[87] Der nächste Verwandte des Wiesels ist das Hermelin, auch wohl großes Wiesel genannt (Foetorius Erminea, Viverra, Mustela und Putorius Erminea, Mustela candida usw.), ein Thier, welches dem Hermännchen in Gestalt und Lebensweise außerordentlich ähnelt, aber bedeutend größer ist als der kleine Verwandte. Die Gesammtlänge beträgt 32 bis 33 Centim., wovon der Schwanz 5 bis 6 Centim. wegnimmt; im Norden soll es jedoch größer werden als bei uns. Oberseite und Schwanzwurzelhälfte sehen im Sommer braunroth, im Winter weiß aus und haben zu jener Zeit braunröthliches, zu dieser weißes Wollhaar, die Unterseite hat jederzeit weiße Färbung mit gilblichem Anfluge, und die Endhälfte des Schwanzes ist immer schwarz.
Die Veränderung der Färbung des Hermelins im Sommer und Winter hat unter den Naturforschern zu Meinungsverschiedenheiten Veranlassung gegeben. Einige sonst trefflich beobachtende Schriftsteller nehmen an, daß eine doppelte Härung stattfinde, andere, zu denen ich zähle, sind der Ansicht, daß das Sommerhaar gegen den Winter hin und beziehentlich bei Eintritt starker Kälte einfach verbleicht, sowie wir dies bei dem Eisfuchse und dem Schneehafen beobachten können. Ueber den Farbenwechsel im Frühlinge hat der Schwede Grill, dessen anmuthige Schilderungen weiter unten folgen werden, nach Wahrnehmungen an seinen Gefangenen treffliche Beobachtungen gemacht. »Am 4. März«, sagt er, »konnte man zuerst einige dunkle Haare zwischen den Augen bemerken. Am 10. hatte es auf derselben Stelle einen braunen, hier und da mit Weiß durchbrochenen Flecken, von der Breite der halben Stirne. Ueber den Augen und um die Nase zeigten sich nun mehrere kleine dunkle Flecke. Wenn es sich krumm bückte, sah man, daß der Grund längs der Mitte des Rückens, unter den Schultern und auf dem Scheitel dunkel war. Am 11. war es den ganzen Rückgrat und über die Schultern entlang dunkel. Am 15. zog sich das Dunkle schon über die Hinter- und Vorderbeine sowie ein Stück über die Schwanzwurzel. Am 18. umfaßte das graubraun den Durchgang zwischen den Ohren, den Hinterhals, ungefähr 5 Centim. breit, ebenso den Rücken, ein Viertel des Schwanzes und zog sich über Schultern und Hüften bis zu den Füßen. [87] Ueberall war die dunkle und die weiße Färbung scharf begrenzt und die erstere durchaus unvermischt mit Weiß, ausgenommen im Gesichte, welches ganz bunt aussah. Das Braune war dort am dunkelsten und wurde nach hinten zu allmählich heller, so daß es über den Lenden und um die Schwanzwurzel gelbbraun oder schmutziggelblich war. Der Schwanz hatte nun drei Farben, nämlich ein Viertel braungelb, ein Viertel weiß mit schwefelgelbem Anstrich und die Hälfte schwarz. Auch unter dem Bauche war die schwefelgelbe Farbe jetzt stärker als vorher. Der Farbenwechsel ging sehr schnell vor sich, besonders im Anfange, so daß man ihn täglich, ja sogar halbtäglich bemerken konnte. Am 3. April war nur noch weiß: die untere Seite des Halses und der Kehle, der ganze Bauch, die Ohren und von da zu den Augen, welche mit einem kleinen Ring umgeben waren, ein kurzes Stück vor der schwarzen Hälfte des Schwanzes und die ganze Unterseite seiner vorderen Hälfte, die ganzen Füße sowie die innere Seite der Vorder- und Hinterbeine und die Hinterseite der Schenkel. Am 19. waren auch die Ohren, bis auf einen kleinen Theil des unteren Randes, braun. Es ist an keiner Stelle stachelhaarig gewesen, außer an der Stirne, wo mehrere weiße Haare neben einander sitzen und kleine Flecken bilden. Erst wuchsen die dunklen Haare auf einmal hervor, und ehe sie mit den weißen gleich hoch waren, waren diese schon ausgefallen. Man kann annehmen, daß der eigentliche Wechsel in der ersten Hälfte des März vor sich ging; nach dem 19. März hat das braune Kleid sich nur mehr ausgebreitet und allmählich das weiße verdrängt.«
Ueber die Ausbleichung des Sommerkleides fehlen allerdings noch Angaben, welche auf Beobachtung lebender Wiesel beruhen; doch wissen wir, daß die Wintertracht unter Umständen sehr schnell angelegt werden kann. Nicht selten sieht man das Hermelin bis spät in den Winter hinein in seinem Sommerkleide umherlaufen; wenn aber plötzlich Kälte eintritt, verändert es oft in wenigen Tagen seine Färbung. Hieraus geht für mich mit kaum anzufechtender Gewißheit hervor, daß ebenso wie bei den oben genannten Thieren auch beim Hermelin eine einfache Verfärbung oder, wenn man will, Ausbleichung des Haares stattfindet. Bei allen Marderarten bedarf das Wachsthum des Pelzes eine beträchtliche Zeit, und geht die Härung wesentlich in der oben (Bd. I, S. 29) angegebenen Weise vor sich; es läßt sich also kaum annehmen, daß das Hermelin eine Ausnahme von der Regel machen und binnen wenigen Tagen ein verhältnismäßig ebenso dichtes Kleid erhalten kann wie seine Verwandten, da letztere, doch Monate gebrauchen, bevor sie dasselbe anlegen. Bestimmtes vermag ich aus dem Grunde nicht zu sagen, weil ich bis jetzt die Umfärbung eines lebenden Hermelins noch nicht beobachtet habe, meiner Ansicht nach aber die streitige Sache einzig und allein durch solche Beobachtungen, nicht aber durch Folgerungen und Schlüsse erledigt werden kann; gleichwohl halte ich meine Ansicht für die richtige.
Das Hermelin hat eine sehr ausgedehnte Verbreitung im Norden der Alten Welt. Nordwärts von den Pyrenäen und dem Balkan findet es sich in ganz Europa, und außerdem kommt es in Nord- und Mittelasien bis zur Ostküste Sibiriens vor. In Kleinasien und Persien hat man es ebenfalls angetroffen, ja selbst im Himalaya will man es beobachtet haben. In allen Ländern, in denen es vorkommt, ist es auch nicht selten, in Deutschland sogar eines der häufigsten Raubthiere.
Wie dem Wiesel, ist auch dem Hermelin jede Gegend, ja fast jeder Ort zum Aufenthalte recht, und es versteht, sich überall so behaglich als möglich einzurichten. Erdlöcher, Maulwurf- und Hamsterröhren, Felsklüfte, Mauerlöcher, Ritzen, Steinhaufen, Bäume, unbewohnte Gebäude und hundert andere ähnliche Schlupforte bieten ihm Obdach und Verstecke während des Tages, welchen es größtentheils in seinem einmal gewählten Baue verschläft, obwohl es gar nicht selten auch angesichts der Sonne im Freien lustwandelt und sich dreist den Blicken des Menschen aussetzt. Seine eigentliche Jagdzeit beginnt jedoch erst mit der Dämmerung. Schon gegen Abend wird es lebendig und rege. Wenn man um diese Zeit an passenden Orten vorübergeht, braucht man nicht lange zu suchen, um das klugäugige, scharfsinnige Wesen zu entdecken. Findet man in der Nähe einen geeigneten Platz, um sich zu verstecken, so kann man sein Treiben leicht beobachten. [88] Ungeduldig und neugierig, wie es ist, vielleicht auch hungrig und sehnsüchtig nach Beute, kommt es hervor, zunächst bloß um die unmittelbarste Nähe seines Schlupfwinkels zu untersuchen. Alle Behendigkeit, Gewandtheit und Zierlichkeit seiner Bewegungen offenbaren sich jetzt. Bald windet es sich wie ein Aal zwischen den Steinen und den Schößlingen des Unterholzes hindurch; bald sitzt es einen Augenblick bewegungslos da, den schlanken Leib in der Mitte hoch aufgebogen, viel höher noch, als es die Katze kann, wenn sie den nach ihr benannten Buckel macht; bald bleibt es einen Augenblick vor einem Mauseloche, einer Maulwurfshöhle, einer Ritze stehen und schnuppert da hinein. Auch wenn es auf einer und derselben Stelle verharrt, ist es nicht einen Augenblick ruhig; denn die Augen und Ohren, ja selbst die Nase, sind in beständiger Bewegung, und der kleine Kopf wendet sich blitzschnell nach allen Richtungen. Man darf wohl behaupten, daß es in allen Leibesübungen Meister ist. Es läuft und springt mit der größten Gewandtheit, klettert vortrefflich und schwimmt unter Umständen rasch und sicher über Ströme, ja selbst durch das Meer. »Ein Bauer«, sagt Thompson, »bemerkte, als er mit seinem Boote über den eine englische Meile breiten Meeresarm fuhr, welcher einen Theil von Islandmagee von dem nächsten Lande trennt, ein kleines Thier lustig schwimmend in dem Wasser. Er ruderte auf dasselbe zu und fand, daß es ein Wiesel war, welches unzweifelhaft das genannte Inselchen besuchen wollte und bereits das Viertel einer englischen Meile zurückgelegt hatte.«
Mit seiner Leibesgewandtheit stehen die geistigen Eigenschaften des Hermelins vollständig im Einklange. Es besitzt denselben Muth wie sein kleiner Vetter und eine nicht zu bändigende Mordlust, verbunden mit dem Blutdurste seiner Sippschaft. Auch das Hermelin kennt keinen Feind, welchen ihm wirklich Furcht einflößen könnte; denn selbst auf den Menschen geht es unter Umständen tolldreist los. Man sollte nicht glauben, daß es dem erwachsenen Manne ein wenigstens lästiger Gegner sein könnte: und doch ist dem so. »Ein Mann«, so erzählt Wood, »welcher in der Nähe von Cricklade spazieren ging, bemerkte zwei Hermeline, welche ruhig auf seinem Pfade saßen. Aus Uebermuth ergriff er einen Stein und warf nach den Thieren, und zwar so geschickt, daß er eines von ihnen traf, und es durch den kräftigen Wurf über und über schleuderte. In demselben Augenblicke stieß das andere einen eigenthümlichen, scharfen Schrei aus und sprang sofort gegen den Angreifer seines Gefährten, kletterte mit einer überraschenden Schnelligkeit an seinen Beinen empor und versuchte, in seinem Halse sich einzubeißen. Das Kriegsgeschrei war von einer ziemlichen Anzahl anderer Hermeline, welche sich in der Nähe verborgen gehalten hatten, erwidert worden, und diese kamen jetzt ebenfalls herbei, um dem muthigen Vorkämpfer beizustehen. Der Mann raffte zwar schleunigst Steine auf, in der Hoffnung, jene zu vertreiben, mußte sie aber bald genug fallen lassen, um seine Hände zum Schutze seines Nackens frei zu bekommen. Er hatte gerade hinlänglich zu thun; denn die gereizten Thierchen verfolgten ihn mit der größten Ausdauer, und er verdankte es bloß seiner dicken Kleidung und einem warmen Tuche, daß er von den boshaften Geschöpfen nicht ernstlich verletzt wurde. Doch waren seine Hände, sein Gesicht und ein Theil seines Halses immer noch mit Wunden bedeckt, und er behielt diesen Angriff in so gutem Andenken, daß er hoch und theuer gelobte, niemals wieder ein Hermelin zu beleidigen. Seinen Freunden versicherte er steif und fest, ganz deutlich gehört zu haben, daß das erste Raubthier, welches ihn angriff, nach seinem Steinwurfe entrüstet das Wort ›Mörder‹ ausgerufen habe, – und wir wollen unserem Manne diese Uebertreibung auch gern verzeihen, da das Geknurr eines wüthenden Hermelins wenigstens die beiden ›r‹ jenes Wortes entschieden ausdrückt. Daß der Mann mindestens hinsichtlich des Angriffes keine Unwahrheit berichtet hat, beweist nachstehende Angabe des Kreisphysikus Hengstenberg. ›Ich erlaube mir‹, schreibt derselbe unterm 8. August 1869 an mich, Mittheilung von einer Thatsache zu machen, welche Ihnen viel leicht nicht unwichtig erscheinen dürfte. Vorgestern gegen Abend spielt das fünfjährige Kind des Bahnhofsinspektors Braun in Bochum am Rande eines Grabens, gleitet aus und fällt mit der Hand in diesen. Mit Blitzesschnelle schießt ein Hermelin auf das Kind zu und beißt es zweimal in die Hand. Heftig blutend eilt dieses [89] nach Hause, wo eine zufällig gegenwärtige barmherzige Schwester den ersten Verband übernimmt. Ich werde hinzugerufen und finde die Speichenschlagader vollständig durchgerissen und bogenförmig spritzend. Die Wunde hatte ganz die halbkreisförmige Gestalt des Kiefers des Thieres; etwas höher, nach dem Ballen des Daumens zu, fand sich eine regelmäßig eingerissene Hautwunde vor. Ich vermuthe, daß das Thierchen in der Nähe der Stelle, an welcher das Kind fiel, Junge hatte, dieselben bedroht glaubte, sie vertheidigen wollte und deshalb die Wunde beibrachte.«
Das Hermelin jagt und frißt fast alle Arten kleiner Säugethiere und Vögel, die es erlisten kann, und wagt sich gar nicht selten auch an Beute, welche es an Leibesgröße bedeutend übertrifft. Mäuse, Maulwürfe, Hamster, Kaninchen, Sperlinge, Lerchen, Tauben, Hühner, Schwalben, welche es aus den Nestern holt, Schlangen und Eidechsen werden beständig von ihm befehdet, und selbst Hasen sind nicht vor ihm sicher. Vor einigen Jahren sah Lenz einmal fünf Hermeline bei einem Gartenzaune auf einem kranken Hasen sitzen, um diesen zu erwürgen. Derselbe Beobachter fügt hinzu, daß gesunde und große Hasen natürlich vor dem Wiesel sicher seien und bloß kranke und junge ihm zur Beute fielen; jedoch versichern englische Naturforscher, daß das freche Thier auch gesunde überfalle. Hope hörte Lampes lauten Angstschrei und wollte nach dem Orte hingehen, um sich von der Ursache zu überzeugen. Er sah einen Hasen dahinhinken, welcher offenbar von irgend etwas auf das äußerste gequält wurde. Dieses etwas hing ihm an der Seite der Brust, wie ein Blutegel angesaugt, und beim Näherkommen erkannte unser Beobachter, daß es ein Wiesel war. Der Hase schleppte seinen furchtbaren Feind noch mit sich fort und verschwand im Unterholze; wahrscheinlich kam er nicht mehr weit. Man hat auch diese Thatsache bestreiten wollen; doch unterliegt sie keinem Zweifel. Schon Geßner weiß von Angriffen des Hermelins auf Hasen zu berichten: »Dem Hasen sol es listiglich nachstellen, dann es spilt und schimpfft ein weyl mit jm, unn so er müd, sich der feyndschafft nit versicht, so springt es jm an seinen halß und gurgel, hangt, truckt vnd erwürgt jn, ob er gleych in dem louff ist«. Auch neuerdings sind von Naturforschern, deren Glaubwürdigkeit keinen Zweifel zuläßt, hierauf bezügliche Beobachtungen gemacht worden. »Es ist bekannt«, erzählt Karl Müller, »daß das Hermelin ein gefährlicher Feind des Hasen ist, und namentlich im Sommer, wenn die üppige Saat und das hoch gewachsene Gras dem kleinen Schelm das Lauern an heimlichen Plätzchen oder das Anschleichen begünstigt, oft reiche Beute unter den feigen Bewohnern der Felder macht. Das Angst-und Todesgeschrei des wehrlosen Opfers mit dem kühnen blutsaugenden Reiter im Nacken ist auf meinen Abendspaziergängen mir schon viele Male zu Ohren gedrungen, und einmal habe ich das Glück gehabt, in den Besitz des sterbenden Hasen sammt dem im Blutgenusse trunkenen Hermelin zu gelangen. Trotz alledem hielt ich es nicht für möglich, daß ein einziges Hermelin im Stande wäre, in einem Zeitraume von wenigen Wochen ein halbes Dutzend Hasen zu überlisten und zu morden, bis ich im Spätsommer des Jahres 1865 Gelegenheit fand, mich eines besseren zu überzeugen. Mehrere Wegebauer unweit Alsfelds waren gegen Abend schon etliche Male durch das Klagen eines Hasen aufmerksam gemacht worden, ohne in den Haferacker, aus welchem die Angsttöne herüber schallten, sich zu begeben, bis endlich ein Kenner der jagdbaren Thiere sich entschloß, der Ursache nachzuspüren. Am dritten Abende seiner Anwesenheit vernahm er wiederum die Klagetöne eines Hasen, lief eilig der Richtung zu und sah, näher gekommen, in immer enger geschlossenen Kreislinien die Haferhalme sich bewegen; plötzlich ward es stille und nach wenigen Augenblicken des Suchens fand er den alten Hasen zuckend am Boden liegen. Als er denselben aufheben wollte, kam unter ihm das Schwänzchen eines Hermelins zum Vorscheine. Sofort tritt der derbe Bauer auf den Hasen, um das Raubthier zu erdrücken, läßt auch seinen Fuß so lange mit dem ganzen Gewichte seines Körpers auf dem Halse des Hasen ruhen, bis das Schwänzchen kein Zeichen des Lebens mehr verräth. Kaum aber lüftet er den Fuß, so springt taumelnd der kleine Mörder unter dem verendeten Hasen hervor und stellt sich zähnefletschend ihm gegenüber. Nun schlägt er diesen noch glücklich mit einem Hackenstiel auf den Kopf und rächt somit das gefallene Opfer. Die Untersuchung ergibt, daß die kleine Wunde vom Bisse des Hermelins [90] vorn am Halse sich befindet. Zur Stelle geführt, überzeugte ich mich von den Spuren der Mordscene, und bei dieser Gelegenheit fanden die Steinklopfer theilweise im Haferacker, zum Theil in dem angrenzenden Graben fünf getödtete, vorzugsweise an Kopf und Hals angefressene Hasen. Mit Ausnahme eines einzigen waren es junge, sogenannte halbwüchsige und Dreiläufer, alle noch ziemlich frisch. Die Leute, welche noch vierzehn Tage lang in der Nähe der erwähnten Stelle Steine klopften, nahmen einen neuen Fall des Angriffs des Hermelins auf einen Hasen nicht wahr, ein Beweis, daß der erschlagene der alleinige Mörder gewesen war.« Ein solches Vorkommnis gehört übrigens, wie ich bemerken will, immer zu den Ausnahmen; es sind stets bloß einzelne Hermeline, welche sich derartige Uebergriffe erlauben, nachdem sie einmal erfahren haben, wie leicht es für sie ist, selbst dieses unverhältnismäßig große Wild zu tödten. »Es ist eine eigenthümliche Thatsache«, bemerkt Bell, welcher das erst erwähnte Beispiel mittheilt, »daß ein Hase, welcher von dem Hermeline verfolgt wird, seine natürliche Begabung nicht benutzt. Selbstverständlich würde er mit wenigen Sprüngen aus dem Bereiche aller Angriffe gelangen, wie er einem Hunde oder Fuchse entkommt; aber er scheint das kleine Geschöpf gar nicht zu beachten und hüpft gemächlich weiter, als gäbe es kein Hermelin in der Welt, obwohl ihm diese stumpfe Gleichgültigkeit zuweilen zum Verderben wird«.
Allerliebst sieht es aus, wenn ein Hermelin eine seiner Lieblingsjagden unternimmt, nämlich eine Wasserratte verfolgt. Gedachtem Nager wird von dem unverbesserlichen Strolche zu Wasser und zu Lande nachgestellt und, so ungünstig das eigentliche Element dieser Ratten dem Hermeline auch zu sein scheint, zuletzt doch der Garaus gemacht. Zuerst spürt das Raubthier alle Löcher aus. Sein feiner Geruch sagt ihm deutlich, ob in einem von ihnen eine oder zwei Ratten gerade ihrer Ruhe pflegen oder nicht. Hat das Hermelin nun eine beuteversprechende Höhle ausgewittert, so geht es ohne weiteres hinein. Die Ratte hat natürlich nichts eiligers zu thun, als sich entsetzt in das Wasser zu werfen, und ist im Begriff, durch das Schilfdickicht zu schwimmen; aber das rettet sie nicht vor dem unermüdlichen Verfolger und ihrem ärgsten Feinde. Das Haupt und den Nacken über das Wasser emporgehoben, wie ein schwimmender Hund es zu thun pflegt, durchgleitet das Hermelin mit der Behendigkeit des Fischotters das ihm eigentlich fremde Element und verfolgt nun mit seiner bekannten Ausdauer die fliehende Ratte. Diese ist verloren, wenn nicht ein Zufall sie rettet. Kletterkünste helfen ihr ebensowenig wie Versteckenspielen. Der Räuber ist ihr ununterbrochen auf der Fährte, und seine Raubthierzähne sind immer noch schlimmer als die starken und scharfen Schneidezähne des Nagers. Der Kampf wird unter Umständen selbst im Wasser ausgeführt, und mit der erwürgten Beute im Maule schwimmt dann das behende Thier dem Ufer zu, um sie dort gemächlich zu verzehren. Wood erzählt, daß einige Hermeline eine zahlreiche Ansiedelung von Wasserratten in wenig Tagen zerstörten.
Die Paarungszeit des Hermelins fällt bei uns in den März. Im Mai oder Juni bekommt das Weibchen fünf bis acht Junge. Gewöhnlich bereitet die Alte ihr weiches Bett in einem günstig gelegenen Maulwurfsbaue oder in einem anderen ähnlichen Schlupfwinkel. Sie liebt ihre Kinder mit der größten Zärtlichkeit, säugt und pflegt sie und spielt mit ihnen bis in den Herbst hinein; denn erst gegen den Winter hin trennen sich die fast vollständig ausgewachsenen Jungen von ihrer treuer Pflegerin. Sobald Gefahr droht, trägt die besorgte Mutter die ganze Brut im Maule nach einem anderen Verstecke, sogar schwimmend durch das Wasser. Wenn die Jungen erst einigermaßen erwachsen sind, macht sie Ausflüge mit ihnen und unterrichtet sie auf das gründlichste in allen Künsten des Gewerbes. Die kleinen Thiere sind auch so gelehrig, daß sie schon nach kurzer Lehrfrist der Alten an Muth, Schlauheit, Behendigkeit und Mordlust nicht viel nachgeben.
Man fängt das Hermelin in Fallen aller Art, oft auch in Rattenfallen, in welche es zufällig geräth; kommt man dann hinzu, so läßt es ein durchdringendes Gezwitscher hören; reizt man es, so fährt es mit einem quiekenden Schrei auf einen zu, sonst aber gibt es seine Angst bloß durch leises Fauchen zu erkennen. In der Regel lebt auch ein alt gefangenes Hermelin nicht lange, weil es, ebenso reizbar wie das Wiesel, sich weder an den Käfig, noch an den Pfleger gewöhnen will und [91] entweder Nahrung verschmäht oder sich so aufregt, daß es infolge dessen zu Grunde geht. Ich habe viele Hermeline gefangen, sorgsam gepflegt, niemals aber eines von ihnen am Leben erhalten können. Jung aus dem Neste gehobene Wiesel dieser Art dagegen werden sehr zahm und bereiten ihrem Pfleger viel Vergnügen; einzelne soll man dazu gebracht haben, nach Belieben aus- und einzugehen und ihrem Herrn wie ein Hund zu folgen. Aber auch alt gefangene machen zuweilen von dem eben gesagten eine Ausnahme. »Einige Tage vor Weihnachten 1843«, erzählt Grill, »bekam ich ein Hermelinmännchen, welches in einem Holzhaufen gefangen wurde. Es trug sein reines Winterkleid. Die schwarzen, runden Augen, die rothbraune Nase und die schwarze Schwanzspitze stachen grell gegen die schneeweiße Färbung ab, welche nur an der Schwanzwurzel und auf der innere Hälfte des Schwanzes einen schönen, schwefelgelben Anflug hatte. Es war ein hübsches, allerliebstes, äußerst bewegliches Thierchen. Ich setzte es anfangs in ein größeres, unbewohntes Zimmer, worin sich bald der dem Mardergeschlechte eigene üble Geruch verbreitete. Seine Fertigkeit, zu klettern, zu springen und sich zu verbergen, war bewundernswerth. Mit Leichtigkeit kletterte es die Fenstervorhänge hinauf, und wenn es dort oben auf seinem Platze erschreckt wurde, stürzte es sich oft plötzlich mit einem Angstschrei auf den Fußboden herunter. Am zweiten Tage lief es an der Ofenröhre hinauf und blieb dort, ohne etwas von sich hören zu lassen, bis es endlich, nach mehreren Stunden, mit Ruß bedeckt wieder zum Vorscheine kam. Oft foppte es mich stundenlang, wenn ich es suchte, bis ich es zuletzt an einem Orte versteckt fand, wo ich es am wenigsten vermuthete. Es drängte sich hinter einem dicht an der Wand stehenden Schranke empor und ruhte dort ohne irgend eine Unterlage. In seinem Zimmer hing hoch an der freien Wand eine Pendeluhr. Einmal, als ich hineinkam, bemerkte ich zu meiner Verwunderung, daß die Uhr ging; und bei näherer Untersuchung fand ich, daß mein ›Kisse‹ in guter Ruhe hinter der Uhrtafel auf dem Rande des Werkes lag. Es war vom Fußboden hinaufgeklettert oder gesprungen, und die dadurch verursachte Erschütterung hatte wohl den Pendel in Gang gesetzt. Da das Zimmer nicht geheizt wurde, suchte es sich bald sein Lager in einer Bettstelle und wählte sich einen besonderen Platz, den es jedoch gleich verließ, wenn Jemand in die Thüre trat. Das Bett blieb aber von nun an sein liebstes Versteck. Gewöhnlich sucht es dieses auf, wenn man rasch auf es zugeht; aber wenn man ihm freundlich zuredet und sich sonst still hält, bleibt es oft in seinem Laufe stehen oder geht neugierig einige Schritte vorwärts, indem es seinen langen Hals ausstreckt und den einen Vorderfuß aufhebt. Diese seine Neugier ist auch allgemein bekannt, so daß das Landvolk zu sagen pflegt: ›Wieselchen freut sich, wenn man es lobt‹. – Wenn es sehr aufmerksam, oder wenn ihm etwas verdächtig ist, so daß es weiter sehen will, als sein niedriger Leib ihm erlaubt, setzt es sich auf die Hinterbeine und richtet den Körper hoch auf. Es liegt oft mit erhobenem Halse, gesenktem Kopfe und aufwärts gekrümmten Rücken. Wenn es läuft, trägt es den ganzen Körper so dicht dem Boden entlang, daß die Füße kaum zu bemerken sind. Wenn man ihm nahe kommt, bellt es, ehe es die Flucht ergreift, mit einem heftigen und gellendem Tone, welcher dem des großen Buntspechtes am ähnlichsten ist; man könnte den Laut auch mit dem Fauchen einer Katze vergleichen, doch ist er schneidender. Noch öfter läßt es ein Zischen wie das einer Schlange hören.
Als das Hermelin am dritten Tage in einen großen Bauer gesetzt worden war, wo es sah, daß es nicht herauskommen konnte und sich sicher fühlte, ließ es sich nichts nahe kommen, ohne ans Gitter zu springen, heftig mit den Zähnen zu hauen und den vorhin erwähnten Laut in einem langen Triller zu wiederholen, welcher dann dem Schackern einer Elster sehr ähnlich war. Dort ist es auch nicht bange vor dem Hunde, und beide bellen, jeder dicht an seiner Seite des Gitters, gegen einander. Wenn man z.B. den Finger eines Handschuhs durchs Gitter steckt, beißt es hinein und reißt heftig daran. Wenn es sehr böse ist – und dazu ist nicht mehr erforderlich, als daß es von seinem Lager aufgejagt wird – sträubt es jedes Haar seines langen Schwanzes.
Im allgemeinen ist es sehr boshaft. Musik ist ihm zuwider. Wenn man vor dem Bauer die Guitarre spielt, springt es wie unsinnig gegen das Gitter und bellt und zischt so lange, als man [92] damit fortfährt. Es versucht niemals, die Klauen zum Zerreißen seiner Beute zu gebrauchen, sondern fällt immer mit den Zähnen an. – Während der beiden ersten Tage verbreitete sich der üble Geruch oft, nachher jedoch äußerst selten, weshalb ich ohne Unannehmlichkeit den Bauer immer in meinem Arbeitszimmer haben konnte.
Wenn es zur Ruhe geht, dreht es sich wohl mehrere Male rund um, und wenn es schläft, liegt es kreisförmig, die Nase dicht bei der Schwanzwurzel aufwärts gerichtet, wobei der Schwanz rund um den Körper gebogen wird, so daß die ganze Länge beinahe zwei Kreise bildet. Gegen Kälte zeigt es sich sehr empfindlich. Wenn es nur etwas kalt im Zimmer ist, liegt es beständig in dem Neste, welches es sich aus Moos und Federn und mit zwei Ausgängen selbst eingerichtet hat, und wenn man es hinausjagt, zittert es sichtlich. Ist es dagegen warm, so sitzt es gern hoch oben auf dem Tannenbüschel, welcher im Bauer steht. Zuweilen putzt es sich den ganzen Körper bis zum Schwanzende; aber es behelligt seinen Reinlichkeitssinn durchaus nicht, daß nach der Mahlzeit beinahe immer die eine oder andere Feder auf der Nase sitzen bleibt. Wenn ein Licht dem Käfige nahe steht, schließt es, von dem Scheine belästigt, die Augen; eine dichte Ratzenfalle, worin ich es im Zimmer fing, wollte es aber durchaus nicht gegen den hellen Bauer vertauschen. Im Halbdunkel glänzen seine Augen in einer grünen, klaren und schönen Farbe. Die ziemlich dichten Stahldrähte an dem Bauer biß es öfters paarweise zusammen, und wenn es allein im Zimmer war, entschlüpfte es auch wohl dem Gebauer. Einen Beweis seiner Klugheit gab es in den ersten Tagen, indem es sorgfältig seine liebsten Verstecke vermied, sobald es merkte, daß man es von dort in den Bauer locken wollte. Dieser mußte bald gegen einen starken Eisenbauer ausgetauscht werden, dessen Dach und Fußboden von Holz das Thier niemals zu durchbeißen versuchte; dagegen biß es oft in das Eisengitter, um hinauszukommen. Es hatte einen bestimmten Platz für die Losung, und die Einrichtung, wozu dieses Veranlassung gab, erleichterte sehr das Reinhalten des Bauers.
In den beiden ersten Tagen fraß das Hermelin Kopf und Füße von einigen Birkhühnern. Milch leckte es gleich anfangs mit großer Begier, und diese war, nebst kleinen Vögeln, seine liebste Speise. Zwei Goldammer reichten kaum für einen Tag aus. Es verzehrte den Kopf zuerst und ließ nichts als die Federn übrig. Von größeren Vögeln, als von Hehern und Elstern, ließ es Kopf und Füße zurück. Rohe Hühnereier blieben mehrere Tage unberührt, obgleich es sehr hungrig war, bis ich Löcher hinein machte, worauf es den Inhalt schnell ausgetrunken hatte. Frisches Fleisch von Hornvieh nimmt es nicht gern. Es ißt und trinkt mit einem schmatzenden Laute, wie wenn junge Hunde oder Ferkel saugen. Seine Beweglichkeit in der unteren Kinnlade ist bemerkenswerth: wenn es frißt, gähnt usw. stellt es sie beinahe senkrecht gegen die Oberkinnlade, wie Schlangen, was unter anderem Veranlassung gegeben hat, eine Aehnlichkeit zwischen ihm und diesen Thieren zu finden. Beim Fressen hält es die Augen fast geschlossen und runzelt Nase und Lippen so auf, daß das ganze Gesicht eine platte Fläche bildet. Wenn es dann das geringste Geräusch hört, wird es aufmerksam und mordet oder frißt nicht, so lange es sich beobachtet glaubt. Einen kleinen lebendigen Vogel fällt es gewöhnlich nicht gleich an, sondern erst dann, wenn alles still ist und der Vogel aus Furcht wie unbeweglich dasitzt; dann untersucht es ihn und, wenn es ein Zeichen von Leben sieht, tödtet es denselben durch Zerquetschen des Kopfes, aber selten schnell und auf einmal, läßt ihn vielmehr fast immer lange im Todeskampfe zappeln: eine Grausamkeit, welche es auch gegen eine große Wanderratte bewies, die ich lebendig zu ihm hinein ließ. Zuerst sprangen beide lange um einander herum, ohne sich anzufallen: sie schienen sich vor einander zu fürchten. Die ungewöhnlich große Ratte war sehr dreist, biß boshaft in ein durchs Gitter gestecktes Stäbchen und hatte in wenigen Minuten die Milch des Hermelins ausgetrunken. Dieses saß ganz still am anderen Ende des meterlangen Bauers. Es sah aus, als wäre die Ratte dort schon lange zu Hause und das Hermelin eben erst hineingekommen. Nach vollendeter Mahlzeit wollte indessen die erstere sich auch soweit wie möglich von dem Hermelin entfernt halten; als ich sie aber zwang, näher zu kommen, war immer sie die angreifende, und wären Größe und Bosheit allein entscheidend gewesen, hätte ich [93] gewiß mit den übrigen Zuschauern geglaubt, daß der Ausgang sehr ungewiß sei. Das Hermelin schien sogar einige Male zu unterliegen: daß es doch überlegen war, sah man an den schnelleren und sicheren Hieben, womit es sich vertheidigte. Wie eine Schlange zog es sich zurück nach den Anfällen, welche so schnell geschahen, daß man nicht Zeit hatte, den geöffneten Rachen zu sehen. Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Die Ratte knirschte und piepte beständig, das Hermelin bellte nur bei der Vertheidigung. Beide sprangen um einander und gegen das Dach des fast meterhohen Bauers hinauf. Als ich sie lange gegen einander aufgereizt hatte und die Ratte weniger kampflustig wurde, begann auch das Hermelin mit seinen Angriffen. Alle Anfälle geschahen offen, von vorn und nach dem Kopfe gerichtet. Keines schlich sich hinter das andere. Bei dem letzten Zusammentreffen kam das Hermelin auf den Rücken der Ratte, preßte die Vorderfüße dicht hinter den Schultern der Ratte fest um ihren Leib zusammen, und da diese sich folglich nicht mehr vertheidigen konnte, lagen beide längere Zeit auf der Seite, wobei der Sieger sich in den Oberhals der Ratte hineinfraß, bis diese endlich starb. Dann zerquetschte es ihr das Rückgrat der Länge nach und ließ beim Verzehren fast die ganze Haut, den Kopf, die Füße und den Schwanz zurück. Ganz auf gleiche Weise verfuhr das Hermelin mit einer anderen ebenso großen lebendigen Ratte. Ich habe nie gesehen, daß es den Säugethieren oder Vögeln, welche es getödtet, das Blut ausgesogen hätte, wie man zuweilen angibt, aber wohl, daß es sie gleich auffraß.
Erst am 7. Mai, nachdem ich das Thier ungefähr 41/2 Monate gehabt hatte, versuchte ich, ihm zu schmeicheln, obwohl mit Handschuhen versehen. Wohl biß es in diese hinein, aber ich fühlte keine Zahnspitzen, und noch weniger ließ es Spuren zurück. Zuerst suchte es meinen Liebesbezeigungen auszuweichen, zuletzt aber schienen sie ihm sichtbar zu behagen: es legte sich auf den Rücken und schloß die Augen. Am folgenden Tage wiederholte ich meine Versuche, da ich mir fest vorgenommen hatte, es so zahm wie möglich zu machen. Bald zog ich den Handschuh ab und beschäftigte mich mit ihm, doch mit gleicher Sicherheit als vorher. Es ließ sich willig streicheln und krauen, so viel ich wollte, die Füße aufheben usw., ja, ich konnte ihm sogar den Mund öffnen, ohne daß es böse wurde. Wenn ich es aber um den Leib faßte, glitt es mir leicht und schnell wie ein Aal aus den Händen. Man mußte ihm leise nahen, wenn es nicht bange werden sollte, und die Hauptregel bei dieser sowie der Behandlung anderer wilden Thiere beachten: zu gleicher Zeit zu zeigen, daß man nicht bange ist, und dem Thiere nichts böses thun will.
Doch bald war es aus mit meiner Freude. Das Hermelin schien mit größerer Schwierigkeit als vorher kleine Mäuse und Vögel zu verzehren, und am 15. Juli lag mein hübscher ›Kisse‹ todt in seinem Bauer, nachdem er mir sieben Monate so manches Vergnügen geschenkt hatte. Ich sah nun deutlich, was ich schon lange zu bemerken geglaubt hatte, daß alle Zähne, außer den Raubzähnen in der Oberkinnlade, beinahe ganz abgenutzt waren, die Eckzähne am meisten. Kam dies vom hohen Alter? Oder hat das Hermelin sie durch das Beißen in das Eisengitter abgenutzt beim Arbeiten für seine Freiheit? Wahrscheinlich hat beides zusammengewirkt.
Weil man anzuführen pflegt, daß das Hermelin, wenn es gereizt oder erschreckt wird, eine übelriechende Feuchtigkeit aus den Schwanzdrüsen ergießt, will ich noch mittheilen, daß mein Hermelin dieses niemals aus reiner Bosheit, auch nicht, wenn es sehr gereizt wurde, sondern nur beim Erschrecken that. Wenn es bellend und zischend mit gesträubten Schwanzhaaren hervorstürzte – und dies that es immer, wenn es böse war – verbreitete sich niemals dieser Geruch, nicht einmal während der Kämpfe mit den größten Ratten, aber wohl, wenn es die Flucht ergriff. Im Anfange der Gefangenschaft traf letzteres oft ein, weil es da bei jedem Geräusche oder jeder eingebildeten Gefahr gleich bange ward, aber nachdem es daran gewöhnt und heimisch geworden war, sehr selten, und nach zwei oder drei Monaten erinnere ich mich nur einer einzigen Gelegenheit, nämlich, als ich die Thüre seines Käfigs heftig zuschlug. Es ward darüber so erschreckt, daß es bis an die Decke hinaufsprang, und der Geruch verbreitete sich augenblicklich so stark wie in den ersten Tagen. Ich bin daher geneigt, anzunehmen, daß diese Ergießung nicht von dem freien Willen des Thieres [94] abhängt, sondern durchaus unfreiwillig geschieht. Es ist wahrscheinlich, daß das Hermelin bei großem Schrecken die Schließmuskeln der Afterdrüsen nicht zu schließen vermag, und daß deshalb die Flüssigkeit frei wird. Dasselbe Verhältnis möchte auch wohl bei allen verwandten Thieren, welche mit derartigen Drüsen versehen sind, stattfinden. Es ist auch natürlich! Wenn das Thier Grund hat, sich zu fürchten, bedarf es dieser kleinen Hülfe in der Stunde der Gefahr; aber wozu sollte sie dienen, wenn das Thier überlegen ist oder im Vertrauen auf seine Kraft es zu sein glaubt?«
Das Fell des Hermelins gibt ein zwar nicht theueres, seiner Schönheit halber jedoch geschätztes Pelzwerk. Früher wurde dasselbe nur von Fürsten getragen, gegenwärtig ist es allgemeiner geworden. Nach Lomer gelangen jährlich etwa 400,000 Hermelinfelle im Gesammtwerthe von 300,000 Mark in den Handel, die besten von Barabinsk und Ischim, minder gute vom Jenisei und Jakutsk. In Südostsibirien wird das Hermelin, laut Radde, erst in neuester Zeit eifriger gejagt und seit 1856 zehn bis fünfzehn Kopeken Silber für das Fell bezahlt, während man früher des geringen Preises halber das Thier gar nicht verfolgte.
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Zu einer anderen Untersippe vereinigt man die Sumpfottern oder Nörze (Vison), dem Iltis ungemein nahe verwandte Marder, welche sich von ihm einzig und allein unterscheiden durch den etwas platteren Kopf, den stärkeren Hockerzahn, die kürzeren Beine, die namentlich an den Hinterfüßen deutlicher ausgeprägten Bindehäute zwischen den Zehen, den verhältnismäßig etwas längeren Schwanz und das glänzende, aus dicht und glatt anliegenden, kurzen Haaren bestehende, an das der Fischottern erinnernde, auf der Ober- und Unterseite gleichmäßig braun gefärbte Fell. Von den wenigen Arten, welche man der gedachten Gruppe zurechnet, sind die wichtigsten: unser Nörz und sein amerikanischer Vertreter, der Mink. Bis in die neueste Zeit war über die Lebensweise der beiden Sumpfottern nur höchst wenig bekannt, und auch jetzt noch lassen die veröffentlichten Beobachtungen viel an Vollkommenheit zu wünschen übrig, wenigstens was die europäische Art anlangt. Ich danke der Freundlichkeit eines Weidmanns aus der Lübecker Gegend wichtige Bereicherungen unserer bisherigen Kenntnis, soweit diese den eigentlichen Nörz angeht; über dessen Vertreter in Amerika, den Mink, haben Audubon und Prinz von Wied berichtet.
Viele Naturforscher halten den amerikanischen Sumpfotter oder Mink nur für eine klimatische Ausartung des unserigen, und in der That sind beide Thiere sich sehr nahe verwandt. Doch unterscheidet sich der Mink vom Nörz durch die Verschiedenheit der Leibesverhältnisse hinlänglich, um die entgegengesetzte Ansicht anderer Forscher zu rechtfertigen, d.h. Mink und Nörz als verschiedene Thiere anzusehen. Als Hauptkennzeichen des ersteren mag gelten, daß er kurzköpfiger, aber langschwänziger ist als unser Nörz. Dem entspricht die verschiedene Anzahl der Schwanzwirbel beider Thiere; denn während Hals-, Rücken- und Lendentheil bei Mink und Nörz aus der gleichen Anzahl Wirbel besteht, zählt man bei ersterem 21, bei letzterem dagegen nur 19 Schwanzwirbel. Diese Unterscheidungsmerkmale sind übrigens die einzigen, welche man aufgefunden hat.
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