Fahnennachtschwalbe (Macrodipteryx longipennis)

[368] Eben daher stammt auch der merkwürdigste aller Ziegenmelker, die Fahnennachtschwalbe oder »Vierflügelvogel« der Araber (Macrodipteryx longipennis, africanus und condylopterus, Caprimulgus longipennis, macrodipteryx und africanus), Vertreter einer besonderen Sippe, welche hinsichtlich der Bildung des Schnabels und der Füße von den übrigen Arten der [368] Familie wenig, durch Flügel und Schwanz hingegen wesentlich von allen übrigen abweicht. Der Schwanz ist durch seine Kürze, der Flügel des Männchens durch eine auffallende Schmuckfeder ausgezeichnet. Diese entspringt zwischen den Hand- und Armschwingen, wächst siebenundvierzig Centimeter lang hervor, ist an der Wurzel ohne jegliche Fahne und setzt am Ende eine sechzehn Centimeter lange, verhältnismäßig sehr breite Fahne und zwar auf beiden Seiten des Schaftes an. Dem Weibchen fehlt diese Feder gänzlich. Das Gefieder ist ziemlich düster: oberseits schwarzbraun, fein graubraun, auf dem Oberkopfe rostbraun gepunktet, auf den Schulter- und den oberen Deckfedern durch größere rostfarbene, dort schärfere, hier mehr verwaschene Flecke getüpfelt, auf Kinn und Oberkehle rostgelb, schwarz in die Quere gewellt, auf Kropf und Brust schwarzbraun, grau punktirt und durch rostfarbene Schaftflecke gezeichnet, auf den übrigen Untertheilen rostfarben, dunkel quer gebändert. Um den Hals läuft ein breites, dunkel rostbraunes, schwarz gewelltes Band. Die schwarzen Schwingen zeigen fünf auf der Innenfahne hellere, die breiten Endfahnen der beiden Schmuckfedern auf schwarzem Grunde sechs breite, grau gepuderte Querbinden, die beiden mittleren graubraunen, dunkler punktirten Schwanzfedern fünf schmale schwarze, die übrigen schwarzbraunen Steuerfedern fünf rostbraune, dunkel gemarmelte Fleckenquerbinden. Die Länge beträgt nur einundzwanzig, die Fittiglänge dagegen siebzehn, die Schwanzlänge zehn Centimeter. Dem Weibchen mangelt die Schmuckfeder.

Das Verbreitungsgebiet dehnt sich über ganz Mittel- und Westafrika aus.

Eine Lebensschilderung der vorstehend kurz beschriebenen Nachtschwalben kann im Grunde nichts anderes sein, als die Ausführung des weiter oben über die Familie mitgetheilten. Wie schon bemerkt, gehört die große Mehrzahl aller Nachtschwalben dem Walde, nicht aber dem dicht geschlossenen oder düsteren Urwalde an: sie erwählen sich im Gegentheile solche Waldungen, wo große Blößen mit dichter bestandenen Stellen abwechseln. Afrikas Steppenwaldungen, wo nur hier und da ein Baum oder ein Strauch steht, der übrige Boden aber mit hohem Grase bewachsen ist, müssen den Nachtschwalben als Paradies erscheinen; darauf hindeutet wenigstens das ungemein häufige Vorkommen der Vögel. Auch die südeuropäischen Waldungen, welche sehr oft an jene Steppenwälder erinnern, sagen ihnen weit mehr zu als unsere geschlossenen Bestände. Meiden sie ja doch ängstlich fast unsere Laubwälder, obwohl diese unzweifelhaft weit reicher sind an Kerbthieren als die Nadelwaldungen, in denen sie ihr Sommerleben verbringen. Sie erscheinen auf dem Zuge in Waldungen aller Art oder in Gärten, suchen aber im Norden zum Brüten nur Nadelwälder auf. Die südeuropäische Art, der Rothhalsnachtschatten, findet an den Gebirgswänden, wo Steinhalden mit spärlich bewachsenen Stellen abwechseln, vortreffliche Aufenthaltsorte, siedelt sich aber ebenso häufig in Baumpflanzungen und vorzugsweise in Olivenwäldern an. Die sandfarbigen Arten Egyptens, namentlich der Wüstennachtschatten (Camprimulgus isabellinus) halten sich in dem Gestrüppe verborgen, welches die Ufer des Nils bedeckt, da, wo die Wüste bis zum Strome herantritt, oder suchen sich in den mit Riedgrase bewachsenen Flächen passende Versteckplätze, hierdurch an den ausschließlich zwischen dem Hochgrase der Steppe lebenden Prachtziegenmelker (Camprimulgus eximius) erinnernd. Auch die amerikanischen Arten scheinen ähnlichen Oertlichkeiten den Vorzug zu geben; doch erwähnen die Reisenden, daß einzelne Arten selbst in dem eigentlichen Urwalde vorkommen, bei Tage in den dicht belaubten Kronen der Bäume sich verbergen, bei Nacht aber Waldpfade und Waldblößen aufsuchen oder dicht über den Kronen der Bäume ihre Jagd betreiben.

Man darf annehmen, daß die große Mehrzahl aller Nachtschwalben auf dem Boden ruht und nur ausnahmsweise auf Baumzweigen sich niederläßt. Nachts bäumen alle Arten viel häufiger als während des Tages, obgleich immerhin einzelne in dieser Zeit auf Baumästen zubringen. Der Grund dieser entschiedenen Bevorzugung des flachen Bodens ist unschwer zu erkennen: der Nachtschatten stellt besondere Ansprüche an den Zweig, auf welchem er sich niederlassen will; denn er [369] verlangt einen ihm in jeder Hinsicht bequemen Ruhesitz. Wie ich oben bereits bemerkt habe, setzt sich kein einziger dieser Vögel, nach anderer Art, querüber auf einen Zweig, sondern stets der Länge nach, so daß Ast und Leib in dieselbe Richtung kommen und letzterer auf ersterem ruht. Nur wenn ein Ziegenmelker aus seinem tiefsten Schlafe aufgeschreckt wird, und sich einem Baume zuwendet, setzt er sich nach anderer Vögel Weise auf Zweige nieder; ein solches Sitzen ist ihm aber so zuwider, daß er baldmöglichst einen neuen, bequemeren Platz aufsucht. Die gezähnelten Nägel der Mittelzehe und die nach innen gestellten Hinterzehen ermöglichen sicheres Festhalten in dieser Lage; aber es gehört doch schon ein ziemlich starker, auf eine Stelle hin astfreier und im gewissen Grade rauher oder gabeliger Ast dazu, um den Vögeln bequem zu erscheinen.

»Da ihnen«, erzählt Naumann, »ganz zusagende Spitzplätze nicht eben sehr häufig vorkommen mögen, so sieht man selbige in der Zugzeit fast regelmäßig wieder von anderen besetzt, wenn man die ersten auf ihnen niedergeschossen hatte. Ein Apfelbaum in meinem Garten hatte einen wagerechten Zacken, welcher, obwohl noch zu schwach für den Sitz eines solchen Vogels, sich in eine sehr enge Gabel theilte, deren ebenfalls wagerecht stehende beide Zinken nur wie ein Finger dick waren. Gleichwohl gaben sie, wenn der Vogel der Länge nach, jeden Fuß einzeln, auf die Zinken der Gabel setzte und Hinterkörper und Schwanz auf dem hinter der Spalte noch in eins verwachsenen Theile des Astes ruhen ließ, einen sehr bequemen Sitz ab, welcher so viel Beifall zu finden schien, daß ich in der Zugzeit mehrere Jahre nach einander beständig Nachtschwalben darauf antreffen konnte, ja einstmals drei Tage nach einander auch drei solcher Vögel, nämlich alle Tage einen davon herabschoß.« Nicht minder gern als solchen Ast erwählt der Nachtschatten einen größeren, oben flachen Stein zu seinem Ruhesitze und Schlafplatze. Auf solchem Steine, welcher, um allen Wünschen zu genügen, zeitweilig von der Sonne beschienen werden muß, trifft man, wenn man einmal Ziegenmelker hier bemerkte, immer wieder solche an. In Afrika und wohl in allen übrigen heißen Ländern meiden die Nachtschwalben die Sonne ebenso, als sie dieselbe hier zu Lande aufsuchen, und ziehen sich, um zu schlafen, stets bis in Stammnähe eines Baumes oder Strauches zurück. Während des Schlafes schließt der Nachtschatten die großen Augen gänzlich; sein feines Gehör scheint ihm jedoch annahende Gefahr rechtzeitig zu verrathen. Dann blinzelt er nach Eulenart zwischen den kaum geöffneten Lidern hervor, versucht sich einige Aufklärung zu schaffen und fliegt dann entweder auf und davon oder drückt sich auch wohl noch fester und platter auf den Boden nieder, indem er auf die Gleichfarbigkeit seines Gefieders mit einem alten Rindenstück oder der Erde selbst vertraut.

Naumann behauptet, daß man den Nachtschatten niemals gehen sehe, falls man nicht eine Bewegung so nennen wolle, welche er ausführt, wenn er, aufgescheucht, eben wieder aufbäumt, sich in seine gewöhnliche Stellung dreht, und dann durch ein paar schrittartige Bewegungen zurecht setzt. Dies ist nicht richtig; ich wenigstens habe sehr oft gesehen, daß die afrikanischen Ziegenmelker vom Umfange des Schattenraumes eines Busches aus der geeigneten Sitzstelle im Mittelpunkte zutrippelten und so immerhin einen oder mehrere Meter Entfernung laufend durchmaßen. Unser Nachtschatten ist mindestens ebenso befähigt wie seine afrikanischen Verwandten. »Bei meiner von großen Kiefernwäldern umschlossenen, einsam gelegenen Wohnung«, schreibt mir Vielitz, »sind Nachtschwalben recht häufig, und ich habe viele Gelegenheit gehabt, dieselben zu beobachten. An schönen Sommerabenden umgaukeln einzelne dieser Vögel das Gehöft in unmittelbarer Nähe, halten sich rüttelnd vor dem im Freien sitzenden, um ihn neugierig anzustaunen, und verschwinden geräuschlos, um im nächsten Augenblicke wieder aufzutauchen. Verhält man sich ganz unbeweglich, so setzt sich der Vogel hier und da auf eine freie kiesige Stelle, bleibt, den Leib flach auf den Boden gedrückt, unbeweglich wie ein Stück Baumrinde einen Augenblick beobachtend sitzen und beginnt, wenn er alles in Ordnung findet, nunmehr sich fortzubewegen, um von dem nackten Boden hier und da etwas aufzunehmen. Er durchtrippelt dabei gewöhnlich nur ganz kurze Strecken, funfzehn, höchstens zwanzig Centimeter ohne Unterbrechung, hält an, nimmt etwas vom Boden [370] auf, verweilt wieder einen Augenblick in ruhiger Beobachtung und geht weiter. Auf diese Weise durchwandert er kreuz und quer oft eine Viertelstunde lang die ihm, wie es scheint, sehr zusagenden Kiesstellen. Ich habe ihn oft auf dem Platze vor meiner Haustreppe, welche vier und sechs Meter mißt, beobachtet, indem ich auf der untersten Stufe Platz genommen hatte. Diesen Fleck durchwandert er wiederholt, von einer Seite bis zur anderen laufend, und nähert sich mir dabei oft so, daß ich ihn mit der Hand hätte berühren können. Wagt er, kühn eine etwas weitere Strecke im Zusammenhange zu durchlaufen, so nimmt er stets die Flügel zu Hülfe, indem er sie zierlich nach oben erhebt und sich so im Gleichgewichte erhält. Bisweilen ist er bewegungslustiger und sucht eine solche Stelle für seine Verhältnisse überraschend schnell ab. Dann benutzt er aber bei jedem Laufe die Flügel, indem er sie rasch nach oben erhebt und wieder anlegt, behält jedoch dabei die Füße immer auf dem Boden.« Der Flug ist ungemein verschieden, je nach der Tageszeit und je nach der Erregung, welche der Vogel gerade kundgibt. Bei Tage erscheint er flatternd, unsicher und in gewissem Grade unbeholfen, auch regellos; man meint, daß ein vom Wind plötzlich erhobener leichter Gegenstand durch den Luftzug weiter geführt würde, und schließlich zum Boden wieder herabstürze. Ganz anders fliegt der Ziegenmelker bei Nacht. Mit dem Verglühen des Abendrothes im Westen tritt er seine Jagdzüge an. Er ist vorher munter geworden, hat sich minutenlang im Gefieder genestelt, nach dieser und jener Seite umgeschaut und streicht nun zunächst raschen, behenden, gleitenden Fluges über wenig bewaldete Flächen oder übervollständige Blößen dahin. So lange es nur der Jagd gilt, ist der Flug abwechselnd ein leichtes, schwalbenartiges Schwimmen und Schweben, bei welchem die Flügel ungefähr ebenso hoch gehalten werden, als von einem fliegenden Weih geschieht, oder ein durch rasche Flügelschläge beschleunigtes Dahinschießen; Schwenkungen aller Art werden dabei jedoch auch ausgeführt und zwar fast mit derselben Gewandtheit, welche die Rauchschwalbe zeigt. Bei besonderen Gelegenheiten erhält sich der Ziegenmelker auch rüttelnd längere Zeit über ein und derselben Stelle: irgend etwas hat seine Aufmerksamkeit erregt und bewegt ihn, dies genau zu untersuchen. So geht es weiter, bis die vollkommen hereingebrochene Dunkelheit die Jagd beendet. Da der Vogel verhältnismäßig ungeheuere Bissen hinabwürgt, Mai- und große Mistkäfer, umfangreiche Nachtschmetterlinge z.B. dutzendweise verschluckt, ist der Magen in der allerkürzesten Zeit gefüllt und eine fernere Jagd zunächst unnütz; denn auch der Magen eines Ziegenmelkers verlangt sein Recht. Die Verdauung abwartend, sitzt der Vogel jetzt eine Zeitlang ruhig auf einem Aste; sobald aber die lebend verschluckten und nicht so leicht umzubringenden Käfer in seinem Magen getödtet sind und wieder Platz für neue Nahrung geschafft ist, tritt er einen nochmaligen Jagdzug an, und so gehts abwechselnd die ganze Nacht hindurch, falls diese nicht gar zu dunkel und stürmisch ist. Am lebhaftesten fliegen die Nachtschatten in den Früh- und Abendstunden; während der eigentlichen Mitternacht sah oder hörte ich sie nicht einmal in den milden Nächten der Gleicherländer.

Gelegentlich dieser Jagdflüge entfernt sich der Nachtschatten oft weit von seinem eigentlichen Wohnsitze. Er kommt in Thüringen aus den benachbarten Wäldern bis in das Innere der Dörfer oder fliegt hoch über diesen dahin einem anderen Walde zu, erscheint in Spanien von den umgebenden Gärten über großen Städten, wie z.B. über Madrid, schwebt in Mittelafrika von der Steppe herein in die Wohnorte des Menschen und treibt sich hier oft während der halben Nacht umher. In den Ortschaften wie im Walde besucht er während seiner nächtlichen Ausflüge mit einer gewissen Regelmäßigkeit bestimmte Plätze, ebensowohl um von ihnen aus einem vorübersummenden Kerbthiere nachzujagen, als seinen absonderlichen Liebesgesang hören zu lassen. Einer, welchen ich in meiner Heimat beobachten konnte, erschien während eines ganzen Monats allabendlich und fast zu derselben Zeit regelmäßig zuerst an einigen vom Walde, seinem Brutorte, mindestens einen Kilometer entfernten Linden, umflog deren Kronen in Schraubenlinien und schönen Schwenkungen, offenbar um dort sitzende Kerbthiere aufzutreiben, begab sich hierauf einen wie alle Abende nach einer zweiten Baumgruppe, flog von dieser aus einer dritten zu und kehrte dann nach dem Walde [371] zurück. Wenn man den Ziegenmelker beobachten will, braucht man nur einen seiner Singplätze aufzusuchen: im Laufe des Abends erscheint er hier sicherlich mehrere Male. Verhält man sich ruhig, so läßt er sich durch die Anwesenheit des Menschen nicht im geringsten beirren, sondern kommt und geht nach wie vor. Gesehen aber und viel leicht auch seinerseits aufmerksam, mindestens neugierig ins Auge gefaßt hat er den Beobachter wohl. Nicht selten geschieht es, daß seine Neugier durch besondere Umstände erregt wird: ein dahinlaufender Hund kann ihn viertelstundenlang beschäftigen. Er stürzt sich dann wiederholt nach Falkenart auf den Vierfüßler hernieder und begleitet ihn bis weit über die Grenzen seines Gebietes hinaus. Ebenso werden Menschen, welche zufällig über seinen Wohnsitz gehen, oft lange von ihm verfolgt, in engen Kreisen umschwärmt und bis zur Waldgrenze oder darüber hinaus begleitet. Um kleinere Vögel bekümmert er sich selbstverständlich nicht, weil diese bereits zur Ruhe gegangen sind, wenn er sich zeigt. Dagegen verursacht er dem Kleingeflügel anfänglich, jedoch niemals lange Bedenken und Besorgnisse. Ein Ziegenmelker, welcher sich in einem Garten Englands niederließ, setzte die dort wohnenden Singvögel so in Schrecken, daß sie den Garten verließen. Nach zwei oder drei Tagen kehrten alle zurück; denn sie hatten in dem Fremdlinge einen harmlosen Gesellen erkannt, welchen sie nicht zu fürchten brauchten.

Die Liebe äußert auch auf die stumpfsinnig erscheinenden Nachtschwalben ihre Zaubermacht. Daß zwei Männchen um die Gunst eines Weibchens in heftigen Streit gerathen können und dabei sich so tüchtig zausen, als sie es vermögen, braucht nicht hervorgehoben zu werden; wohl aber muß ich hier bemerken, daß alle Ziegenmelker während der Paarzeit besondere Flugkünste treiben. Schon unser deutscher Nachtschatten erfreut durch seine Flugspiele während der Zeit seiner Liebe. Jede Bewegung wird, so scheint es, mit gewissem Feuer ausgeführt und erscheint rascher, gehobener, stolzer. Aber nicht genug damit, der Ziegenmelker klatscht auch noch mit den Flügeln wie eine liebesbegeisterte Taube, stürzt sich plötzlich aus einer gewissen Höhe hernieder, daß man ein eigenes Rauschen vernimmt, oder umschwebt und umgleitet in den prachtvollsten Schwenkungen das ruhig sitzende Weibchen. Jede Art leistet in diesen Liebesspielen etwas besonderes; am auffallendsten aber erscheinen, wie man sich denken kann, die durch den sonderbaren Federschmuck ausgezeichneten Arten Mittelafrikas oder Südamerikas. Ich kenne keine ausführliche Beschreibung der Flugweise der Leierschwalben, kann mir aber lebhaft denken, daß die Männchen dieser Sippe einen wunderbaren Eindruck hervorrufen müssen; denn ich erinnere mich heute noch mit wahrem Vergnügen der Abende des innerafrikanischen Frühlings, welche uns in der Steppe, im Dorfe oder in der Stadt die Schleppennachtschwalben in ihrer vollen Liebesbegeisterung vor das Auge brachten. Unbesorgt wegen des lauten Treibens der Menschen, erschienen die prächtigen Vögel inmitten der Ortschaften und umflogen einzelne Bäume mit einer Anmuth, Zierlichkeit und Gewandtheit, welche uns immer zum Entzücken hinriß. Die Helligkeit der Nächte in den Wendekreisländern ließ uns jede Bewegung der Vögel deutlich wahrnehmen; wir konnten jeden Flügelschlag sehen, jedes Ausbreiten oder Zusammenlegen des wie eine Schleppe nachgetragenen Schwanzes unterscheiden, und der Vogel geberdete sich, als wolle er uns alle Künste seines köstlichen Fluges offenbaren. Auch an dem Lagerfeuer in der Steppe war die Schleppennachtschwalbe eine regelmäßige Erscheinung und Gegenstand der anziehendsten Unterhaltung; es schien, als ob sie das ungewohnte Licht besonders aufrege und sie diesem Gefühle durch wundersame Bewegungen Ausdruck geben müsse.

Den Vierflügler habe ich zu meinem Bedauern niemals selbst gesehen, wohl aber aus dem Munde aller Araber, welche ihn kannten, dieselben Ausdrücke der Verwunderung vernommen, welche ich aus allen Erzählungen meiner eingeborenen Jäger schon früher herausgehört hatte. Wie auffallend die Erscheinung des fliegenden Vierflüglers ist, mag aus folgenden Worten Russegers hervorgehen. »Hätte ich eine Haremserziehung genossen, in diesem Augenblick hätte ich an Teufelsspuk und Hexenthum geglaubt; denn was wir in der Luft sahen, war wunderbar. Es war ein Vogel, welcher sich jedoch mehr durch die Luft zu wälzen, als zu fliegen schien. Bald sah ich vier Vögel, bald drei, bald zwei, bald sah ich wieder einen Vogel, welcher aber wirklich aussah, als[372] hätte er vier Flügel; bald drehte sich das Gaukelspiel wie ein Haspel um seine Axe, und es verwirrte sich das ganze Bild. Die beiden langen Federn, wegen der Zartheit ihrer Schäfte das Spiel eines jeden Windzuges, erschweren einerseits den Flug dieses Vogels sehr, und bewirken anderseits durch ihr Flattern und Herumtreiben in der Luft während des Fluges umsomehr alle die eben erwähnten Täuschungen, als der Vierflügler nach Art seiner Familie nur im trügerischen Lichte der Dämmerung fliegt und an und für sich einen sehr ungeregelten, unsicheren Flug besitzt.« Heuglin beschreibt den Flug ausführlicher. »Mit dem Erscheinen des ersten Sternes am Abendhimmel«, sagt er, »beginnt der Vierflügler seine Wanderung und Jagd. Er streicht rasch und in gerader Linie, immer seinen bestimmten Wechsel einhaltend, über den Hochwald hin nach Lichtungen, welche er nach Heuschrecken, Käfern, Nachtschmetterlingen und Fliegen durchstreift, und zwar meist ziemlich niedrig, langsam und still. Nur bei plötzlichem Anhalten oder raschen Wendungen vernimmt man ein Geräusch, welches dem Peitschen eines seidenen Taschentuches verglichen werden kann. Sind die Bärte der langen Schmuckfedern mit Ausnahme der feinen Spitze abgerieben, so hat es den Anschein, als würde der Vogel von zwei kleineren verfolgt, welche beständig und gleichmäßig von oben herab auf ihn stoßen.« Letzterer Ausdruck ist mir gegenüber auch von den Eingeborenen gebraucht worden, welche ich hinsichtlich des Vogels befragte.

Die Stimme der Nachtschatten ist sehr verschieden. Einige Arten lassen hauptsächlich ein Schnurren vernehmen, andere geben mehr oder weniger wohllautende Töne zum besten. Wenn unser Ziegenmelker am Tage plötzlich aufgescheucht wird, hört man von ihm ein schwaches, heiseres »Dackdack«; bei Gefahr faucht er leise und schwach, nach Art der Eulen. Während der Paarungszeit vernimmt man den eigenthümlichen Liebesgesang. Derselbe besteht nur aus zwei Lauten, welche man vielleicht richtiger Geräusch nennen dürfte, werden aber mit einer bewundernswürdigen Ausdauer vorgetragen. Man kann nur annehmen, daß der Ziegenmelker sie in derselben Weise hervorbringt, wie unsere Hauskatze das bekannte Schnurren. Auf dem Wipfel oder auf einem passenden Aste eines Baumes sitzend, beginnt der Vogel mit einem weit hörbaren »Errrrr«, auf welches ein etwas tieferes »Oerrrr« oder »Orrr« erfolgt. Letzteres wird offenbar beim Einziehen, ersteres beim Ausstoßen des Athems hervorgebracht; denn jenes währt durchschnittlich nur eine, letzteres dagegen vier Sekunden. Wenn der Nachtschatten noch mit vollem Feuer singt, wechselt die Dauer eines Satzes zwischen dreißig Sekunden und fünf Minuten. Einer, welchen ich mit der Uhr in der Hand erst kürzlich beobachtete, spann vier Minuten fünfundvierzig Sekunden lang ununterbrochen, setzte fünfundvierzig Sekunden aus, benutzte diese Zeit, um auf einen anderen Baum zu fliegen, und ließ von ihm aus einen zweiten, drei Minuten funfzehn Sekunden währenden Gesang vernehmen. Verweilt der spinnende Vogel auf einem und demselben Sitze, nämlich einem bequem zu erreichenden freien Zacken oder dicken, nicht verzweigten Aste, so pflegt er in der Regel einen Hauptsatz seines Gesanges mehrfach zu gliedern, indem er nach ein oder zwei Minuten langem, ununterbrochenem Schnurren eine kurze, höchstens drei Sekunden lange Pause einlegt, hierauf wiederum einige Sekunden spinnt, nochmals einige Augenblicke aussetzt und so in immer kürzeren Zwischenräumen seinen absonderlichen Gesang abschließt. Wenn man sich in sehr großer Nähe des Sängers befindet, vernimmt man auch, daß der Hauptsatz mit leisen Lauten geschlossen wird, welche zwar ebenfalls das Gepräge des Schnurrens tragen, aber doch wesentlich von den sonst hörbaren sich unterscheiden und gewissermaßen ein Aushauchen sind. Diese Laute lassen sich ungefähr durch die Silben »Quorre quorre quorre« ausdrücken und ähneln nach meiner Auffassung am besten dem verhaltenen Knarren eines Teichfrosches, welches man aus einiger Entfernung vernimmt. Das Weibchen schnurrt ebenfalls, jedoch nur äußerst selten und stets sehr leise; denn das Spinnen ist Ausdruck der Zärtlichkeit. Fliegend vernimmt man von beiden Geschlechtern einen Lockton, welcher wie »Häit häit« klingt. Alle afrikanischen Nachtschwalben, welche ich hörte, spinnen genau in derselben Weise wie die unserige; schon die südeuropäische Art aber wirbt in wohlklingenderer, wenn auch nicht gemüthlicherer Weise um das Herz seiner Geliebten. Sie wechselt mit zwei ähnlichen Lauten ab, [373] welche wir nur durch die Silben »Kluckkluckkluck« wiedergeben können. Die eine derselben pflegt tiefer zu sein, als die andere; das Wieviel aber läßt sich mit Buchstaben nicht ausdrücken. Der Jotakanachtschatten, welchen Radde im Burejagebirge antraf, besitzt nach seiner Beschreibung eine gluckende Lockstimme, welche sich etwa durch die beiden Silben »Dschog dschog« wiedergeben läßt, weshalb der Vogel von den Birar-Tungusen »Dschogdschoggün« genannt wird. Ein indischer Ziegenmelker, welcher wiederholt mit dem unserigen verwechselt worden ist (Caprimulgus indicus), schreit nach Jerdon »Tuyo«. Diese Angaben, welche die gänzliche Verschiedenheit der Stimmen so nahe verwandter Vögel beweisen, genügen vollständig, um festzustellen, daß die genannten nicht Spielarten einer und derselben Form, sondern durchaus selbständige Arten sind. Besonders auffallend muß der Ruf einiger amerikanischen Nachtschwalben sein, weil er nicht bloß den ungebildeten, sondern auch den gebildeten Bewohnern dieses Erdtheils Veranlassung gegeben hat, die Vögel entweder zu scheuen, oder mit den auffallendsten Namen zu belegen. Schomburgk schildert malerisch die Stimmen des Urwaldes, welche laut werden, wenn der helle Gesang, das ausgelassene Gelächter der farbigen Begleiter des Reisenden verstummt sind. »Auf den heiteren Jubel folgt die tiefe Klage des Schmerzes der verschiedenen Arten der Ziegenmelker, welche auf den dürren, über die Wasserfläche emporragenden Zweigen der in den Fluß gesunkenen Bäume saßen und ihre stöhnenden Klagetöne durch die mondhelle Nacht ertönen ließen. Diese dumpfen Laute sind in der That so düster und unheimlich, daß ich die Scheu und Furcht vor diesen Thieren sehr natürlich finde. Kein Indianer, kein Neger, kein Kreole der Küste wagt es, sein Geschoß auf diesen Vogel zu richten, in welchem die ersteren die Diener des bösen Geistes Jabahu und seine Zauberer, die anderen Boten des bösen Geistes Jumbo und die dritten den sicheren Verkündiger eines Todesfalles innerhalb des Hauses erblicken, wie schon Waterton in seinen ›Wanderungen‹ so anmuthig erzählt hat. Bald scholl mir von jenen Bäumen oder dem nahen Ufer das klagende ›Ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha‹, welches mit hellem, vollem Tone beginnt und nach und nach bis zum ersterbenden Seufzer hinabsinkt, entgegen, bald das mit ängstlicher Hast ausgestoßene ›Who-are-you, who-who-who-are-you?‹ (Wer bist du, wer, wer, wer bist du?!), bald wieder das dumpf befehlende: ›Work-away-work-work-work-away‹ (Arbeite, hinweg, arbeite, arbeite, arbeite, hinweg!), während mich im nächsten Augenblicke eine vom tiefsten Lebensüberdrusse erfüllte Stimme anflehte: ›Willy-come-go, Willy-Willy-Willy-come-go‹ (Wilhelm, komm, laß uns gehen, Wilhelm, Wilhelm, Wilhelm, komm, laß uns gehen!) und eine fünfte klagte: ›Whip-poor-Will! Whip-Whip-Whip-Whip-poor-Will‹ (Schläge, armer Wilhelm, Schläge, Schläge, Schläge, Schläge, armer Wilhelm!), bis plötzlich das kreischende Geschrei eines Affen, der im Schlafe gestört oder von einer Tigerkatze überfallen worden war, aus dem düsteren Walde herübertönte.«

Das oben über die geistigen Fähigkeiten der Ziegenmelker gesagte will ich hier durch einige Belege zu beweisen suchen. Alle Nachtschwalben stehen sicherlich an Verstand hinter den Tagschwalben zurück, und zwar weit mehr als die Eulen hinter den Falken. Sie sind träger und schwergeistiger; ihr Fassungsvermögen ist gering. Die Nacht bietet aber auch einem so bewegungsfähigen Vogel viel weniger Gelegenheit, seinen Geist auszubilden, als der helle Tag einem seiner Verwandten; zumal der allgemeine Thierfeind »Mensch« kommt diesen Geschöpfen gegenüber nur wenig in Betracht. So erkläre ich mir die dummdreiste Neugier des Ziegenmelkers. Alles ungewohnte erregt seine Aufmerksamkeit in höchstem Grade, und er kommt dann von fern herbei, um sich die Sache genauer zu betrachten. In einsamen Waldungen naht er, wie schon bemerkt, dem verspäteten Wanderer und umfliegt ihn in engen Kreisen oder begleitet ihn Viertelstunden lang, sicherlich einzig und allein zu dem Zwecke, um sich hinreichende Aufklärung über die ihm ungewöhnliche Erscheinung zu verschaffen. Plötzliche Lichterscheinungen reizen ihn noch mehr. Nicht bloß der Schleppennachtschatten, sondern alle Nachtschwalben überhaupt werden durch das Lagerfeuer herbeigezogen und umschwärmen dasselbe in sonderbarer Weise. Ein Fehlschuß, welcher ihnen gegolten, verblüfft sie förmlich. Sie pflegen dann in ihrem Fluge plötzlich einzuhalten und, [374] die Gefährlichkeit des Feuergewehres nicht kennend, rüttelnd an einer und derselben Stelle sich zu halten, um sich von der Bedeutung des eben geschehenen zu überzeugen. Daß sie sich durch diese Unvorsichtigkeit zum zweitenmal dem tödtlichen Geschosse aussetzen, kommt ihnen nicht in den Sinn: es fehlt ihnen an Erfahrung darüber. Ist aber einer der Gatten des Paares gefallen, dann pflegt sich der andere wohl in Acht zu nehmen: Erfahrung witzigt also auch ihn. Nirgends hält es leichter, Ziegenmelker zu erlegen, als in Afrika. Sie betragen sich hier, wie ich bereits zu schildern versuchte, ohne irgend welche Bedenklichkeit zu zeigen; sie sind es nicht anders gewohnt: kein Innerafrikaner hat sie jemals geschreckt oder gefährdet. Das Erscheinen einer Eule wandelt ihr Betragen augenblicklich um: der Nachtschatten erkennt in dieser eine Räuberin, und ist auf Flucht bedacht. Für die geistige Befähigung des Vogels spricht aber noch mehr, so namentlich eine List, welche der so täppisch erscheinende Gesell bei Tage bekundet. Die Spanier nennen den Ziegenmelker Engaña-pastor, zu deutsch »Hirtenbetrüger«, aus dem sehr richtigen Grunde, weil die Hirten am häufigsten mit ihm in Berührung kommen. Die weidende Herde treibt den Nachtschatten auf, der fliegende Vogel erregt die Aufmerksamkeit des Hirten, und dieser geht nach dem Platze hin, auf welchen jener einfiel, entdeckt ihn auch wohl, glaubt sich seiner ohne Anstrengung bemächtigen zu können, kann sich bis auf einen halben Meter dem schläfrigen nähern, streckt die Hand aus, um ihn wegzunehmen, und – greift in die Luft. Der Ziegenmelker hat seinen Feind wohl gesehen, das blinzelnde Auge jede Bewegung beobachtet; er hat es aber für gut befunden, tiefen Schlaf zu heucheln, und freut sich sicherlich herzlich, daß er den Erdenbeherrscher wieder einmal betrogen. Daß diese Schilderung keine Fabelei ist, mag eine Angabe Naumanns beweisen. »Einstmals«, so erzählt der Altmeister, »leistete ich meinem Vater beim Ausbessern eines Lerchennachtgarns, welches wir auf einer Wiese ausgebreitet hatten, Gesellschaft, als ich zufällig ganz in unserer Nähe auf dem Schafte eines vom Winde umgeworfenen großen Baumes einen Tagschläfer gewahrte, welcher sehr fest zu schlafen schien. Der Entschluß, ihn zu fangen, war sogleich gefaßt, das Garn herbeigeholt, an seinen beiden Stangen aufgerichtet und, ausgespannt, über den liegenden Baum mit allen seinen noch daran befindlichen Aesten und Zweigen hinweggedeckt, obgleich nicht alles hierbei ganz geräuschlos abging. Da wir nun, als dem Vogel jeder Ausweg verschlossen war, zu lärmen anfingen, um ihn von seinem Sitze gegen das Netz zu treiben, weil wir ihn so leichter mit den Händen zu erhaschen hoffen durften, bemerkten wir, daß er jetzt zwar aufgewacht war, uns aber durch Scheinschlaf zu täuschen suchte, weshalb ich denn unter das Netz in den überdeckten Raum hineinkriechen mußte, worauf er erst von seinem Sitze gegen das Netz flog, als ich schon die Hand nach ihm ausstreckte.«

Alle im Norden der Erde lebenden Arten der Unter familie und wahrscheinlich auch diejenigen, welche ein Gebiet bewohnen, in dem schroffer Wechsel der Jahreszeiten stattfindet, verlassen in den für ihr Leben ungünstigen Monaten ihr Brutgebiet, um mehr oder minder regelmäßig nach anderen Gegenden zu reisen: sie ziehen also, oder sie wandern. Entsprechend der Art und des bedeutenden Verbrauches an Nahrung erscheint unser Nachtschatten in der Heimat erst ziemlich spät, kaum vor der Mitte, meist erst zu Ende des April, in höheren Gebirgslagen oder im Norden auch wohl erst im Anfange des Mai, und verläßt uns von Ende August an allmählich wieder. Ganz im Gegensatze zu den Seglern wandert er langsam und gemächlich, obwohl er, Dank seiner Flugbegabung, weite Strecken mit Leichtigkeit durchzieht und selbst Meere anscheinend unnöthigerweise überfliegt. Im Frühjahre begegnet man den wandernden Ziegenmelkern meist einzeln, höchstens paarweise, im Herbste dagegen in mehr oder minder zahlreichen Gesellschaften, welche weiter nach dem Süden hin stetig an Anzahl zunehmen. Solche Gesellschaften beobachtet man im südlichen Europa wie im Norden Afrikas oder im Steinigten Arabien schon zu Ende August, von dieser Zeit an aber bis in den September und Oktober hinein. Die zuerst abreisenden sind wahrscheinlich diejenigen, welche nicht durch das Brutgeschäft aufgehalten werden, die zuletzt ziehenden die, welche die Erziehung ihrer Jungen erst spät beenden konnten oder durch geeigneten Orts in besonderer Menge [375] ihnen winkende Beute aufgehalten wurden. Unterwegs scheint den reisenden Vögeln jede einigermaßen Deckung gewährende Oertlichkeit zur Tagesruhe recht und genehm zu sein. Sie ziehen zwar auch hier waldige oder doch bebuschte Strecken vor, nehmen jedoch keinen Anstand, nöthigenfalls ebenso auf nackten felsigen Hügeln oder mitten in der Wüste und Steppe sich niederzulassen. Drängt die Zeit, oder vermag eine gewisse Gegend sie nicht zu ernähren, so fliegen sie auch, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, am hellen Tage: Heuglin beobachtete einen Nachtschatten, welcher sich um diese Zeit auf einem Dampfschiffe niederließ, um hier einen Platz zu zeitweiligem Ausruhen zu suchen, wie dies bei den über das Meer fliegenden Nachtschwalben nicht allzu selten zu geschehen pflegt. Im nordöstlichen Afrika folgen auch sie der von den meisten Vögeln benutzten Zugstraße, dem Nilthale nämlich, nach Heuglins Beobachtungen aber ebenso den Küsten des Rothen Meeres, und eine Folge solcher Abweichung von der Regel mag es wohl sein, daß sie sich während des Zuges oft tief bis in die baumlose Wüste verirren. Im September und Oktober begegnete Heuglin den Einwanderern bereits an der Danakil-und Somaliküste, im Bogoslande, in Habesch und in Kordofân, ich meinerseits ebenso in den Waldungen zu beiden Seiten der Hauptströme des Nils. Sie halten sich hier genau auf denselben Oertlichkeiten auf wie die einheimischen Arten, pflegen jedoch mit diesen keine Gemeinschaft, sondern ziehen, wie die Schwalben auch, unbekümmert über die seßhaften Arten hinweg. Wie weit sich die Reise unseres Nachtschattens erstreckt, vermögen wir mit Bestimmtheit nicht zu sagen, sondern nur so viel anzugeben, daß der Vogel im südlichsten Theile Afrikas wohl nur sehr selten gefunden wird. Auf dem Rückzuge erscheint er einzeln bereits Ende März, in größerer Menge aber Anfang April in Egypten, wenige Tage später in Griechenland, woselbst er ebensogut wie in Kleinasien und im Atlas Brutvogel ist, und, da er jetzt eiliger fliegt, wenige Tage später in Deutschland. Nicht allein unsere heimische Art, sondern auch andere Nachtschwalben streichen gelegentlich ihres Zuges über die Grenzen ihres Verbreitungsgebietes hinaus. So wurde die Schleppenschwalbe in der Provence, der Wüstennachtschatten auf Helgoland angetroffen.

Es scheint, daß alle Ziegenmelker nur einmal im Jahre brüten. Diese Zeit ist selbstverständlich verschieden nach der Heimatsgegend, welche diese oder jene Art bewohnt, fällt aber regelmäßig in den Frühling der betreffenden Länder. Das Männchen wirbt sehr eifrig um die Liebe seiner Gattin und bietet alle Künste des Fluges auf, um ihr zu gefallen. Auch das Schnurren oder laute Rufen ist nichts anderes als Liebeswerbung, der Gesang des verliebten Männchens. Nachdem sich die Paare gefunden und jedes einzelne das Wohngebiet erkoren, legt das Weibchen an einer möglichst geschützten Stelle, am liebsten unter Büschen, deren Zweige bis tief auf den Boden herabreichen, sonst aber auch auf einem bemoosten Baumstrunke, in einem Grasbusche und an ähnlichen Oertlichkeiten seine zwei Eier auf den Boden ab, regelmäßig, da, wo man sie nicht sucht. Unser Ziegenmelker scheint mit besonderer Vorliebe Stellen zu wählen, auf denen seine Späne eines abgehauenen Baumes oder Rindenstückchen, abgefallene Nadeln und dergleichen liegen. Ein Nest wird niemals gebaut, ja die Niststelle nicht einmal von den auf ihr liegenden Stoffen gereinigt. Wahrscheinlich brüten beide Geschlechter abwechselnd und zeigen innige Liebe zur Brut. Bei herannahender Gefahr gebraucht der brütende Ziegenmelker die gewöhnliche List schwacher Vögel, flattert, als ob er gelähmt wäre, über dem Boden dahin, bietet sich dem Feinde zur Zielscheibe, lockt ihn weiter und weiter vom Neste ab und erhebt sich dann plötzlich, um raschen Fluges davon- und bezüglich zurückzueilen. Bleibt man ruhig und möglichst unbeweglich in der Nähe der gefundenen Eier sitzen, so bemerkt man, daß der weibliche Nachtschatten nach geraumer Zeit zurückkommt, in einiger Entfernung von den Eiern sich niedersetzt und vorsorglich und mißtrauisch in die Runde schaut. Endlich entdeckt oder erkennt er den lauschenden Beobachter, sieht sich ihn nochmals genau an, überlegt und setzt sich endlich in Bewegung. Trippelnd watschelnden Ganges nähert er sich mehr und mehr, kommt endlich dicht heran, bläht sich auf und faucht, in der Absicht, den Störenfried zu schrecken und zu verscheuchen. Dieses Gebaren ist so außerordentlich belustigend, so überwältigend, [376] daß Eugen von Homeyer, dem ich die Mittheilung dieser Thatsache verdanke, nie versäumte, thierfreundliche Gäste zu den Eiern eines in seinem Garten brütenden, von ihm geschützten Nachtschattens zu führen, um sie des entzückenden Schauspiels theilhaftig werden zu lassen. Wie groß muß die Mutterliebe sein, welche einen so kleinen Wicht ermuthigt, in dieser Weise dem furchtbaren und fast immer grausamen Menschen entgegenzutreten! Nähert man sich nachts der Brutstätte, so ist das Weibchen äußerst ängstlich und schreit, um das Männchen herbeizurufen. Aber es trifft auch noch andere Vorsichtsmaßregeln, um die einmal aufgespürte Beute der Gewalt des Feindes zu entrücken. Audubon hat, wie schon bemerkt, von einer Art beobachtet, daß die Eltern ihre Eier und selbst ihre kleinen Jungen, wenn das Nest entdeckt wurde, einer anderen Stelle des Waldes zutragen; es ist aber gar nicht un möglich, daß alle übrigen Ziegenmelker in ähnlicher Weise verfahren. »Ich habe«, erzählt der ausgezeichnete Forscher, »es mir viele Zeit kosten lassen, um mich zu überzeugen, wie der Ziegenmelker dabei verfährt, um Eier und Junge wegzuschaffen, zumal nachdem ich, Dank der Hülfe eines ausgezeichneten Hundes, gefunden hatte, daß der Vogel die zarten Pfänder seiner Liebe niemals weit wegträgt. Die Neger, welche die Sitten der Thiere gut zu beobachten pflegen, versicherten mich, daß der Nachtschatten die Eier oder Jungen mit dem Schnabel längs des Bodens fortschöbe oder stoße. Bauern, mit denen ich mich über den Gegenstand unterhielt, glaubten, daß die Eltern ihre Brut wohl unter die Flügel nehmen und so fortschaffen möchten. Mir erschien die Angabe der Neger glaubwürdiger als die der Bauern, und ich machte es mir zur Aufgabe, das wahre zu erforschen. Das Ergebnis ist folgendes. Wenn der Nachtschatten, gleichviel ob das Männchen oder Weibchen eines Paares, entdeckt hat, daß seine Eier berührt worden sind, sträubt er sein Gefieder und zeigt eine oder zwei Minuten lang die größte Niedergeschlagenheit. Dann stößt er ein leises, murmelndes Geschrei aus, auf welches der Gatte des Paares herbeigeflogen kommt und so niedrig über den Grund dahinstreicht, daß ich glauben mochte, seine kurzen Füße müßten denselben berühren. Nach einigen leisen Tönen und Geberden, welche Zeichen der größten Bedrängnis auszudrücken scheinen, nimmt eines ein Ei in sein weites Maul, der andere Vogel thut dasselbe, und dann streichen beide langsam und vorsichtig über den Boden dahin und verschwinden zwischen den Zweigen und Bäumen. Das Wegschleppen der Eier soll übrigens nur geschehen, wenn sie ein Mensch berührt hat, während der Vogel ruhig sitzen bleibt, wenn derjenige, welcher das Nest entdeckte, sich wieder zurückzog, ohne die Eier zu berühren.«

Die ausgeschlüpften Jungen werden von den Eltern während des ganzen Tages bedeckt. Mein Vater beobachtete, daß eines der Eltern auch dann noch, als die Jungen fast flügge waren, auf ihnen saß. Wie erklärlich, findet die Atzung der Brut nur des Nachts statt. Anfangs erhalten die Kleinen zarte Kerbthiere, namentlich Hafte und Nachtschmetterlinge; später werden ihnen gröbere Stoffe zugetragen, und schließlich müssen sie unter Führung und Leitung der Alten ihre eigene Jagd beginnen.

Auffallenderweise hat man den auf seinen Eiern sitzenden Nachtschatten wiederholt mit dem Kukuk verwechselt und darauf die Behauptung gegründet, daß letzterer selbst brüte. Wie solche Verwechselung möglich ist, läßt sich von demjenigen, welcher beide Vögel kennt, schwer begreifen. Denn außer der graulichen Färbung haben Kukuk und Nachtschatten nicht das geringste mit einander gemein.

Es ist möglich, aber ziemlich schwierig, jung aus dem Neste genommene Ziegenmelker aufzuziehen. Mein Vater versuchte es wiederholt, und es gelang ihm, wenn er nur Nachtschmetterlinge und Käfer fütterte, wogegen ausschließliche Fliegennahrung den Jungen nach kurzer Zeit den Tod brachte. Ein Junges, welches mein Vater aufzog, fraß sechs bis acht Schock Stubenfliegen in einem Tage. Bei reichlicher Nahrung wachsen die Vögel auch in der Gefangenschaft außerordentlich schnell heran. Sie zeigen frühzeitig die Art ihrer Eltern, drücken sich plötzlich nieder, wenn sie einen Menschen auf sich zukommen sehen, und fauchen, wenn sie erzürnt werden. Die Wärme lieben sie wohl, nicht aber den Sonnenschein; denn sie kriechen, wenn sie am Fenster dem Sonnenlichte [377] ausgesetzt werden, stets dahin, wo der Fensterrahmen Schatten gibt und kauern sich dort nieder. Ein Nachtschatten, welchen Tschudi pflegte, benahm sich ähnlich. »Während wir dies schreiben«, sagt der Schweizer Forscher, »trippelt ein hübscher weiblicher Ziegenmelker in unserer Arbeitsstube umher. Wir erhalten ihn seit längerer Zeit, indem wir ihn täglich mit Würmern und Krebthieren stopfen. Freiwillig frißt er nichts. Obgleich ein nächtlicher Vogel, ist er doch auch bei Tage ziemlich thätig, kommt bei Sonnenschein fleißig aus seinem Winkel hervor und setzt sich dicht neben uns am Boden, mit Vorliebe auf den wärmsten Fleck, wo er behaglich den Schwanz fächerförmig ausbreitet und mit halbgeschlossenen Augen duselt. Verläßt die Sonne das Fenster, so geht er langsam schrittweise wieder in seinen Winkel und legt sich gewöhnlich platt auf den Bauch. Er fliegt sehr ungern und hüpft so ungeschickt, daß er beständig auf die Seite purzelt, wobei er oft unbehülflich liegen bleibt und wartet, bis er aufgestellt wird, obwohl er ganz gesund und stark ist. Fremde schnarrt er leise krächzend an, ist aber dabei äußerst zahm, sitzt recht gern breit in der warmen, hohlen Hand, wobei er die Leute zutraulich mit seinen großen, schwarzen Augen ansieht, und ist der Liebling des Hauses.«

In den letztvergangenen Jahren habe ich wiederholt Ziegenmelker gepflegt und ebenso durch andere mehr oder minder ausführliche Berichte über ihr Gefangenleben erhalten. Wirklich anziehende Käfigvögel sind sie nicht, höchst absonderliche und deshalb beachtenswerthe aber wohl. Für denjenigen, welcher auch mit unbeholfenen Vögeln umzugehen weiß, verursacht ihre Pflege keinerlei Schwierigkeiten. Die Jungen muß man allerdings stopfen und auch den heranwachsenden Ziegenmelkern in der Regel das Futter vorhalten; bei einzelnen aber gelingt es doch, sie so weit zu gewöhnen, daß sie in dem von ihnen bewohnten Raume fliegende Beute selbst jagen, überhaupt allein fressen. Friderich erzählt von einem gefangenen Vogel dieser Art eine wahrhaft rührende Geschichte. Der jung aus dem Neste entnommene und aufgefütterte Nachtschatten wurde ungemein zahm. Da aber seine Ernährung dem Pfleger Schwierigkeiten bereitete, wollte dieser ihm die Freiheit schenken und ließ die Thüre des Käfigs offen, um ihn zum Ausfliegen zu bewegen. Als der Vogel keinen Gebrauch davon machte, warf Friderich ihn im Freien eines Abends in die Höhe. Er flog davon, stellte sich aber eine Viertelstunde später wieder ein. Der Versuch wurde wiederholt, und der Nachtschatten gewöhnte sich, nach Belieben aus- und einzufliegen, war aber am frühen Morgen stets auf dem alt gewohnten Platze. Um ihn vor der Zugzeit noch rechtzeitig an die Freiheit zu gewöhnen und das Wiederkommen zu vereiteln, trug Friderich ihn nach einem sehr abgelegenen Orte. Als man aber im nächsten Jahre die ihm zum Aufenthalte angewiesene Kammer ausräumte, fand man den Ziegenmelker in einem Verstecke vor, todt, verhungert, zur Mumie eingetrocknet. Während man ihn im Genusse der goldenen Freiheit wähnte, war der beklagenswerthe Vogel, entweder aus Anhänglichkeit oder vom Hunger getrieben, zurückgekehrt und hatte hier unbemerkt seinen Tod gefunden.

Nur im Süden Europas, wo man fast alle lebenden, mindestens alle eßbaren Geschöpfe dem Magen opfert, erlegt man auch den Ziegenmelker, um ihn für die Küche zu verwenden. Bei uns zu Lande stellt außer dem Naturforscher glücklicherweise nur der Bubenjäger ihm nach. Und dies ist sehr erfreulich. Denn nicht nur unser Nachtschatten, sondern alle Ziegenmelker überhaupt bringen dem menschlichen Haushalte nur Nutzen, niemals Schaden, verdienen daher die allgemeinste und umfassendste Schonung. Wer das Leben und Treiben dieser Vögel aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat, muß sie lieb gewinnen, und nur der gänzlich unkundige und wundersüchtige kann fähig sein, von der übeln Nachrede, welche eben Unkenntnis und Wundersucht geschaffen, ein Wörtchen für möglich zu halten. Auch hier geht es wie immer, das unbegreifliche reizt die Einbildung der Thoren zur Erfindung alberner Geschichten, welche von anderen Thoren für baare Münze hingenommen werden. So lächerlich es sein mag, so gewiß ist, daß es noch heutigen Tages Menschen gibt, welche den Namen Ziegenmelker wörtlich nehmen, oder in dem Nachtschatten und der »Hexe« auch wirklich einen Schatten der Nacht oder eines jener unbeschreiblichen, zauberfähigen [378] Wesen sehen. Wer aber, wie ich, im Inneren Afrikas allnächtlich fast Ziegenmelker beobachten konnte; wer die Freude hatte, von ihnen besucht zu werden, während das nächtliche Feuer in der Einöde brannte; wem ihr Spinnen oder ihr Geschrei als freundlicher Gruß entgegentönte, sobald das hereinbrechende Dunkel das Stimmengewirr der Tagvögel verstummen gemacht: der wird sich der Nachtschwalben nur mit warmer Liebe erinnern können und sie gegen jede Verfolgung, ja schon gegen jede alberne Nachrede in Schutz nehmen müssen. Die wehrlosen und nützlichen Nachtschatten haben ohnehin in Griechen und Italienern, welche sie als die schmackhaftesten aller Vögel erklären und während ihres Zuges rücksichtslos verfolgen oder aber bei uns zu Lande in verschiedenen Raubsäugethieren und Raubvögeln der Feinde genug!


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 368-379.
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