Hillebrand, Frau Clara

[354] *Hillebrand, Frau Clara, Ps. Eva Ende, Brieg, Wagnerstr. 1, geboren am 14. Mai 1848 in Golembitz bei Lissa, Provinz Posen, als ältestes Kind des dortigen Lehrers Andreas Wende, genoss sie alle die Freiheiten, welche Kindern auf dem Lande zu teil werden können. Ihr Vater, ein hochgeschätzter Pädagoge, bemerkte den Wissensdurst seiner Ältesten mit Freude. Clara war etwa 10 Jahre alt, als sie das lateinische Pensum für Quarta spielend, nebenbei erlernt hatte. Sie las Webersche Weltgeschichte und etliche Reisebeschreibungen, die Shakespearschen Dramen und Lustspiele, die Schillerschen Werke in Prosa und Poesie. Von ihrer Mutter erbte sie die grosse Sangeslust, den Hang zum Dichten und das, was sie in wirtschaftlicher Beziehung geworden ist. Zwölf Jahre alt, verfasste sie ihr erstes Kindertheaterstück ohne Titel. Ihm folgten bald andere, welche sämtlich auf aus Wagenbrettern zusammengetzter Bühne, vor sämtlichen Hausgenossen und einigen geladenen Dorfbewohnern, zum Ergötzen derselben aufgeführt wurden. Nachdem sie während der nächstfolgenden Jahre im Elternhause durch eifriges Studium der Weltgeschichte, Geographie, Litteratur, Musik u.s.w. ihr Wissen vertieft, nebenbei der Mutter in der Hauswirtschaft und Pflege der jüngeren Geschwister behülflich gewesen, nahm sie, einem mächtigen inneren Drange folgend, gegen den Willen ihrer Eltern Stellung in der Familie eines Rittergutsbesitzers in Schlesien als Stütze der Hausfrau. Dort regte sie die überaus liebliche Landschaft zum Schreiben an und es entstanden einzelne Gedichte, welche später in verschiedenen Zeitschriften gedruckt worden sind. Am 24. Februar 1868 heiratete sie und kehrte in das Schulhaus in Pawlowitz bei Lissa, Provinz Posen, als Hausfrau und Gattin des Lehrers Emil Hillebrand ein. Sie zählte damals nicht ganz 20 Jahre, ihr Mann war 18 Jahre älter. Zwei Kinder sind dieser Ehe entsprossen. Die Schule, an welcher ihr Mann angestellt war, war eine dreiklassige, mit zwei Lehrern besetzte Elementarschule. Bei dem andauernden Mangel an Lehrkräften traten oft Vakanzen in der Besetzung der zweiten Lehrerstelle ein. Diese Vakanzen füllte sie mit Genehmigung der oberen Schulbehörde als Adjunkt ihres Mannes aus. Es sind mit Unterbrechungen 13 Jahre gewesen, die sie in dieser Eigenschaft auf dem Katheder der Pawlowitzer Schule zubrachte. Ihre Thätigkeit als Lehrerin lenkte ihre Gedanken und[354] ihren Wissensdrang in die pädagogischen Bahnen. Sie warf sich auf das Studium der Lehr- und Erziehungsbücher von Rousseau, Pestalozzi und Herbart und entwickelte später eigene Gedanken über Erziehung und Unterricht, welche sie in zahlreichen kürzeren und längeren Aufsätzen verarbeitete und in verschiedenen Zeitschriften und Lehrerzeitungen veröffentlichte. Diesen schlössen sich andere, hauswirtschaftliche und populär wissenschaftliche litterarische Arbeiten an, Feuilleton-Artikel und sentimentale Kleinigkeiten, die sie schrieb und in grösseren Zeitungen, so in der Frankfurter Zeitung, dem Breslauer Hausfreund, in den Deutschen Frauenblättern und der Cöpenicker Deutschen Frauenzeitung veröffentlichte. Im Jahre 1886 kam ihr als litterarische Neuheit des polnischen grössten Schriftstellers der Neuzeit – Henryk Sienkiewicz's – geschichtlicher Roman »Mit Feuer und Schwert« in die Hand, welches Werk sie übersetzte. Im Oktober des Jahres 1888 eröffnete sich ihr eine ganz neue Thätigkeit. Es wurde in ihrem Dorfe eine Postagentur errichtet, deren nomineller Vertreter ihr Mann war. Thatsächlich leitete und besorgte sie die von Jahr zu Jahr sich erweiternden Geschäfte der Agentur mit Hilfe ihrer Tochter. Sie lernten auch telegraphieren. Nach dem plötzlichen Tode ihres Mannes im März 1894 musste sie Pawlowitz verlassen und siedelte mit ihrer Tochter im Januar 1895 nach Brieg, Bezirk Breslau über. Ihre litterarische Thätigkeit wieder aufnehmend, übersetzte sie Sienkiewicz's grossartigen Roman »Die Sturmflut«. Im August vorigen Jahres begann »das Kleine Journal« in Berlin mit dem Abdruck ihrer Übersetzung.

‒ Mit Feuer und Schwert. Rom. in 4 Bdn. Aus dem Polnischen des H. Sienkiewicz übersetzt. 3. Ausg. in 2 Bdn. 8. (861) Berlin 1891 Rumbauer, n 3.–; geb. n 4.–

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 1. Berlin, 1898., S. 354-355.
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