Kampfadler (Spizaëtus bellicosus)

[642] In Afrika lebt das größte und stärkste Mitglied dieser Gruppe, der Kampfadler (Spizaëtus bellicosus, Falco bellicosus und armiger, Aquila bellicosa und armigera, Pseudaëtus bellicosus), ein mächtiger Vogel von achtzig bis sechsundachtzig Centimeter Länge und entsprechender, mir nicht näher bekannter Breite, dessen Fittiglänge sechzig bis fünfundsechzig und dessen Schwanzlänge einunddreißig bis vierunddreißig Centimeter beträgt. Auf der Oberseite ist Aschgraubraun die herrschende Färbung, auf dem Kopfe mischt sich Schwarzbraun, die Schaftzeichnung der einzelnen Federn, ein, auf dem Mantel zeigen fast alle Federn lichtere Ränder, wodurch auch eine Flügelbinde entsteht, gebildet durch die Spitzen ränder der größeren, schieferaschgrauen, schwarz in die Quere gebänderten Flügeldeckfedern. Ein weißliches Band verläuft über den Augen nach dem Hinterkopfe zu und verliert sich in der kurzen, breiten Holle. Die ganze Unterseite ist weiß, bläulich überzogen, fast fleckenlos. Die großen Schwingen sind an der Außenfahne schwarz, an der Innenfahne heller und dunkler gebändert, die unteren Flügeldeckfedern reinweiß, die Steuerfedern oben dunkel-, unten lichtbräunlich aschgrau, sechsmal dunkler in die Quere gebändert. Der jüngere Vogel ist oberseits schwärzlichbraun, unterseits weiß gefärbt und hier mit zahlreichen braunen Flecken gezeichnet, welche bis zum vierten Jahre allmählich in demselben Maße verschwinden, als das Schwarzbraun der Oberseite sich lichtet. Das Auge ist graubraun, die Wachshaut grünlichblau, der Schnabel schwarz, der Fang bleigrau.

Die erste Beschreibung des Kampfadlers erschien zu Ende des vorigen Jahrhunderts in dem berühmten Werke Levaillants über die Vögel Südafrikas. Der genannte Naturforscher erbeutete unseren Adler im Lande der Namaken vom achtundzwanzigsten Grad südlicher Breite an nach der Mitte des Erdtheiles zu. Später wurde er in West- und Ostafrika aufgefunden, und jetzt weiß ich freilich, daß der gewaltige Raubvogel, welchen ich auf einem die Gegend weithin überragenden hohen Baum des abessinischen Gebirges sitzen sah, der Kampfadler war.

Ueber Lebensweise und Betragen dieses stattlichen Geschöpfes liegen ausführlichere Beobachtungen, als die, welche Levaillant uns gegeben hat, noch immer nicht vor und deshalb muß ich sie dem nachfolgenden zu Grunde legen.

Der Kampfadler wählt sich einen vereinzelt stehenden Baum zu seinem Standorte; denn er ist sehr vorsichtig und liebt zu sehen, was um ihn vorgeht. Von hier aus durchstreift das Paar ein weites Gebiet, stets in getreuer Gemeinschaft; duldet auch in ihm kein anderes derselben Art oder keinen anderen Raubvogel überhaupt. Jeder andere Räuber, welcher sich ihm aufdrängt, wird erbarmungslos angegriffen, mit voller Macht befehdet und zur Flucht gezwungen. »Es geschieht«, wie Levaillant sagt, »nicht selten, daß Scharen von Geiern und Raben sich vereinigen, in der Absicht, dem Kampfadler seine Beute abzunehmen; doch genügt der einfache Blick des Räubers, dieses Bettlergesindel sich vom Halse zu halten.«

Wahrscheinlich jagt der Kampfadler hauptsächlich in den Morgen- und Abendstunden und selten wohl vergeblich. Seine gewöhnliche Beute besteht aus kleinen Antilopen und Hasen; er wird aber jedenfalls die vielen Wildhühnerarten auch nicht verschonen. Sein ganzes Wesen [642] bekundet, daß er den afrikanischen Thieren ein ebenso gefährlicher Feind ist wie unser Steinadler den europäischen. Es gibt in ganz Südafrika keinen Raubvogel, welcher dem Kampfadler an Kraft und Raubfähigkeit gliche. Er ist unumschränkter Herrscher in seinem Bereiche; Kraft und Kühnheit vereinigen sich in ihm, um ihn zu einem furchtbaren Feinde aller wehrlosen Geschöpfe zu machen. Der Flug ist durchaus adlerartig, aber leichter und rascher. Die Stimme soll bald scharf und durchdringend, bald rauh und dumpf sein.

Der Horst wird auf der Krone der höchsten Bäume und nur in Ermangelung derselben auf Felsvorsprüngen an unersteiglichen Wänden gegründet, ähnelt im ganzen dem anderer Adler, soll sich aber dadurch auszeichnen, daß er bestimmt aus drei verschiedenen Lagen aufgebaut wird: aus einer, welche aus Knüppeln, einer zweiten, welche aus feineren Zweigen, Moos, dürren Blättern, Heide- und anderen weichen Pflanzentheilen der Umgegend, sowie endlich einer dritten, aus feinen Reisern bestehenden, welche letztere die Nestmulde bildet. Das ganze Bauwerk hat einen Durchmesser von anderthalb bis zwei Meter und ist so fest, daß ein Mann mit aller Sicherheit darauf sich niederlassen kann. Wenn der Horst auf Felsgestein errichtet wird, fehlt selbstverständlich der Unterbau.


Kampfadler (Spizaëtus bellicosus). 1/6 natürl. Große.
Kampfadler (Spizaëtus bellicosus). 1/6 natürl. Große.

[643] Levaillant glaubt, daß ein und derselbe Horst von dem Paare benutzt wird, so lange es lebt. Die zwei Eier sind etwa acht Centimeter lang, fast rund und reinweiß von Farbe. Während das Weibchen brütet, versorgt es das Männchen mit dem nothwendigen, und später jagt es für die ganze Familie, jedoch nur so lange, als die Jungen noch sehr klein sind; denn so bald sie größer werden, brauchen sie so viel zu ihrer Unterhaltung, daß die Alten kaum genug für sie erjagen können. Hottentotten versicherten Levaillant, daß sie zwei Monate von dem gelebt hätten, was sie zwei jungen Kampfadlern weggenommen. Bis die Jungen ausfliegen, sammeln sich auf und um den Horst Haufen von Knochen der verschiedensten Thiere.

Levaillant hielt einen Kampfadler längere Zeit in Gefangenschaft und beobachtete, daß derselbe sich mit Gier auf das ihm vorgeworfene Fleisch herabstürzte, dasselbe pfundweise verschlang und auch, wenn sein Kropf schon gefüllt war, niemals Nahrung zu nehmen verweigerte; unser Forscher erwähnt ferner, daß alles lebende nach dem Geschmacke des Räubers gewesen, daß dieser nicht einmal die Ueberreste eines anderen Kampfadlers, welche ihm vorgeworfen wurden, verschmäht habe. Ich halte diese Angabe nach eigenen Beobachtungen angefangenen Vögeln dieser Art für übertrieben. Mein Bruder hat einen meiner Pfleglinge geschildert, und ich kann das von ihm gesagte nur bestätigen. »Der gefangene Kampfadler«, schreibt er, »versteht es, jedermann zu fesseln; denn er ist wirklich ein höchst anziehendes Thier. Seine Wildheit scheint er ganz abgelegt zu haben. Er zeigt sich merkwürdig zahm und zutraulich, förmlich befreundet mit den Menschen, antwortet wenigstens auf jeden Anruf. Seine Stimme ist überraschend klangvoll und wohltönend, jedoch leise und weich, ganz im Gegensatze zu den anderen Adlern, deren Geschrei bekanntermaßen nicht eben wohllautend ist; so weit man sie wiedergeben kann, läßt sie sich durch die Silben ›Gliuk, gliuk‹ bezeichnen.

In der Regel sitzt der Vogel schlank und aufgerichtet wie andere Adler, pflegt aber seine Holle emporzusträuben. Sein Auge blitzt wohl kühn, doch nicht wild um sich; bekannte Personen schaut er sogar mit einem sanften Ausdrucke an. Mit der Hand vorgehaltene Nahrung erfaßt er mit dem Schnabel, ohne dabei seinen Wohlthäter zu verletzen. Betritt man seinen Käfig selbst und geht ihm rasch zu Leibe, so nimmt er eine Vertheidigungsstellung an, breitet die langen Flügel aus, erhebt einen seiner gefährlichen, starken Fänge und legt die Holle nieder, so daß sein Kopf ganz glatt erscheint. Auf der Erde steht er zwar auch, wie die Adler, in etwas wagerechter Stellung, doch immer noch aufgerichteter als diese. Da sein Behälter so groß ist, daß er nicht nur bequem seine Schwingen ausbreiten, sondern auch kleine Flugversuche machen kann, so sieht man ihn häufig die sitzende Stellung aufgeben, aus dem geschützten Raume des Käfigs hervorfliegen und die ziemlich hoch angebrachte Sitzstange aufsuchen. Für seine Nachbarn scheint er wenig Theilnahme zu zeigen, wogegen er alle vorübergehenden Leute sowie die in seiner Nähe befindlichen Hirsche mit großer Aufmerksamkeit betrachtet.«

Diesen Worten will ich noch hinzufügen, daß mein Pflegling bedeutende Kältegrade ertragen hat, wenn auch nicht ganz ohne Beschwerde. Während des strengen Winters saß er oft recht still auf seiner Stange, und zuweilen zitterte er vor Frost. Demungeachtet befand er sich im Freien entschieden wohler als in dem Warmhause, in welches er vorsichtshalber schließlich gebracht wurde.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 642-644.
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