Hartl-Mitius, Frau Philomena

[314] *Hartl-Mitius, Frau Philomena, München, Kanalstrasse 40, geboren in München am 14. April 1851 als die Tochter eines Regierungs-Beamten, Namens Waschmitius, wuchs sie mit noch 6 Geschwistern in überaus dürftigen Verhältnissen auf. Entbehrungen jeglicher Art drängten die Kleine mehr zum Lesen in stillen Winkeln des Hauses, als zu den Spielen der vom Schicksale bevorzugten Altersgenossinnen. Den Mahnungen des Vaters, unablässig zu lernen, zu ringen und eine Stellung in der Welt zu gründen, gehorchend, erfasste sie ein krankhafter Wissensdurst. Sie las viel und wahllos Romane und Wissenschaftliches. In jungen Kinderjahren citierte sie Schiller, Goethe, Byron und Lamartine, die beiden letzteren in der Originalsprache. Ihre weitere Ausbildung erhielt sie im Kloster der englischen Fräulein in Nymphenburg, wo sie einen halben Freitisch hatte. Im Kloster entstanden die ersten Gedichte und dort kam ihr auch der Gedanke, Schauspielerin zu werden. Geweckt wurde dieser durch die im Kloster üblich gewesenen Passionsspiele der Pensionärinnen. Nach langen Kämpfen erhielt sie zur Ausführung ihres Wunsches die Einwilligung der Eltern. Clara Ziegler und später Frau Bethmann waren ihre Lehrerinnen. Im Mai 1868 trat sie in München in dem damaligen Aktientheater zum erstenmale auf und gastierte von da ab, beziehungsweise war engagiert auf verschiedenen Bühnen u.a. in Stuttgart, Karlsruhe, Nürnberg. Die Glanzzeit ihrer Thätigkeit begann im Jahre 1872, als sie in den Verband des Theaters am Gärtnerplatz in München trat, dem sie fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen angehörte. Am 18. Mai 1876 vermählte sie sich einem Herrn Hartl, Direktor und Eigentümer des Plakatwesens in München. Von Karl Hallberger in Stuttgart hierzu aufgefordert, schrieb sie ihre erste Novelle »Blanche«, welcher »Ein Mädchen von der Bühne«, »Märchen für grosse Kinder« folgten. Auf persönliche Anregung des Königs Ludwig II, in dessen Kabinet sie eines Tages berufen wurde, versuchte sie ihr Talent auf dramatischem Gebiete. Sie wurde vom König aufgefordert, ein von ihm gegebenes Thema dramatisch zu bearbeiten. Das hierauf entstandene Drama »Der Verstossene« wurde auf der Privatbühne des Königs aufgeführt. Die ihr vom König zuerteilte Hauptrolle spielte sie selbst. Überreiche[314] Geschenke seitens des kunstsinnigen Königs drückten ihr seine besondere Zufriedenheit mit der Dramaturgin und der Darstellerin aus. Diesem geglückten Versuche folgten eine grosse Anzahl von im bayerischen Dialekt geschriebenen Volksstücken, wie: »Der Protzenbauer«, »Am Wendelstein«, »Annerl vom Grundlhof«, »Der goldene Boden«, »Unter falscher Flagge«, »Die Civilehe« und andere mehr. Auch das Libretto zu der Spieloper »Die Dorfschwalben« stammt aus ihrer Feder. Von ihren Romanen sind »Theatertypen«, »Odysseus im Salon«, »Durchs Standesamt« und »Sumpfherzblättchen« besonders bekannt.

‒ Durchs Standesamt. Eine lust. Geschichte aus den Bergen. 8. (191) Leipzig 1896, H. Haessel. n 3.–; geb. n 4.–

‒ Odysseus im Salon. Rom. 8. (339 mit 6 Portr.) Stuttgart 1890, Deutsche Verlagsanstalt. 5.–; geb. nn 6.50

‒ Dasselbe. Neue Ausgabe. 8. (339 m. 6 Bildn.) Ebda. 1894. 1.0; geb. 1.75

‒ Sumpfherzblättchen. Ein kleiner Rom. 8. (119) Berlin 1897, Schuster & Löffler n 1.–

‒ Theatertypen. 3 Bde. 2. Aufl. 8. Leipzig 1887, Reinboth. à n 2.–; kompl. in 1 Bde. n 5.–; geb. n 6.–

1. Am Hoftheater. (146).

2. Am Stadttheater. (145).

3. Bei fahrenden Komödianten. (178).

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 1. Berlin, 1898., S. 314-315.
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