Das Siebener-Bruchstück

Uttarā (II)

[549] 175

»In Mörsern stampft man Reis zurecht,

Zerstößt das Korn in mildes Mehl:

Um Weib und Kinder sorgen sie,

Erwerben Geld, erwerben Gut.


176

Des Ordens Regel nehmt genau,

Daß keine Reue keimen mag;

Den Staub der Füße, wascht ihn ab,

Und setzt euch dann zur Seite still.


177

Das Herz, das müßt ihr meistern hier,

Und innig einen, fassen fest:

Erscheinung seht und Unterschied

Als Null und nicht als Eigen an.«


178

Ihr Wort, ich hab' es wohl gehört,

Der Paṭācārā Heilgebot:

Ich wusch mir ab der Füße Staub

Und einsam saß ich still beiseit.


179

Am Abend, um die Dämmerzeit,

Erkannt' ich Sein und Wiedersein;

Um Mitternacht ward himmlisch hell

Mein Antlitz, innen abgeklärt;


[550] 180

Und als der junge Tag erschien

War Nacht und Nebel fortgescheucht;

Drei Wissen weiß ich nun, getrost:

»Getan ist was getan du willst!


181

Den Dreiunddreißig Göttern gleich,

Die Sakko dienen weil er siegt,

Sieh' mich zu Füßen, die du führst,

Dreifach gewitzigt, ausgewähnt.«


Cālā

Cālā:


182

Als Nonne nüchtern, klar bewußt,

In hoher Tugend rein gereift,

Erspäht' ich Spuren ruhevoll,

Wo selig endet Unterschied.


Der Versucher:


183

Warum doch gehst du kahl und fahl,

Asketengleich verkleidet um:

Wenn andre glauben, glaubst du nicht?

Ach, sei doch nicht so düster, dumpf!


Cālā:


184

In andern Orden glaubt man gern:

Man glaubt und meint und meint und glaubt

Und weiß nicht was man wissen muß,

Und kennt nicht was man kennen soll.


[551] 185

Ersprossen ist ein Sakyersproß,

Ein Sieger, herrlich überall!

Der hat gewiesen Wahrheit mir

Gar köstlich, kein Vermuten mehr:


186

Das Leiden, was da Leiden wirkt,

Was Leiden überwinden läßt,

Den heil'gen achtgeteilten Pfad,

Der uns entführt aus Leiden weg.


187

Sein Wort, ich nahm es willig auf,

Die frohe Botschaft merkt' ich wohl;

Drei Wissen fand ich, unvertrübt:

Erfüllt ist was der Herr befiehlt.


188

Und alle Neigung ist vertilgt,

Und Nacht und Nebel durchgeteilt;

Ich raun' es dir, Verruchter, zu:

Zermalmt ist deine Todesmacht.


Upacālā

Upacālā:


189

Mit offnem Auge, wohl gewahr,

In hoher Tugend rein gereift,

Erspäht ich Spuren ruhevoll,

Wo kein Gemeiner wandeln mag.


[552] Der Versucher:


190

Warum nur liebst du Leben nicht?

Lebendig lebt man, liebt Genuß:

Genieße doch der Liebeslust,

Erspare späte Reue dir!


Upacālā:


191

Lebendig dient man um den Tod,

Lebendig büßt man Hand und Fuß,

Wird eingekerkert, aufgehenkt:

Lebendig kiest man Leid um Leid.


192

Ersprossen ist ein Sakyersproß,

Ein Sieger, herrlich offenbar!

Der hat gewiesen Wahrheit mir,

Wie Leben überwältigt wird:


193

Das Leiden, was da Leiden wirkt,

Was Leiden überwinden läßt,

Den heil'gen achtgeteilten Pfad,

Der uns entführt aus Leiden weg.


194

Sein Wort, ich nahm es willig auf,

Die frohe Botschaft merkt' ich wohl;

Drei Wissen fand ich, unvertrübt:

Erfüllt ist was der Herr befiehlt.


195

Und alle Neigung ist vertilgt,

Und Nacht und Nebel durchgeteilt:

Ich raun' es dir, Verruchter, zu:

Zermalmt ist deine Todesmacht.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 549-553.
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