I, 140. An Agni.

[143] In diesem Liede ist als Agni's Vater der Himmel, als seine Mutter die Erde dargestellt; seine Flammen werden als Rosse (Vers 4), oder Kühe (V. 6. 7), oder Jungfrauen, die bei seinem Aufflammen aus dem Tode erweckt werden (V. 8), geschildert.


1. Der am Altar auf lieber Stätte schön erglänzt,

dem Agni richt' ich zu den Schooss wie Labetrunk;[143]

Den lichten schmück' mit Liedern wie mit Kleidern ich,

der hell an Glanz auf Flammen fährt, das Dunkel schlägt.

2. Der zwiegeborne greift nach dreierlei Genuss,

im Lauf des Jahres wächst das aufgezehrte wieder neu;

129Mit anderm Mund und Zunge zehrt aufs neue er,

der edle Stier, der mächtige die Bäume auf.

3. Zu ihrem Sohne gehn erschreckt die Aeltern hin,

die mit ihm wohnen, die im Dunkel wallenden;

Zu ihm, der züngelnd sprüht, dem gierig eilenden,

dem gern man dient, der flackernd seinen Vater labt.

4. Dem menschengleichen Gotte werden angeschirrt

die flücht'gen Renner, die nach Freiheit trachtenden,

Die auseinanderstrebend schwarze Furchen ziehn,

die windschnell eilen raschen Laufes, raschen Flugs.

5. Dann steigen spielend seine sprüh'nden Flammen auf,

wenn schwarzes Graun und grosse Pracht er wechselnd schafft,

Wenn kräftig er die grosse Himmelsbahn durchstreicht,

wenn schnaufend, donnernd er und laut erdröhnend geht.

6. Der sich geschäftig über braune Hölzer neigt,

er eilet brüllend wie ein Bull den Kühen zu,

Und Kraft erweisend lässt er strahlen seinen Leib,

die Hörner schüttelnd wie ein furchtbar wilder Stier.

7. Die sich vereinen und zerstreuen, hält er fest,

vertraut auf die vertrauten legt er dauernd sich,

Sie wachsen wieder und erlangen Gotteskraft,

und andres Ansehn schaffen ihren Aeltern sie.

8. Die Jungfraun, die langhaar'gen, halten ihn umfasst,

die todten sind erstanden neu dem lebenden,

Ihr Alter lösend geht er brausend, zeugend nun

lebend'gen Odem, bessern, unbezwinglichen.

9. Und seiner Mutter Oberkleid beleckend rings

durchläuft die Flur er mit den starken, gierigen,

Kraft gebend dem, was Füsse hat, und leckend stets;

die Morgenröthe folget seinen Bahnen nach.

10. O Agni, leuchte unsern Opferherren hell,

und mächtig schnaufend wie ein Stier ans Haus gewöhnt,

Die samenreichenA1 niederlegend strahltest du

hellfunkelnd, wie ein Panzer in den Schlachten glänzt.

11. Dies schön beschaffne sei, o Agni, lieber dir

als schlechtes Opfer, ja auch als ein liebes Lied;

Was leuchtend dir von deinem Leibe hell erstrahlt,

mit dem gewähre du uns reiche Kostbarkeit.[144]

12. Gib, Agni, unserm Wagen, unserm Hause

das Schiff, das selbst sich rudert und beweget,

Das unsre Helden überfährt, die Fürsten

und alles Volk, und sichre Zuflucht bietet.

13. Du nimm, o Agni, freundlich unser Lied an,

und Erd' und Himmel und erfreut die Ströme;

Sie mögen wandernd Rind und Korn und Alter

die Morgenröthen Trunk und Schatz uns spenden.


Fußnoten

A1 Pflanzen.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 143-145.
Lizenz:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon