3. Geld

[101] Geld im Unterschied von Münze, das Resultat des Zirkulationsprozesses in der Form W – G – W, bildet den Ausgangspunkt des Zirkulationsprozesses in der Form G – W – G, d.h. Geld gegen Ware austauschen, um Ware gegen Geld auszutauschen. In der Form W – G – W bildet die Ware, in der Form G – W – G bildet das Geld den Ausgangspunkt und den Endpunkt der Bewegung. In der ersten Form vermittelt das Geld den Warenaustausch, in der letztem vermittelt die Ware das Werden des Geldes zu Geld. Das Geld, das in der ersten Form als bloßes Mittel, erscheint in der letztem als Endzweck der Zirkulation, während die Ware, die in der ersten Form als Endzweck, in der zweiten als bloßes Mittel erscheint. Da das Geld selbst schon Resultat der Zirkulation W – G – W, erscheint in der Form G – W – G das Resultat der Zirkulation zugleich als ihr Ausgangspunkt. Während in W – G – W der Stoffwechsel, bildet das aus diesem ersten Prozeß hervorgegangene Formdasein der Ware selbst den wirklichen Inhalt des zweiten Prozesses G – W – G.

In der Form W – G – W sind beide Extreme Waren von derselben Wertgröße, aber zugleich qualitativ verschiedene Gebrauchswerte. Ihr Austausch W – W ist wirklicher Stoffwechsel. In der Form G – W – G dagegen sind beide Extreme Gold und zugleich Gold von derselben Wertgröße. Gold gegen Ware austauschen, um Ware gegen Gold auszutauschen, oder wenn wir das Resultat G – G betrachten, Gold gegen Gold austauschen, scheint abgeschmackt. Übersetzt man aber G – W – G in die Formel: Kaufen um zu Verkaufen, was nichts heißt als durch eine vermittelnde Bewegung Gold gegen Gold austauschen, so erkennt man sofort die herrschende Form der bürgerlichen Produktion. In der Praxis wird jedoch nicht gekauft, um zu verkaufen, sondern wohlfeil gekauft, um teurer zu verkaufen. Geld wird gegen Ware[101] ausgetauscht, um dieselbe Ware wieder gegen größere Quantität Geld auszutauschen, so daß die Extreme G, G, wenn nicht qualitativ, so quantitativ verschieden sind. Solch ein quantitativer Unterschied setzt den Austausch von Nichtäquivalenten voraus, während Ware und Geld als solche nur gegensätzliche Formen der Ware selbst sind, also verschiedene Existenzweisen derselben Wertgröße. Der Kreislauf G – W – G birgt also unter den Formen Geld und Ware weiterentwickelte Produktionsverhältnisse und ist innerhalb der einfachen Zirkulation nur Reflex einer höheren Bewegung. Wir haben daher Geld im Unterschied von Zirkulationsmittel aus der unmittelbaren Form der Warenzirkulation W – G – W zu entwickeln.

Gold, d.h. die spezifische Ware, die als Maß der Werte und als Zirkulationsmittel dient, wird ohne weiteres Zutun der Gesellschaft Geld. In England, wo Silber weder Maß der Werte noch herrschendes Zirkulationsmittel ist, wird es nicht Geld, ganz wie Gold in Holland, sobald es als Wertmaß entthront wurde, aufhörte, Geld zu sein. Eine Ware wird also zunächst Geld als Einheit von Wertmaß und Zirkulationsmittel, oder die Einheit von Wertmaß und Zirkulationsmittel ist Geld. Als solche Einheit besitzt das Gold aber wieder selbständige und von seinem Dasein in beiden Funktionen unterschiedene Existenz. Als Maß der Werte ist es nur ideelles Geld und ideelles Gold; als bloßes Zirkulationsmittel ist es symbolisches Geld und symbolisches Gold; aber in seiner einfachen metallischen Leibhaftigkeit ist Gold Geld oder Geld wirkliches Gold.

Betrachten wir nun einen Augenblick die ruhende Ware Gold, die Geld ist, in ihrem Verhältnis zu den andern Waren. Alle Waren stellen in ihren Preisen eine bestimmte Summe Gold vor, sind also nur vorgestelltes Gold oder vorgestelltes Geld, Repräsentanten des Goldes, wie umgekehrt im Wertzeichen das Geld als bloßer Repräsentant der Warenpreise erschien.85 Da alle Waren so nur vorgestelltes Geld sind, ist das Geld die einzig wirkliche Ware. Im Gegensatz zu den Waren, die das selbständige Dasein des Tauschwerts, der allgemeinen gesellschaftlichen Arbeit, des abstrakten Reichtums, nur vorstellen, ist Gold das materielle Dasein des abstrakten Reichtums. Nach der Seite des Gebrauchswerts drückt jede Ware nur ein Moment des stofflichen Reichtums aus durch ihre Beziehung auf ein besonderes Bedürfnis, eine nur vereinzelte Seite des Reichtums. Das Geld aber befriedigt jedes Bedürfnis, sofern es in den Gegenstand jedes Bedürfnisses unmittelbar umsetzbar ist.[102] Sein eigener Gebrauchswert ist realisiert in der unendlichen Reihe der Gebrauchswerte, die sein Äquivalent bilden. In seiner gediegenen Metallität enthält es allen stofflichen Reichtum unaufgeschlossen, der in der Welt der Waren entrollt ist. Wenn also die Waren in ihren Preisen das allgemeine Äquivalent oder den abstrakten Reichtum, Gold, repräsentieren, repräsentiert das Gold in seinem Gebrauchswert die Gebrauchswerte aller Waren. Gold ist daher der materielle Repräsentant des stofflichen Reichtums. Es ist der »précis de toutes les choses« (Boisguillebert), das Kompendium des gesellschaftlichen Reichtums. Es ist zugleich der Form nach die unmittelbare Inkarnation der allgemeinen Arbeit und dem Inhalt nach der Inbegriff aller realen Arbeiten. Es ist der allgemeine Reichtum als Individuum.86 In seiner Gestalt als Mittler der Zirkulation erlitt es allerlei Unbill, wurde beschnitten und sogar zum bloß symbolischen Papierlappen verflacht. Als Geld wird ihm seine goldene Herrlichkeit zurückgegeben. Aus dem Knecht wird es der Herr87. Aus dem bloßen Handlanger wird es zum Gott der Waren.88[103]

85

»Es sind nicht nur die edeln Metalle Zeichen der Dinge...; sondern abwechselnd sind die Dinge... Zeichen für Gold und Silber.« (A. Genovesi, »Lezioni di Economia Civile« (1765), p. 281 in Custodi, Parte Moderna, t. VIII.)

86

Petty: Gold und Silber sind »universal wealth«. »Political Arithmetic«, l.c. p. 242.

87

E. Misselden, »Free Trade or the Means to make Trade florish etc.«, London 1622. »Die natürliche Materie des Handels ist die merchandize: which merchants from the end of trade have stiled commodities. Die künstliche Materie des Handels ist Geld, welches den Titel erhalten hat of sinewes of warre and of state. Geld, obgleich es in Natur und Zeit nach der merchandize kommt, yet for as much as it is now in use has become the chiefe.« (p. 7.) Er vergleicht Ware und Geld »den beiden Söhnen des alten Jakob, der seine rechte Hand auf den jüngern und die linke auf den ältern legte«. (l. c.)

Boisguillebert, »Dissertation sur la nature des richesse etc.«, l. c. »Hier ist also der Sklave des Handels sein Herr geworden... Das Elend der Völker kommt nur daher, daß man einen Herren oder vielmehr einen Tyrannen aus dem gemacht hat, der ein Sklave war.« (p. 395, 399.)

88

Boisguillebert, l. c. »Man hat ein Idol aus diesen Metallen (Gold und Silber) gemacht, und indem man nunmehr den Zweck und die Absicht aufgab, warum man sie in den Handel gerufen hatte, nämlich um hier als Unterpfand in Tausch und wechselseitiger Übergabe zu dienen, hat man sie fast von diesem Dienst befreit, um sie zu Gottheiten zu machen, denen man mehr Güter und wichtige Bedürfnisse und sogar Menschen hat und immer noch opfert, als jemals das blinde Altertum seinen falschen Göttern geopfert hat etc.« (l.c. p. 395.)

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1961, Band 13, S. 101-104.
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