Halsbandsperling (Passer hispaniolensis)

[317] Von einzelnen wird der Halsbandsperling, Weiden- oder Sumpfsperling (Passer hispaniolensis, salicarius und salicicola, Fringilla hispaniolensis, Pyrgita hispaniolensis, hispanica, salicaria, arcuata, aegyptiaca und orientalis, Bild S. 315), als ständige Abart unseres Haussperlings betrachtet; er aber unterscheidet sich nicht allein durch die Färbung, sondern auch durch die Lebensweise so erheblich, daß an seiner Artselbständigkeit nicht gezweifelt werden [317] darf. Seine Länge beträgt einhundertundsechzig, die Breite zweihundertundfunfzig, die Fittiglänge fünfundsiebzig, die Schwanzlänge sechzig Millimeter. Die Oberseite des Kopfes, Schläfe und Nacken sind kastanienrothbraun, die Zügel und eine schmale Linie unter den Augen, Mantel und Schultern schwarz, letztere mit breiten, aber meist verdeckten rostgilblichen Außenrändern der Federn gezeichnet, die Bürzelfedern schwarz, fahl umrandet, eine schmale Linie vom Nasenloche bis zur Augenbraue, Backen, Ohrgegend und obere Halsseiten weiß, Kinn, Kehle und Kropf bis auf die unteren Halsseiten schwarz, die Federn hier durch schmale grauliche Endsäume geziert, »einem aufgelösten, in schwarze Perlen zerfließenden Halsbande vergleichbar«, die übrigen Untertheile und die unteren Flügeldecken gelblich fahlweiß, seitlich mit breiten schwarzen Schaftstrichen gezeichnet, die Schwingen dunkelbraun, außen schmal, die Armschwingen breiter rostfahlbraun gesäumt, die Oberflügeldecken lebhaft rothbraun, die größten an der Wurzel schwarz, übrigens weiß, wodurch eine leuchtende Querbinde entsteht, die Schwanzfedern dunkelbraun, außen schmal fahl gesäumt. Der Augenring ist erdbraun, der Schnabel hornschwarz, im Winterlicht hornfarben, der Fuß bräunlich. Das Weibchen ähnelt dem des Haussperlings, ist aber bedeutend heller, unterseits gilblichweiß, zeigt auf der Kehle einen verwaschenen, schwärzlichgrauen Fleck und auf Brust und Seiten undeutliche, schmale dunkle Längsstriche.

Der Halsbandsperling findet sich, so viel bis jetzt bekannt, in Spanien, Griechenland, im Norden Afrikas und auf den nordwestlichen Inseln des Erdtheils sowie auch in gewissen Theilen Asiens, jedoch vorzugsweise, in Spanien und Egypten nur, in Gegenden, welche reich an Wasser sind. Er ist kein Haussperling, sondern ein echter Feldsperling, welcher bloß zufällig in der Nähe menschlicher Wohnungen vorkommt. Diese meidet er zwar nicht, sucht sie aber niemals auf, wie der Haussperling es immer zu thun pflegt. Gerade in Spanien und Egypten, wo der zuletzt genannte Vogel ebenso häufig vorkommt wie bei uns zu Lande, hat man Gelegenheit, das durchaus verschiedene Betragen beider Arten vergleichend zu beobachten. Der Hausspatz ist auch dort treuer Genosse des Menschen; der Sumpfsperling bekümmert sich nicht um ihn und sein Treiben. Flußthäler, Kanäle und sumpfige Feldstrecken, wie der Reisbau sie verlangt, sagen ihm besonders zu, und hier tritt er in außerordentlich starken Banden auf. In Spanien fand ich ihn im Thale des Tajo sehr zahlreich, aber immer nur in unmittelbarer Nähe des Flusses; in Egypten sah ich ihn im Delta und in der Niederung bei Fajum häufiger als irgend einen anderen Vogel. Dasselbe beobachteten Savi, Bolle, Hansmann, Graf von der Mühle und Alexander von Homeyer in Sardinien, auf den Kanaren, in Griechenland und in den Atlasländern. Doch wissen wir, daß der Halsbandsperling durch die Dattelpalme sich bewegen läßt, der wasserreichen Niederung untreu und förmlich zum Hausvogel zu werden. »Palmenkronen«, sagt Bolle, »allen übrigen als Wohn- und Niststätte vorziehend, haben eben diese Bäume, welche der Landmann um seine Wohnung zu pflanzen liebt, ihn zuerst mit der Nachbarschaft des Herrn der Schöpfung vertraut gemacht.« Für Egypten kann ich diese Angabe durchaus bestätigen. Dort findet sich der Sumpfsperling allerdings ebenfalls auf den Palmen in und um die Dörfer, während er diejenigen Ortschaften, welche keine Palmen haben, entschieden meidet. Aber ich muß hierbei bemerken, daß für Egypten Palmen allein dem Sumpfsperling nicht zu genügen scheinen; denn in Oberegypten und Nubien, wo die Dattelpalme ausgedehnte Wälder bildet, fehlt der Vogel gänzlich. »Auf den Kanarischen Inseln«, fährt Bolle fort, »hebt kaum irgendwo eine Palme ihr Haupt zum Himmel empor, ohne daß einige Sperlingspaare sich in den Zwischenräumen der unteren Blattstiele angebaut hätten, und man nicht von weitem schon ihr lärmendes Geschrei vernähme. Wo Palmenhaine sind, wohnen diese Vögel scharenweise in unglaublicher Menge. Da es schwer hält und ziemlich viel Geduld und Geschicklichkeit erfordert, die hohen, mastengleich aufstrebenden Stämme zu besteigen, so bringen sie ihre Bruten meist in Sicherheit auf: daher ihre bedeutende Vermehrung. Die nistenden Paare sehen furchtlos den Thurmfalken sich dicht neben ihnen auf den Blattstielen der Wedel niederlassen; ihr Zirpen und Zwitschern mischt sich in das schrille Rasseln des Windes, der die lederartigen, [318] steifen Wedel an einander schlägt. Hin und wieder an von feuchteren Luftströmungen getroffenen Stellen, nicht selten z.B. in der Vega von Canaria, pflanzt die Natur um ihre Brutstätten einen schwebenden Garten, reizender und eigenthümlicher, als ihn Semiramis je besessen. Die Winde füllen nämlich einzelne Stellen zwischen den Wedeln allmählich mit Staub und Erde an, der Regen sickert hindurch, und bald blüht und grünt es dort oben, in schwindelnder Höhe, von rosenrothen Cinerarien, fein zerschlitzten Farnen mit goldbraunem Rhizome, baumartigen Semperviven und anderem mehr. Diese Fälle sind jedoch nicht häufig und wiederholen sich nur an besonders günstig gelegenen Oertlichkeiten. Bei weitem die Mehrzahl behilft sich auf einfachere Weise: ja, ich habe sie in zwei Fällen sich dazu entschließen sehen, ihrem Lieblingsbaume untreu zu werden, und zwar beide Male um schnöden Gewinnes oder, schonender zu reden, des lieben Brodes willen. Die große und reich bebaute Hacienda Maspamolas, im äußersten Süden Canarias gelegen, hat keine Palmen, wohl aber ausgedehnte Kornfelder und gewaltige Tennen, auf denen der Weizenertrag reicher Ernten von Ochsen, Pferden und Maulthieren mit den Füßen ausgetreten wird. Dergleichen Tennen sind ein Sammelplatz vieler körnerfressenden Vögel, welche sich massenhaft daselbst einfinden, um in dem zertretenen Strohe nach übriggebliebenem Getreide zu suchen. Der Ueberfluß an Nahrung hat nun auch die Sperlinge hierher eingeladen, und sie brüten jetzt gesellschaftlich, wie die unserigen das in dichtverzweigten Bäumen oft genug zu thun pflegen, in den Orangenkronen des Gartens oder auch hin und wieder in einzelnen Mauerlöchern, welche gar nicht einmal sehr hoch zu sein brauchen.« An einer anderen Stelle sah Bolle Halsbandsperlinge, welche sich zu hunderten unter dem Dache einer Kirche angesiedelt hatten.

Es ist nicht eben leicht, im übrigen das Betragen des Sumpfsperlings zu schildern: denn er ähnelt dem Haussperlinge in seinem Leben und Treiben sehr. Doch muß ich Homeyer beistimmen, wenn er sagt, daß der Flug unserer Vögel schneller ist als der unseres Spatzes, und namentlich, daß sich der Sumpfsperling im Fluge dicht geschlossen hält, was kein anderer Sperling thut. In Egypten bildet er, wenn er von den Reisfeldern aufschwirrt, förmliche Wolken. Die einzelnen Vögel fliegen so dicht neben einander, daß man mit einem einzigen Schusse Massen herabdonnern kann. Ich selbst erbeutete aus einem auffliegenden Schwarme mit einem Doppelschusse sechsundfunfzig Stück und verwundete vielleicht noch ein paar Dutzend mehr. Auch die Stimme unterscheidet den Halsbandsperling von seinem hausliebenden Verwandten; ich fühle mich aber außer Stande, diesen Unterschied mit Worten auszudrücken. Homeyer, welcher hierfür entschieden ein feineres Ohr besitzt als ich, gibt an, daß sie stärker, reiner und wohl auch mannigfaltiger sei als das bekannte Geschelte des Haussperlings, daß ihr aber auch wieder einzelne, dem letzteren eigenthümliche Laute fehlen. »Eine große Verschiedenheit derselben«, sagt er, »ist aus bekannten Gründen bei allen Sperlingen überhaupt nicht zu erwarten; doch glaube ich, der Stimme nach unseren Vogel sicherer vom Hausspatze unterscheiden zu können als manche andere nahe stehenden Finken, so z.B. die hiesigen Kreuzschnäbel, welche dennoch als unbestrittene Arten betrachtet werden. Ich kann insofern genau über diesen Unterschied urtheilen, als ich zwei Halsbandsperlinge aus Algerien, einen Haus- und einen Feldsperling zusammen im Käfige halte.« In geistiger Hinsicht dürfte der Halsbandsperling seinem Vetter wohl ziemlich gleichkommen. Mir ist aufgefallen, daß der erstere immer scheuer und ängstlicher war als der Hausspatz, wahrscheinlich bloß aus dem Grunde, weil dieser sich inniger mit dem Menschen vertraut gemacht hat.

Auf den Kanarischen Inseln und in Egypten beginnt die Brutzeit des Halsbandsperlings im Februar, spätestens zu Anfang des März. Im Delta waren in den angegebenen Monaten alle Palmenkronen mit vielen Dutzenden dicht nebeneinanderstehenden Nestern bedeckt und ebenso alle Höhlungen in den Stämmen dieser Bäume von nistenden Halsbandsperlingen bevölkert. Wie seine Verwandten benutzt auch er den Unterbau eines großen Raubvogelhorstes gern zur Niststätte. Das Nest unterscheidet sich von dem unseres Haussperlings nicht: es ist ein ebenso liederlicher und willkürlicher Bau, wie ihn der Hausspatz aufzutragen und zu schichten pflegt. Die Eier ähneln denen[319] unseres Feldsperlings in so hohem Grade, daß diejenigen, welche ich mitbrachte, von den tüchtigsten Kennern mit Feldsperlingseiern verwechselt werden konnten. Im Mai ist die erste Brut bereits selbständig geworden, und die Alten schreiten dann zu einer zweiten und vielleicht später noch zu einer dritten.

Der Sumpfsperling ist nirgends beliebt, und man hat auch wohl Grund zu einer ungünstigen Meinung über ihn. In den Reisfeldern Egyptens verursacht er, seiner erstaunlichen Menge wegen, erheblichen Schaden; in dem ärmeren Palästina, wo er ebenfalls ungemein häufig auftritt, hat er sich die bitterste Feindschaft zugezogen; in den Lustgärten und beschatteten Spazierwegen Canarias fordert er ernsteste Abwehr heraus. Gefangene, welche sich im wesentlichen nach Art des Haussperlings benehmen, finden wohl auch nur in besonders thierfreundlichen Menschen Liebhaber.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 317-320.
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