Kappenammer (Euspiza melanocephala)

[289] Südosteuropa von Istrien an, namentlich Dalmatien und Griechenland, viele Inseln des Adriatischen Meeres, die Levante und einen großen Theil Südwestasiens bis in die Nord- und Westprovinzen Indiens, insbesondere aber Persien, bewohnt der Kappenammer, Königsammer, Ortolankönig (Euspiza melanocephala, Emberiza melanocephala, granativora und simillima, Fringilla crocea, Xanthornus caucasicus, Passerina und Granativora melanocephala; Bild S. 286), durch den kräftigen, spitzkegelförmigen, fast gleichkieferigen Schnabel mit kleinem, länglichem Höcker vor dem Gaumen, die stämmigen Füße, langen Fittige, unter deren Schwingen die erste die längste ist, und den mäßig langen, am Ende geraden Schwanz von anderen Ammern unterschieden und deshalb Vertreter einer besonderen Sippe (Euspiza), welche wir Pfeifammer nennen wollen. Seine Länge beträgt einhundertfünfundachtzig, die Breite zweihundertundneunzig, die Fittiglänge achtundneunzig, die Schwanzlänge achtzig Millimeter. Der Kopf ist schwarz, die Oberseite lebhaft zimmetrothbraun, durch schmale und verwaschene grauliche Endsäume geziert, die ganze Unterseite hochgelb; die dunkelbraunen Schwingen und Steuerfedern zeigen fahlbraune, an den hinteren Armschwingen und Deckfedern sich verbreiternde Außen-, die kleinen zimmetbraunen Deckfedern gelbgraue, die bräunlichen größten Flügeldeckfedern weiße Endsäume, welche eine Querbinde herstellen. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel hornblau, der Fuß bräunlichgelb. Dem Weibchen fehlt die schwarze Kappe; die Oberseite ist graulich rostroth, die Kehle weiß, die übrige Unterseite weißlich rostfarben.

Zu Ende des April trifft der Kappenammer, aus seiner Winterherberge kommend, in Griechenland, kaum später auch in Istrien ein. An einem schönen Frühlingsmorgen sind in Griechenland oft alle Hecken am Meeresufer, welche man Tages vorher vergeblich nach ihm absuchte, förmlich bedeckt mit dem in voriger Nacht angekommenen Könige der Ortolane. Dieser begibt sich nunmehr sofort [289] nach seinen Brutstätten, Weinbergen der Ebene oder noch unbebaueten, mit Salbei und Christusdorn bestandenen Hügeln, baut sein Nest, brütet, erzieht die Jungen und verläßt die Heimat zu Ende des Juli oder im August wieder, um seiner Winterherberge zuzuwandern. Sein Zug richtet sich jedoch nicht nach Südwesten, sondern nach Südosten. Von Persien, dem Brennpunkte seines Verbreitungsgebietes, mag er ausgegangen sein und Kleinasien und die Balkanhalbinsel erst später aufgefunden haben; durch Persien, woselbst er noch immer und bis zu fast dreitausend Meter unbedingter Höhe allüberall häufig ist, wandert er der Herberge zu. Wenige Wochen nach seinem Abgange aus Europa erscheint er in Dekhan und in den oberen Provinzen von Hindostan, schlägt sich in ungeheuere Flüge zusammen, richtet arge Verwüstungen in den Getreidefeldern an und verläßt das Land im März erst wieder.

Hinsichtlich seines Betragens unterscheidet er sich von anderen Ammern unwesentlich; doch behauptet Graf von der Mühle, daß er sehr dumm und wenig scheu sei, und man oft in Versuchung käme, das singende Männchen mit dem Stocke zu erschlagen. Um die Fortpflanzungszeit setzt sich das Männchen frei auf die Spitze eines Strauches oder Baumes und läßt beständig seinen einfachen flötenden Gesang vernehmen, wogegen das Weibchen soviel wie möglich sich verbirgt. Das Nest steht am Boden in oder an stacheligem Gestrüppe, gewöhnlich sehr versteckt, ist nachlässig gebaut, aus dürren Pflanzenstengeln und Blättern sperrig zusammengefügt, im Inneren mit feinen Würzelchen, Hälmchen, Blattfasern und Pferdehaaren ausgelegt und enthält in der ersten Hälfte des Mai fünf bis sieben Eier, welche vierundzwanzig Millimeter lang, achtzehn Millimeter dick, auf bleich bläulichgrünem Grunde mit deutlicheren oder verwaschenen aschgrauen, grünlichen oder röthlichgrauen Flecken gezeichnet sind. In Persien sammeln sich nach der Brutzeit tausende und andere tausende von Kappenammern, streichen, gefürchtet ärger noch als die Heuschrecken, von Ort zu Ort und beginnen, lange vor ihrem Wegzuge schon, die Felder zu plündern.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 289-290.
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