I, 124. An die Morgenröthe.[128] 118 119

1. Die Uschas leuchtend bei entflammtem Feuer,

die Sonn' im Aufgehn, breitet weit ihr Licht aus;

Gott Savitar hat uns erweckt zur Arbeit,

und Mensch und Thier, was Füsse hat, zum Gehen.

2. Verkürzend nie die Ordnungen der Götter,

doch kürzend stets der Menschen Lebensalter,

Als letzte der vergangnen und als erste

der kommenden erstrahlt die Morgenröthe.

3. Es lässt sich blicken diese Himmelstochter

im Osten, ganz in Lichtgewand gekleidet,

Sie schreitet stracks entlang den Pfad der Ordnung,

des Wegs bewusst verfehlt sie nicht die Richtung.

4. Ihr Busen zeigt sich wie der reinen Jungfrau,

als zarte Maid enthüllt sie ihre Reize;

Als Tischgenossin weckte sie die Schläfer,

als jüngste kam sie der sich stets erneu'nden.

5. Im Ost der dunst'gen Lüfte hat die Mutter

der Wolkenkühe ihren Schein verbreitet,

Und weiter, weiter wächst sie in die Breite,

und füllt den Schooss des Himmels und der Erde.

6. Die herrliche entzieht sich nicht dem Anblick,

nicht der verwandten, noch der unverwandten,

In makelloser Schönheit herrlich prangend

verbirgt ihr Licht sie hohen nicht, noch niedern.

7. Wie bruderlos gesellt sie sich den Männern,

besteigt des Wagens Sitz wie zur Erbeutung;

Wie schmucke, will'ge Gattin dem Gemahle

lässt Uschas lächelnd fallen die Gewänder.

8. Die SchwesterA1 räumt der edleren den Sitz ein,

und geht davon, sobald sie sie gewahr wird,

Und Uschas, leuchtend mit der Sonne Strahlen,

schmückt sich mit Schmuck, wie Scharen die zum Fest gehn.

9. Von allen diesen Schwestern folgt von jeher

die spätere dem Lauf der frühern täglich;

Die Jüngern wie die ältern Morgenröthen,

sie mögen reich uns schöne Tag' erschliessen.[128]

10. Erweck die Spender, reiche Morgenröthe,

die Geiz'gen mögen schlafen ohn' Erwachen,

Mit Reichthum strahle, reiche du, den Fürsten,

mit Gut dem Sänger, edle, ihn erlabend.

13. Gepriesen seid ihr preislichen mit Sprüchen,

ihr habt euch gern ergötzt, o Morgenröthen;

Göttinnen lasst durch eure Gunst erlangen

uns hundertfache, tausendfache Beute.

(11. 12. siehe Anhang.)


Fußnoten

A1 Die Nacht.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 128-129.
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