Strandläufer (Tringinae)

[288] Die Kennzeichen der Strandläufer (Tringinae) liegen in dem gedrungenen, seitlich etwas zusammengedrückten Leibe, kleinem Kopfe, dem kopflangen oder noch etwas längeren, geraden oder gegen die Spitze sanft abwärts gebogenen, an ihr auch wohl löffelförmig verbreiterten, schwachen, weichen, biegsamen Schnabel, den ziemlich hohen, schlanken, schmächtigen, über der Ferse theilweise nackten Füßen, mit vier, ausnahmsweise drei Zehen, deren drei vordere lang, dünn und vollständig getrennt sind, während die sehr kurze, schwächliche, kleine Hinterzehe so hoch sich einlenkt, daß sie den Boden nicht berührt, den mittellangen spitzigen Flügeln, unter deren Schwingen die erste die längste ist, deren Schulterfedern aber Afterflügel bilden, dem aus zwölf Federn bestehenden kurzen, am Ende spitz zugerundeten oder doppelt ausgeschnittenen Schwanze. Das Kleingefieder ist reich und glatt anliegend, seine Färbung eine nach dem Alter und der Jahreszeit, auch nach dem Geschlechte höchst verschiedene, meist aus Graubraun und Rostfarben zusammengemischte. Gerippe, Muskeln, Eingeweide usw. stimmen im wesentlichen mit dem der Regenpfeifer überein; Schädel und Auge sind aber viel kleiner als bei diesen; die Wirbelsäule besteht aus zwölf bis dreizehn Hals-, neun Rücken- und acht Schwanzwirbeln; im Brustbeine ist das innere wie das äußere Paar der inneren Hautbuchten regelmäßig vorhanden; der Schnabel zeigt noch deutliche Tastzellen usw.

Strandläufer beleben die Küste des Meeres und die Ufer stehender Gewässer, weniger die der Flüsse, erscheinen hier im Frühjahre ziemlich spät und verlassen die Heimat schon zu Anfange des Herbstes wieder. Auf dem Zuge reisen Alte und Junge in getrennten Flügen, die Jungen meist schon gepaart, die Alten nach dem Geschlechte gesondert, die Männchen zuerst, die Weibchen zuletzt; die einen wie die anderen vereinigen sich jedoch in der Winterherberge wiederum zugemischten, oft sehr zahlreichen Schwärmen. Alle Arten laufen vortrefflich, auch über kleberigen Schlamm, treten dabei bloß auf den vorderen und mittleren Theilen der Zehen auf und gehen also wie auf Schnellfedern dahin, fliegen schnell, leicht, schön und wechselvoll, wissen sich auch schwimmend im Wasser zu bewegen. Ihre Stimme ist pfeifend, helltönend und schallend. Die Nahrung besteht aus allerlei Kleingethier, Wasserkerfen und deren Larven, verschiedenartigem Gewürme, kleinen Schalthieren [288] und dergleichen, ausnahmsweise auch aus feinen Sämereien. Das höchst einfache Nest steht auf trockenen Stellen im Sumpfe und enthält vier verhältnismäßig große, birn- und kreiselförmig gestaltete, auf grünlichem Grunde dunkelbraun gefleckte Eier, welche vom Weibchen allein ausgebrütet werden. Die Jungen kommen in einem zierlichen Dunenkleide aus dem Eie und sind vom ersten Tage ihres Lebens an so bewegungsfähig wie irgend ein anderer Stelzvogel, wachsen rasch heran und machen sich bald selbständig, obwohl sie bis zum Herbstzuge in Gesellschaft und unter Führung ihrer treuen Eltern bleiben.

Sämmtliche Strandläufer lassen sich leicht zähmen, halten jahrelang im Käfige aus, befreunden sich innig mit ihrem Pfleger und erfreuen durch munteres, ansprechendes Wesen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 288-289.
Lizenz:
Kategorien: