b. Der praktische Geist
§ 469

[288] Der Geist als Wille weiß sich als sich in sich beschließend und sich aus sich erfüllend. Dies erfüllte Fürsichsein oder Einzelheit macht die Seite der Existenz oder Realität von der Idee des Geistes aus; als Wille tritt der Geist in Wirklichkeit, als Wissen ist er in dem Boden der Allgemeinheit des Begriffs. – Als sich selbst den Inhalt gebend, ist der Wille bei sich, frei überhaupt; dies ist sein bestimmter Begriff. – Seine Endlichkeit besteht in dessen Formalismus, daß sein durch sich Erfülltsein die abstrakte Bestimmtheit, die seinige überhaupt, mit der entwickelten Vernunft nicht identifiziert ist. Die Bestimmung des an sich seienden Willens ist, die Freiheit in dem formellen Willen zur Existenz zu bringen, und damit der Zwecks des letzteren, sich mit seinem Begriffe zu erfüllen, d.i. die Freiheit zu seiner Bestimmtheit, zu seinem Inhalte und Zwecke wie zu seinem Dasein zu machen. Dieser Begriff, die Freiheit, ist wesentlich nur als Denken; der Weg des Willens, sich zum objektiven Geiste zu machen, ist, sich zum denkenden Willen zu erheben, – sich den Inhalt zu geben, den er nur als sich denkender haben kann.

Die wahre Freiheit ist als Sittlichkeit dies, daß der Wille nicht subjektive[n], d.i. eigensüchtige[n], sondern allgemeinen Inhalt zu seinen Zwecken hat; solcher Inhalt ist[288] aber nur im Denken und durchs Denken; es ist nichts geringeres als absurd, aus der Sittlichkeit, Religiosität, Rechtlichkeit usf. das Denken ausschließen zu wollen.


§ 470

[289] Der praktische Geist enthält zunächst als formeller oder unmittelbarer Wille ein gedoppeltes Sollen, 1. in dem Gegensatze der aus ihm gesetzten Bestimmtheit gegen das damit wieder eintretende unmittelbare Bestimmtsein, gegen sein Dasein und Zustand, was im Bewußtsein sich zugleich zum Verhältnisse gegen äußere Objekte entwickelt. 2. Jene erste Selbstbestimmung ist als selbst unmittelbare zunächst nicht in die Allgemeinheit des Denkens erhoben, welche daher an sich das Sollen gegen jene sowohl der Form nach ausmacht, als dem Inhalte nach ausmachen kann; – ein Gegensatz, der zunächst nur für uns ist.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 10, Frankfurt a. M. 1979, S. 288-290.
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