Straußwachtel (Rollulus coronatus)

[108] Die Straußwachtel oder der »Rulul« der Eingeborenen Sumatras (Rollulus coronatus, cristatus und roulroul, Crytonix oder Cryptonyx coronatus und cristatus, Lyponix coronatus) weicht in ihrer ganzen Erscheinung so augenfällig von den übrigen Waldhühnern ab, daß man sie als Urbild einer besonderen, sehr artenarmen Unterfamilie (Cryptonichinae oder Rollulinae) angesehen hat, schließt sich aber doch anderen kleinen Hühnern unserer Familie innig an.


Straußwachtel (Rollolus coronatus). 1/3 natürl. Größe.
Straußwachtel (Rollolus coronatus). 1/3 natürl. Größe.

Der Schnabel ist kräftig, auf der Firste stark gebogen, aber stumpfhakig, oben an der Wurzel seitlich zusammengedrückt, der Fuß schlankläufig und kurzzehig, die Hinterzehe nagellos, der Flügel, unter dessen Schwingen die vierte die längste, mäßig zugerundet, der Schwanz kurz, das Kleingefieder reich, auf dem Bürzel sehr entwickelt, auf der Stirne zu starken, nach hinten gerichteten Borsten umgewandelt. Stirne, Vorderkopf, Hinterhals und ganze Unterseite sind schwarz, stahlblau schimmernd, die Federn des Scheitels weiß, die dichten, sperrigen, sein verästelten der verhältnismäßig ungemein großen Holle rostbraunroth, die der ganzen Oberseite und des Bürzels düster dunkelgrün, die Schwingen hell nußbraun, auf der Außenfahne zart nußbraun gewellt und gepunktet, die oberen Flügeldeckfedern dunkel erdbraun, die Schulterfedern bläulichgrün, ins Braune ziehend, die Schwanzfedern matt blauschwarz. Das Auge ist braun, der Schnabel auf der Firste blauschwarz, seitlich und unten, wie der Fuß und ein großes nacktes Wangenfeld, lebhaft zinnoberroth. Die Länge beträgt etwa sechsundzwanzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge sechs Centimeter. Beim Weibchen, welches keine Holle trägt, sind Kopf und Oberhals dunkelgrau, die kleinen Federn dunkel grasgrün, die Flügeldecken hell nußbraun.

[108] Sumatra und Malakka sind das Vaterland des Rulul. »Sein Verbreitungskreis«, fährt von Rosenberg fort, »reicht nicht über eine unbedingte Höhe von funfzehnhundert Meter empor; er zählt daher zu den bezeichnenden Erscheinungen des heißen Tieflandes von Sumatra. Auf Java ist er mir nie mals zu Gesicht gekommen. Uebertags, und solange er nicht gestört wird, hält sich der Vogel, welcher in Einehigkeit lebt und daher meist paarweise gefunden wird, auf dem Boden auf, um hier seiner Nahrung nachzugehen, welche aus Kerbthieren, Würmern, Schnecken, Sämereien, Beeren, Knospen und jungen Pflanzenstoffen besteht. Seine Haltung ist eine lässige, der Eindruck, welchen er bei dem Beobachter hinterläßt, aber besonders deshalb eigenthümlich, weil er die fast unverhältnismäßig große Krone stets aufrecht trägt, bei ruhigem Gange oder im Stehen das reiche Bürzelgefieder sträubt und den Schwanz gegen die Unterseite des Leibes einbiegt. Nur wenn er eilig läuft und dabei Kopf und Hals vorstreckt, trägt er sich minder aufgebauscht, wogegen er in vollster Ruhe den Kopf zwischen die Schultern zieht und dann eine fast kugelige Gestalt annimmt. Aufgescheucht fliegt er mit kräftigen, rasch sich folgenden Schwingenschlägen, unter lautem Schwirren in gerader Richtung und niedrig über dem Boden weg, dreißig bis vierzig Schritt weit dahin und fällt dann ein, umlaufend Rettung zu suchen. Ist die Gefahr glücklich vorübergegangen, so lockt das Männchen sein versprengtes Weibchen mit einem Rufe, welchen der malaiische Name, ›Rulul‹ klangbildlich bezeichnet. Mit einbrechendem Dunkel bäumt das Paar auf einem niedrigen Aste, um hier der Nachtruhe zu pflegen.

Um den Besitz eines Weibchens finden während der Paarungszeit zwischen den Männchen heftige Kämpfe statt, welche mit Schnabel und Fuß ausgefochten werden. Ob der Hahn zeitlebens einer und derselben Henne sich gesellt, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, halte es jedoch für glaubhaft. In eine flache, nothdürftig mit Grashalmen ausgelegte, unter Gebüsch wohlgeborgene Mulde legt das Weibchen acht bis zehn verhältnismäßig große, graulich olivengrün gefärbte Eier und bebrütet sie eifrig, während das Männchen in der Nähe scharfe Wache hält, wie es auch später, bei Führung der Jungen, seiner Gesellin treu zur Seite steht.

Den Feinden des Rulul, Schlangen, Raubvögeln und Raubsäugethieren, gesellt sich auch der Mensch, welcher ihm, seines wohlschmeckenden Fleisches halber, unablässig nachstellt und ihn meist in Schlingen fängt. Ich bekam ihn öfter lebend und hielt ihn, bei einem aus Würmern, Heuschrecken und gekochtem Reise bestehenden Futter, ziemlich lange in Gefangenschaft.«

In der Neuzeit gelangten lebende Rululs wiederholt auch in unsere Käfige und gaben dadurch Gelegenheit, Rosenbergs treffliche Schilderung, die einzige, welche ich kenne, noch zu vervollständigen. »Der Rulul«, so schreibt mir von Schlechtendal, »zählt zu denjenigen Hühnervögeln, deren Haltung in Gefangenschaft mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft ist. Gegen niedrige Wärmegrade äußerst empfindlich, im Bezug auf seine Nahrung wählerisch, zudem auch hinsichtlich des Raumes anspruchsvoll, verursacht er dem Pfleger viele Mühe. Das Scharren im Sande betreibt er mit solcher Leidenschaft und solchem Nachdrucke, daß er im Zimmer kaum geduldet werden kann, da er die ganze Umgebung seines Käfigs besandet. Thierische Stoffe zieht er pflanzlichen bei weitem vor: namentlich frißt er Mehlwürmer und Ameisenpuppen sehr gern; außerdem verzehrt er gekochten Reis und Beeren verschiedener Art, beispielsweise Weinbeeren, während er trockene Sämereien wenig beachtet. Bei geeigneter Behandlung wird er leicht zahm; aber auch bei der sorgfältigsten Pflege dauert er bei uns zu Lande selten lange in Gefangenschaft aus.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 108-109.
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