Wiesel (Foetorius vulgaris)

[80] Die Wiesel, nach Ansicht einiger Naturforscher eine besondere Sippe oder doch Untersippe (Mustela oder Gale) bildend, sind noch weit schlanker und gestreckter als die übrigen Marder; ihr Schädel ist etwas schmächtiger und hinten schmäler, der obere Reißzahn ein wenig anders gestaltet als bei den Iltissen: hierauf aber beschränken sich die Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden Gruppen. Alle hierher gehörigen Arten halten sich am liebsten in Feldern, Gärten, Erdhöhlen, Felsritzen, unter Steinen und Holzhaufen auf und jagen fast ebensoviel bei Tage als des Nachts. Obgleich die kleinsten Raubthiere, zeichnen sie sich durch ihrem Muth und ihre Raublust aus, so daß sie als wahre Musterbilder der Familie gelten können.


Geripp des Wiesels. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)
Geripp des Wiesels. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

Das Wiesel, Hermännchen oder Hermchen (Foetorius vulgaris, Viverra und Mustela vulgaris, Mustela Gale, nivalis und pusilla), erreicht eine Gesammtlänge von 20 Centim., wovon 4,5 Centim. auf das kurze Schwänzchen zu rechnen sind. Der außerordentlich gestreckte Leib sieht wegen des gleichgebauten Halses und Kopfes noch schlanker aus, als er ist. Von Kopfe an bis zum Schwanze fast überall gleich dick, erscheint er nur bei Erwachsenen in den Weichen etwas eingezogen und an der Schnauze ein wenig zugespitzt. Er ruht auf sehr kurzen und dünnen Beinen mit äußerst zarten Pfoten, deren Sohlen zwischen den Zehenballen behaart und deren Zehen mit dünnen, spitzigen und scharfen Krallen bewaffnet sind. Der Schwanz hat etwa Kopflänge und spitzt sich von der Wurzel nach dem Ende allmählich zu. Die Nase ist stumpf und durch eine Längsfurche einigermaßen getheilt. Die breiten und abgerundeten Ohren stehen seitlich und weit hinten; die schiefliegenden Augen sind klein, aber sehr feurig. Eine mittellange, glatte Behaarung deckt den ganzen Leib und zeigt sich nur in der Nähe der Schnauzenspitze etwas reichlicher. Lange Schnurren vor und über den Augen und einzelne Borstenhaare unter diesen sind außerdem zu bemerken. Die Färbung des Pelzes ist röthlichbraun; der Rand der Oberlippe und die ganze Unterseite sowie die Innenseiten der Beine sind weiß. Hinter jedem Mundwinkel steht ein kleiner, rundlicher, brauner Flecken, und zuweilen finden sich auch einzelne braune Punkte auf dem lichten Bauche. In gemäßigten und südlichen Gegenden ändert diese Färbung nicht wesentlich ab; weiter nördlich hingegen legt das Wiesel, wie sein nächster Verwandter, eine Wintertracht an und erscheint dann weißbraun gefleckt, ohne jedoch die schöne, schwarze Schwanzspitze zu erhalten, welche das Hermelin so auszeichnet.

Das Wiesel bewohnt ganz Europa ziemlich häufig, obschon vielleicht nicht in so großer Anzahl wie das nördliche Asien, und zwar ebensowohl die flachen, wie die gebirgigen Gegenden, buschlose Ebenen so gut wie Wälder, bevölkerte Orte nicht minder zahlreich als einsame. Ueberall findet es einen passenden Aufenthalt; denn es weiß sich einzurichten und entdeckt aller Orten einen Schlupfwinkel, welcher ihm die nöthige Sicherheit vor seinen größeren Feinden gewährt. So wohnt es denn bald in Baumhöhlen, in Steinhaufen, in altem Gemäuer, bald unter hohlen Ufern, in Maulwurfsgängen, Hamster- und Rattenlöchern, im Winter in Schuppen und Scheuern, Kellern und Ställen, unter Dachböden usw., häufig auch in Städten. Wo es ungestört ist, streift es selbst bei Tage umher, wo es sich verfolgt sieht, bloß des Nachts oder wenigstens bei Tage nur mit äußerster Vorsicht.

[81] Wenn man achtsam und ohne Geräusch an Orten vorübergeht, welche ihm Schutz gewähren, kann man leicht das Vergnügen haben, es zu belauschen. Man hört ein unbedeutendes Rascheln im Laube und sieht ein kleines, braunes Wesen dahinhuschen, welches, sobald es den Menschen gewahrt, aufmerksam wird und auf seine Hinterbeine sich erhebt, um bessere Umschau halten zu können. Gewöhnlich fällt es dem zwerghaften Gesellen gar nicht ein, zu fliehen; er sieht vielmehr muthig und trotzig in die Welt hinaus und nimmt eine wahrhaft herausfordernde Miene an. Wenn man ihm dicht an den Leib kommt, ist er auch wohl so dreist, dem Störenfriede selbst sich zu nähern und ihn mit einer unbeschreiblichen Unverschämtheit anzusehen, als wolle es sich Kunde verschaffen, was der ungebetene Gast zu suchen habe.


Wiesel (Foetorius vulgaris) und Hermelin (Foetorius Erminea) im Sommerkleide. 1/3 natürl. Größe.
Wiesel (Foetorius vulgaris) und Hermelin (Foetorius Erminea) im Sommerkleide. 1/3 natürl. Größe.

Mehr als einmal ist es vorgekommen, daß das kühne Geschöpf sogar den Menschen angegriffen und von ihm erst nach langem Streite abgelassen hat. Auch in den Beinen von vorübergehenden Pferden hat es sich festgebissen und konnte nur durch vereinte Anstrengung von Roß und Reiter abgeschüttelt werden. Mit diesem Muthe ist eine unvergleichliche Geistesgegenwart verbunden. Das Wiesel findet fast immer noch einen Ausweg: es gibt sich in den Krallen des Raubvogels noch nicht verloren. Der starke und raubgierige Habicht freilich macht wenig Umstände mit dem ihm gegenüber allzuschwachen Zwerge, nimmt ihn vielmehr, ohne die geringste Gefahr befürchten zu müssen, mit seinen langen Fängen vom Boden auf und erdolcht oder erdrosselt ihn, ehe der arme Schelm noch recht zur Besinnung gelangt; die schwächeren Räuber aber haben sich immerhin vorzusehen, wenn sie Gelüste nach dem Fleische des Wiesels verspüren. So sah ein Beobachter einen Weih auf das Feld herabstürzen, von dort ein kleines Säugethier aufheben und in die Luft tragen. Plötzlich begann der Vogel zu schwanken, sein Flug wurde unsicher, und schließlich fiel der Raubvogel todt zur Erde herab. Der überraschte Zuschauer eilte zur Stelle und sah ein Wiesel lustig dahinhuschen. Es hatte seinem fürchterlichen Feinde geschickt die Schlagader zerbissen und sich so gerettet. Aehnliche Beobachtungen hat man bei Krähen gemacht, welche so kühn waren, das unscheinbare Thier anzugreifen und sich arg verrechneten, indem sie ihr Leben lassen mußten, anstatt einen guten Schmaus zu halten.

Ein lehrreiches Beispiel von einem ungleichen Zweikampfe, den unser kleiner Räuber bestand, theilt Lenz mit: »Zu einem alten Wiesel, welches mit anderen Thieren schon ganz gesättigt war, [82] setzte ich einen Hamster, welcher es an Körpermasse wohl dreimal übertraf. Kaum hatte es den bösen Feind bemerkt, vor dem es wie ein Zwerg vor einem Riesen stand, so rückte es im Sturmschritte vor, quiekte laut auf und sprang unaufhörlich nach dem Gesichte und Halse seines Gegners. Der Hamster richtete sich empor und wehrte mit den Zähnen den Wagehals ab. Plötzlich aber fuhr das Wiesel zu, biß sich in seine Schnauze ein, und beide wälzten sich nun, das Wiesel laut quiekend, auf dem mit Blute sich röthenden Schlachtfelde. Die Streiter fochten mit allen Füßen; bald war das leicht gebaute Wiesel, bald der schwere, plumpe Hamster obenauf. Nach zwei Minuten ließ das Wiesel los, und der Hamster putzte, die Zähne fletschend, seine verwundete Nase. Aber zum Putzen war wenig Zeit; denn schon war der kleine, kühne Feind wieder da, und wupp! saß er wieder an der Schnauze und hatte sich fest eingebissen. Jetzt rangen sie eine Viertelstunde lang unter lautem Quieken und Fauchen, ohne daß ich bei der Schnelligkeit der Bewegungen recht sehen konnte, wer siegte, wer unterlag. Zuweilen hörte ich zerbissene Knochen knirschen. Die Heftigkeit, womit sich das Wiesel wehrte, die zunehmende Mattigkeit des Hamsters schien zu beweisen, daß jenes im Vortheile war. Endlich ließ das Wiesel los, hinkte in eine Ecke und kauerte sich nieder; das eine Vorderbein war gelähmt, die Brust, welche es fortwährend leckte, blutig.


Wiesel und Hermelin im Winterkleide 1/3 natürl. Größe.
Wiesel und Hermelin im Winterkleide 1/3 natürl. Größe.

Der Hamster nahm von der anderen Ecke Besitz, putzte seine angeschwollene Schnauze und röchelte. Einer seiner Zähne hing aus der Schnauze hervor und fiel endlich gänzlich ab; die Schlacht war entschieden. Beide Theile waren zu neuen Anstrengungen nicht mehr fähig. Nach vier Stunden war das tapfere Wiesel todt. Ich untersuchte es genau und fand durchaus keine Verletzung, ausgenommen, daß die ganze Brust von den Krallen des Hamsters arg zerkratzt war. Der Hamster überlebte seinen Feind noch um vier Stunden. Die Schnauze desselben war zermalmt, ein Zahn ausgefallen, zwei andere wackelig, und nur der vierte saß fest. Uebrigens sah ich nirgends eine Verletzung, da ihn das Wiesel immer fest an der Schnauze gehalten hatte«.

Es versteht sich von selbst, daß ein so muthvolles und kühnes Geschöpf ein wahrhaft furchtbarer Räuber sein muß, und ein solcher ist das Wiesel in der That. Es hat allen kleinen Säugethieren den Krieg erklärt und richtet unter ihnen oft entsetzliche Verwüstungen an. Unter den Säugethieren fallen ihm die Haus-, Wald- und Feldmäuse, Wasser- und Hausratten, Maulwürfe, junge Hamster, Hasen und Kaninchen zur Beute; aus der Klasse der Vögel raubt es junge Hühner und [83] Tauben, Lerchen und andere auf der Erde wohnende Vögel, selbst solche, welche auf Bäumen schlafen, plündert auch deren Nester, wenn es dieselben auffindet. Unter den Kriechthieren stellt es den Eidechsen, Blindschleichen und Ringelnattern nach, wagt sich selbst an die gefährliche Kreuzotter, obgleich es deren wiederholten Bissen erliegen muß. Außerdem frißt es auch Frösche und Fische, genießt überhaupt jede Art von Fleisch, selbst das der eigenen Art. Kerbthiere der verschiedensten Ordnungen sind ihm ein Leckerbissen, und wenn es Krebse erlangen kann, weiß es deren harte Kruste geschickt zu zerbrechen. Seine geringe Größe und unglaubliche Gewandtheit kommen ihm bei seinen Jagden trefflich zu statten. Man kann wohl sagen, daß eigentlich kein kleines Thier vor ihm sicher ist. Den Maulwurf sucht es in seinem unterirdischen Palaste auf, Ratten und Mäusen kriecht es in die Löcher nach, Fischen folgt es ins Wasser, Vögeln auf die Bäume. Es läuft außerordentlich gewandt, klettert recht leidlich, schwimmt sehr gut und weiß durch blitzschnelle Wendungen und rasche Bewegungen, im Nothfalle auch durch ziemlich weite Sprünge seiner Beute auf den Leib zu kommen oder seinen Feinden zu entgehen. In der Fähigkeit, die engsten Spalten und Löcher zu durchkriechen und somit überall sich einzuschleichen, liegt seine Hauptstärke, und Muth, Mordlust und Blutdurst thun dann vollends noch das ihrige, um das kleine Thier zu einem ausgezeichneten Räuber zu machen. Man will sogar beobachtet haben, daß es gemeinschaftlich jagt, hat auch keinen Grund, dies zu bezweifeln, weil es gesellig lebt und an manchen Orten in großer Anzahl sich sammelt. Kleine Thiere packt es im Genicke oder beim Kopfe, große sucht es am Halse zu fassen und womöglich durch Zerbeißen der Halsschlagader zu tödten. In die Eier macht es ge schickt an einem Ende eines oder mehrere Löcher und saugt dann die Flüssigkeit aus, ohne daß ein Tropfen verloren geht. Größere Eier soll es zwischen Kinn und Brust klemmen, wenn es sie fortschaffen muß; kleinere trägt es im Maule weg. Bei größeren Thieren begnügt es sich mit dem Blute, welches es trinkt, ohne das Fleisch zu berühren, kleinere frißt es ganz auf; die, welche es einmal gepackt hat, läßt es nicht wieder fahren. Und dabei gilt es ihm gleich, ob seine Räuberthaten bemerkt werden oder nicht. In einer Kirche bei Oxford sah man während des Gottesdienstes plötzlich ein Wiesel aus einer kleinen Oeffnung, welche nach dem Kirchhofe führte, hervorkommen, sich neugierig umschauen, plötzlich wieder verschwinden und nach wenigen Minuten von neuem erscheinen mit einem Frosche im Maule, den es angesichts der ganzen Gemeinde gemächlich verzehrte. In unmittelbarer Nähe von bewohnten Gebäuden jagt es fast ohne alle Scheu.

Die Paarungszeit fällt in den März. Im Mai oder Juni, also nach fünfwöchentlicher Tragzeit, bekommt das Weibchen fünf bis sieben, manchmal aber bloß drei, zuweilen auch acht blinde Junge, welche es meist in einem hohlen Baume oder in einem seiner Löcher zur Welt bringt, immer aber an einem versteckten Orte auf ein aus Stroh, Heu, Laub und dergleichen bereitetes, nestartiges Lager bettet. Es liebt sie außerordentlich, säugt sie lange und ernährt sie dann noch mehrere Monate mit Haus-, Wald- und Feldmäusen, welche es ihnen lebendig bringt. Wenn sie beunruhigt werden, trägt es sie im Maule an einen anderen Ort. Bei Gefahr vertheidigt die treue Mutter ihre Kinder mit grenzenlosem Muthe. Sowie die allerliebsten Thierchen erwachsen sind, spielen sie oft bei Tage mit der Alten, und es sieht ebenso wunderlich als hübsch aus, wenn die Gesellschaft im hellsten Sonnenscheine auf Wiesen sich umhertreibt, zumal auf solchen, welche an unterirdischen Gängen, namentlich an Maulwurfslöchern, reich sind. Lustig geht es beim Spielen zu. Aus diesem und jenem Loche guckt ein Köpfchen hervor; neugierig sehen sich die kleinen, hellen Augen nach allen Seiten um. Es scheint alles ruhig und sicher zu sein, und eines nach dem anderen verläßt die Erde und treibt sich im grünen Grase umher. Die Geschwister necken, beißen und jagen sich und entfalten dabei alle Gewandtheit, welche ihrem Geschlechte eigentümlich ist. Wenn der versteckte Beobachter ein Geräusch macht, vielleicht ein wenig hustet oder in die Hand schlägt, stürzt Alt und Jung voll Schrecken in die Löcher zurück, und nach weniger als einer Zehntelminute scheint alles verschwunden zu sein. Doch nein! Hier schaut bereits wieder ein Köpfchen aus dem Loche hervor, dort ein zweites, da ein drittes: jetzt sind sie sämmtlich da, prüfen von neuem, vergewissern sich der [84] Sicherheit, und bald ist die ganze Gesellschaft vorhanden. Wenn man nunmehr das Erschrecken fortsetzt, bemerkt man gar bald, daß es wenig helfen will; denn die kleinen, muthigen Thierchen werden immer dreister, immer frecher und treiben sich zuletzt ganz unbekümmert vor den Augen des Beobachters umher.

Junge Wiesel, welche noch bei der Mutter sind, haben das rechte Alter, um gezähmt zu werden. Die Ansicht, welche sich unter den Naturforschern von Buffon her fortgeerbt hat, daß unser Thierchen unzähmbar sei, hat mit Recht Widerlegung gefunden; gänzlich unbegründet aber ist sie nicht. Gefangene Wiesel gehören zu den großen Seltenheiten, nicht weil man sie schwer erlangt, sondern weil sie nur in wenigen Ausnahmefällen den Verlust ihrer Freiheit ertragen. Ich meinestheils habe mir die größte Mühe gegeben, ein Wiesel längere Zeit am Leben zu erhalten, ihm die ihm zusagendsten Aufenthaltsorte und die passendste Nahrung geboten, es in keiner Weise an umsichtiger Pflege fehlen lassen, und bin doch nicht zum Ziele gelangt. Ein oder zwei Tage, manchmal auch wochenlang geht es ganz gut; plötzlich aber liegt das Thierchen zuckend und sich windend auf dem Boden, und bald darauf ist es verendet. In seiner außerordentlichen Reizbarkeit dürfte meiner Meinung nach die hauptsächlichste Ursache dieser Hinfälligkeit gefunden werden: das Wiesel ärgert sich, falls man so sagen darf, zu Tode. Anders verhält es sich, wenn man junge, womöglich noch blinde Wiesel aufzieht, beziehentlich sie durch eine sanfte Katzenmutter aufsäugen läßt; sie, welche von Kindheit an an den Menschen sich gewöhnen, werden ungemein zahm und dann zu wirklich allerliebsten Geschöpfen. Unter den verschiedenen Geschichten, welche von solchen Wieseln berichten, scheint mir eine von Frauenhand niedergeschriebene, welche Wood in seiner »Natural History« mittheilt, die anmuthigste zu sein, und deshalb will ich sie im Auszuge wiedergeben.

»Wenn ich etwas Milch in meine Hand gieße«, sagt die Dame, »trinkt mein zahmes Wiesel davon eine gute Menge; schwerlich aber nimmt es einen Tropfen der von ihm so geliebten Flüssigkeit, wenn ich ihm nicht die Ehre anthue, ihm meine Hand zum Trinkgefäße zu bieten. Sobald es sich gesättigt hat, geht es schlafen. Mein Zimmer ist sein gewöhnlicher Aufenthaltsort, und ich habe ein Mittel gefunden, seinen unangenehmen Geruch durch wohlriechende Stoffe vollständig aufzuheben. Bei Tage schläft es in einem Polster, zu dessen Innern es Eingang gefunden hat; während der Nacht wird es in einer Blechbüchse in einem Käfig verwahrt, geht aber stets ungern in dieses Gefängnis und verläßt es mit Vergnügen. Wenn man ihm seine Freiheit gibt, ehe ich wach werde, kommt es in mein Bett und kriecht nach tausend lustigen Streichen unter die Decke, um in meiner Hand oder an meinem Busen zu ruhen. Bin ich aber bereits munter geworden, wenn es erscheint, so widmet es mir wohl eine halbe Stunde und liebkost mich auf die verschiedenste Weise. Es spielt mit meinen Fingern, wie ein kleiner Hund, springt mir auf den Kopf und den Nacken oder klettert um meinen Arm oder um meinen Leib mit einer Leichtigkeit und Zierlichkeit, welche ich bei keinem anderen Thiere gefunden habe. Halte ich ihm in einer Entfernung von einem Meter meine Hand vor, so springt es in sie hinein, ohne jemals zu fallen. Es bekundet große Geschicklichkeit und List, um irgend einen seiner Zwecke zu erreichen, und scheint oft das Verbotene aus einer gewissen Lust am Ungehorsam zu thun.

Bei seinen Bewegungen zeigt es sich stets achtsam auf alles, was vorgeht. Es schaut jede hohle Ritze an und dreht sich nach jedem Gegenstande hin, welchen es bemerkt, um ihn zu untersuchen. Sieht es sich in seinen lustigen Sprüngen beobachtet, so läßt es augenblicklich nach und zieht es gewöhnlich vor, sich schlafen zu legen. Sobald es aber munter geworden ist, bethätigt es sofort seine Lebendigkeit wieder und beginnt seine heiteren Spiele sogleich von neuem. Ich habe es nie schlecht gelaunt gesehen, außer wenn man es eingesperrt oder zu sehr geplagt hatte. In solchen Fällen suchte es dann sein Mißvergnügen durch kurzes Gemurmel auszudrücken, gänzlich verschieden von dem, welches es ausstößt, wenn es sich wohl befindet.

Das kleine Thier unterscheidet meine Stimme unter zwanzig anderen, sucht mich bald heraus und springt über Jeden hinweg, um zu mir zu kommen. Es spielt mit mir auf das liebenswürdigste [85] und liebkost mich in einer Weise, welche man sich nicht vorstellen kann. Mit seinen zwei kleinen Pfötchen streicht es mich oft am Kinne und sieht mich dabei mit einer Miene an, welche sein großes Vergnügen auf das beste ausdrückt. Aus dieser seiner Liebe und tausend anderen Bevorzugungen meiner Person ersehe ich, daß seine Zuneigung zu mir eine wahre und nicht eingebildete ist. Wenn es bemerkt, daß ich mich ankleide, um auszugehen, will es mich gar nicht verlassen, und niemals kann ich mich so ohne Umstände von ihm befreien. Listig, wie es ist, verkriecht es sich gewöhnlich in ein Zimmer an der Ausgangsthüre, und sobald ich vorbeigehe, springt es plötzlich auf mich und versucht alles mögliche, um bei mir zu bleiben.

In seiner Lebendigkeit, Gewandtheit, in der Stimme und in der Art seines Gemurmels ähnelt es am meisten dem Eichhörnchen. Während des Sommers rennt es die ganze Nacht hindurch im Hause umher; seit Beginn der kälteren Zeit aber habe ich dies nicht mehr beobachtet. Es scheint jetzt die Wärme sehr zu vermissen, und oft, wenn die Sonne scheint und es auf meinem Bette spielt, dreht es sich um, setzt sich in den Sonnenschein und murmelt dort ein Weilchen.

Wasser trinkt es bloß, wenn es Milch entbehren muß, und auch dann immer mit großer Vorsicht. Es scheint just, als wolle es sich nur ein wenig abkühlen und sei fast erschreckt über die Flüssigkeit; Milch hingegen trinkt es mit Entzücken, jedoch immer bloß tropfenweise, und ich darf stets nur ein wenig von der so beliebten Flüssigkeit in meine Hand gießen. Wahrscheinlich trinkt es im Freien den Thau in derselben Weise wie bei mir die Milch. Als es einmal im Sommer geregnet hatte, reichte ich ihm etwas Regenwasser in einer Tasse und lud es ein, hin zu gehen, um sich zu baden, erreichte aber meinen Zweck nicht. Hierauf befeuchtete ich ein Stückchen Leinenzeug in diesem Wasser und legte es ihm vor, darauf rollte es sich mit außerordentlichem Vergnügen hin und her.

Eine Eigenthümlichkeit meines reizenden Pfleglings ist seine Neugier. Es ist geradezu unmöglich, eine Kiste, eine Kästchen oder eine Büchse zu öffnen, ja bloß ein Papier anzusehen, ohne daß auch mein Wiesel den Gegenstand beschaut. Wenn ich es wohin locken will, brauche ich bloß ein Papier oder ein Buch zu nehmen und aufmerksam auf dasselbe zu sehen, dann erscheint es plötzlich bei mir, rennt auf meiner Hand hin und schaut mit größter Aufmerksamkeit auf den Gegenstand, welchen ich betrachte.

Ich muß schließlich bemerken, daß das Thier mit einer jungen Katze und einem Hunde, welche beide schon ziemlich groß sind, gern spielt. Es klettert auf ihren Nacken und Rücken herum und steigt an den Füßen und dem Schwanze empor, ohne ihnen jedoch auch nur das leiseste Ungemach zuzufügen.«

Der Herausgeber der artigen Geschichte bemerkt nun noch, daß das Thierchen hauptsächlich mit kleinen Stückchen Fleisch gefüttert wurde, welche es ebenfalls am liebsten aus der Hand seiner Herrin annahm.

Dies ist nicht das einzige Beispiel von der vollständig gelungenen Zähmung des Wiesels. Ein Engländer hatte ein jung aus dem Neste genommenes so an sich gewöhnt, daß es ihm überall folgte, wohin er auch ging, und andere Thierfreunde haben die niedlichen Geschöpfe dahin gebracht, daß sie nach Belieben nicht nur im Hause herumlaufen, sondern auch aus-und eingehen dursten.

Bei guter Behandlung kann man das Wiesel vier bis sechs Jahre am Leben erhalten; in der Freiheit dürfte es ein Alter von acht bis zehn Jahren erreichen. Leider werden die kleinen, nützlichen Geschöpfe von unwissenden Menschen vielfach verfolgt und aus reinem Uebermuthe getödtet. In Fallen, welche man mit Eiern, kleinen Vögeln oder Mäusen ködert, fängt sich das Wiesel sehr leicht. Oft findet man es auch in Rattenfallen, in welche es zufällig gerathen ist. Wegen des großen Nutzens, den es stiftet, sollte man das ausgezeichnete Thier kräftig schützen, anstatt es zu verfolgen. Man kann dreist behaupten, daß zur Mäusejagd kein anderes Thier so vortrefflich ausgerüstet ist wie das Wiesel. Der Schaden, welchen es anrichtet, wenn es zufällig in einen schlechtverschlossenen Hühnerstall oder Taubenschlag geräth, kommt diesem Nutzen gegenüber gar nicht in Betracht. Doch ist gegen Vorurtheile aller Art leider nur schwer anzukämpfen, und die [86] Dummheit gefällt sich eben gerade darin, Vernunftgründe nicht zu beachten. Nicht genug, daß man die Thätigkeit des Thieres vollkommen verkennt, schmückt man auch seine Geschichte noch mit mancherlei Fabeln aus. Unter vielen ist noch hier und da die Meinung verbreitet, daß das Wiesel seine Jungen aus dem Munde gebäre, jedenfalls deshalb, weil man die Mutter oft ihre Jungen von einem Orte zum anderen tragen sieht und dabei zufällig nicht an die Hauskatze denkt, welche doch genau dasselbe thut. Außerdem glaubt man, daß alle Thiere, welche mit ihm in Berührung kommen oder von ihm gebissen werden, an den betreffenden Stellen bösartige Geschwülste bekommen und fürchtet namentlich für Kühe, welche den Bissen des vollkommen harmlosen Geschöpfes mehr als alle anderen Hausthiere ausgesetzt sein sollen. In den Augen abergläubischer Leute ist, laut Wuttke, das Wiesel ein äußerst gefährliches Thier. Wenn Jemand von ihm angefaucht wird, so schwillt das Gesicht auf, oder man wird blind oder muß sterben, ja schon das bloße Ansehen des Thierchens macht blind oder krank. Man darf das Wiesel nicht beim Namen nennen, sonst verfolgt es den Menschen und bläst ihn an, deshalb muß man zu ihm sagen: »Schönes Dingel behüt' dich Gott«. Es bläst auch das Vieh an, wodurch dieses krank wird und Blut statt Milch gibt. Ein langsam zu Tode gemartertes Wiesel heilt Beulen, das ihm abgezapfte, noch warm getrunkene Blut die Fallsucht, das einem lebendigen Wiesel ausgerissene und sofort gegessene Herz verleiht die Kraft der Wahrsagung. Von sonstiger Quacksalberei, wie solche der alte Geßner erzählt, will ich schweigen; nach den Proben, welche ich weiter oben gegeben, genügt es zu sagen, daß so ziemlich jeder Theil des Leibes im Arzneischatze früherer Zeiten seine Rolle spielte. Dagegen glauben die Landleute in anderen Gegenden, daß die Anwesenheit eines Wiesels im Hofe dem Hause und der Wirtschaft Glück bringe, und diese Leute haben, in Anbetracht der guten Dienste, welche der kleine Räuber leistet, jedenfalls die Wahrheit besser erkannt, als jene, welche mit Inbrunst an albernen Weibermärchen hängen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 80-87.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon