gleichzeitig den Nahrungsverbrauch derselben feststellen läßt.

Außer dem mit Recht geschätzten Wildprete des Hasen nutzt man auch dessen Balg. In Rußland verwendet man sehr viel Felle, und in Böhmen, welches seit alten Zeiten in der Hutmacherei einen großen Ruf sich erworben hat, werden alljährlich gegen vierzigtausend zu diesem Erwerbszweige gebraucht. Von der von Haaren entblößten und gegerbten Haut des Hasen verfertigt man Schuhe und eine Art Pergament, oder benutzt sie zur Leimbereitung. In der alten Arzneikunde spielten Haar, Fett, Blut und Gehirn, selbst Knochen, ja sogar der Roth des Hasen eine bedeutende Rolle, und noch heutigen Tages wenden abergläubische Menschen Lampes Fell und Fett gegen Krankheiten an. Der Hase genoß denn auch längere Zeit die Ehre, als ein verzaubertes Wesen zu gelten. Noch im vorigen Jahrhundert glaubte man in ihm einen Zwitter zu sehen und war fest überzeugt, daß er willkürlich das Geschlecht zu ändern im Stande sei, also ebenso wohl als Männchen wie als Weibchen auftreten könne. Die Pfädchen, welche er sich im hohen Getreide durchbeißt, werden noch heutzutage für Hexenwerk angesehen und mit dem Namen Hexenstiege belegt.

Noch ist nicht ausgemacht, ob der Schneehase der Alpen und des hohen Nordens eine und dieselbe Art bildet. Im allgemeinen erweisen sich beide als treue Kinder ihrer Heimat. Sie sind Thiere, welche ihr Kleid dem Boden nach den Umständen anpassen; doch kommen hier eigenthümliche Abweichungen vor. Die Alpenschneehasen sind im Winter rein weiß, nur an der Spitze der Ohren schwarz, im Sommer graubraun, und zwar rein einfarbig, nicht gesprenkelt wie der gemeine Hase. Die in Irland lebenden, jenen sehr ähnlichen Wechselhasen werden nie weiß und deshalb von einigen Gelehrten als besondere Art (Lepus hibernicus) angesehen. Umgekehrt entfärben sich die im höchsten Norden wohnenden Schneehasen im Sommer nicht, sondern bleiben das ganze Jahr hindurch weiß und werden deshalb ebenfalls als eigene Art (Lepus glacialis) betrachtet. Die skandinavischen Hasen, welche sämmtlich Schneehasen sind, unterscheiden sich ebenfalls: die einen werden weiß bis auf die schwarze Ohrenspitze, die anderen verändern sich nicht. Bei ihnen ist das Unterhaar schiefergrau, die Mitte schmutzig rothbraun und die Spitze weiß. Diese Färbung scheint aber eine rein zufällige zu sein; man behauptet wenigstens, daß oft Hasen ein und desselben Satzes beide Färbungen zeigen sollen. Wahrscheinlich walten hier dieselben Verhältnisse wie beim Eisfuchse vor. Man wird, solange nicht anderweitige Unterschiede sich auffinden lassen, die erwähnten Schneehasen kaum trennen dürfen, und jedenfalls haben wir nicht Unrecht, wenn wir zur Zeit noch alle Schneehasen vereinigen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 461-471.
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