γ). Das Denken
§ 465

[283] Die Intelligenz ist wiedererkennend; – sie erkennt eine Anschauung, insofern diese schon die ihrige ist (§ 454); ferner im Namen die Sache (§ 462); nun aber ist für sie ihr Allgemeines in der gedoppelten Bedeutung des Allgemeinen als solchen und desselben als Unmittelbaren oder Seienden, somit als das wahrhafte Allgemeine, welches die übergreifende Einheit seiner selbst über sein Anderes, das Sein, ist. So ist die Intelligenz für sich an ihr selbst erkennend; – an ihr selbst das Allgemeine; ihr Produkt, der Gedanke ist die Sache; einfache Identität des Subjektiven und Objektiven. Sie weiß, daß, was gedacht ist, ist; und daß, was ist, nur ist, insofern es Gedanke ist (vgl. § 5, 21); – für sich; das Denken der Intelligenz ist Gedanken haben; sie sind als ihr Inhalt und Gegenstand.
[283]


§ 466

Das denkende Erkennen ist aber gleichfalls zunächst formell, die Allgemeinheit und ihr Sein ist die einfache Subjektivität der Intelligenz. Die Gedanken sind so nicht als an und für sich bestimmt und die zum Denken erinnerten Vorstellungen insofern noch der gegebene Inhalt.


§ 467

[284] An diesem Inhalte ist es 1. formell identischer Verstand, welcher die erinnerten Vorstellungen zu Gattungen, Arten, Gesetzen, Kräften usf., überhaupt zu den Kategorien verarbeitet, in dem Sinne, daß der Stoff erst in diesen Denkformen die Wahrheit seines Seins habe. Als in sich unendliche Negativität ist das Denken 2. wesentlich Diremtion, – Urteil, das den Begriff jedoch nicht mehr in den vorigen Gegensatz von Allgemeinheit und Sein auflöst, sondern nach den eigentümlichen Zusammenhängendes Begriffs unterscheidet, und 3. hebt das Denken die Formbestimmung auf und setzt zugleich die Identität der Unterschiede; – formelle Vernunft, schließender Verstand. – Die Intelligenz erkennt als denkend; und zwar erklärt 1. der Verstand das Einzelne aus seinen Allgemeinheiten (den Kategorien), so heißt er sich begreifend; 2. erklärt er dasselbe für ein Allgemeines (Gattung, Art), im Urteil; in diesen Formen erscheint der Inhalt als gegeben; 3. im Schlüsse aber bestimmt er aus sich Inhalt, indem er jenen Formunterschied aufhebt. In der Einsicht in die Notwendigkeit ist die letzte Unmittelbarkeit, die dem formellen Denken noch anhängt, verschwunden.

In der Logik ist das Denken, wie es erst an sich ist und sich die Vernunft in diesem gegensatzlosen Elemente entwickelt. Im Bewußtsein kommt es gleichfalls als eine Stufe vor (s. § 437 Anm.). Hier ist die Vernunft als die Wahrheit des Gegensatzes, wie er sich innerhalb des Geistes selbst bestimmt hatte. – Das Denken tritt in diesen verschiedenen Teilen der Wissenschaft deswegen immer wieder hervor, weil diese Teile nur durch das Element und die Form des Gegensatzes verschieden, das Denken aber dieses eine und dasselbe Zentrum ist, in welches als in ihre Wahrheit die Gegensätze zurückgehen.
[285]


§ 468

Die Intelligenz, die als theoretische sich die unmittelbare Bestimmtheit aneignet, ist nach vollendeter Besitznahme nun in ihrem Eigentume; durch die letzte Negation der Unmittelbarkeit ist an sich gesetzt, daß für sie der Inhalt durch sie bestimmt ist. Das Denken, als der freie Begriff, ist nun auch dem Inhalte nach frei. Die Intelligenz, sich wissend als das Bestimmende des Inhalts, der ebenso der ihrige, als er als seiend bestimmt ist, ist Wille.[287]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 10, Frankfurt a. M. 1979, S. 283-288.
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