c) Weltgeld

[125] Gold wird Geld im Unterschied von Münze, erst indem es sich als Schatz aus der Zirkulation zurückzieht, dann als Nichtzirkulationsmittel in sie eintritt, endlich aber die Schranken der innern Zirkulation durchbricht, um als allgemeines Äquivalent in der Welt der Waren zu funktionieren. So wird es Weltgeld.

Wie die allgemeinen Gewichtsmaße der edeln Metalle als ursprüngliche Wertmaße dienten, werden innerhalb des Weltmarkts die Rechennamen des Geldes wieder in die entsprechenden Gewichtnamen verwandelt. Wie das formlose Rohmetall (aes rude) die ursprüngliche Form des Zirkulationsmittels und die Münzform ursprünglich selbst nur offizielles Zeichen des in den Metallstücken enthaltenen Gewichts war, so streift das edle Metall als Weltmünze Figur und Gepräge wieder ab und fällt in die gleichgültige Barrenform zurück, oder wenn nationale Münzen, wie russische Imperialen, mexikanische Taler und englische Sovereigns im Ausland zirkulieren, wird ihr Titel gleichgültig und gilt nur ihr Gehalt. Als internationales Geld endlich vollziehn die edeln Metalle wieder ihre ursprüngliche Funktion als Tauschmittel, die, wie der Warenaustausch selbst, nicht im Innern der naturwüchsigen Gemeinwesen, sondern an den Berührungspunkten verschiedner Gemeinwesen entsprang. Als Weltgeld erhält also das Geld seine naturwüchsig erste Form zurück. Indem es die innere Zirkulation verläßt, streift es die besondern Formen wieder ab, die aus der Entwicklung des Austauschprozesses innerhalb jener besondern Sphäre hervorwuchsen, seine Lokalformen als Maßstab der Preise, Münze, Scheidemünze und Wertzeichen.

Wir sahen, daß in der innern Zirkulation eines Landes nur eine Ware als Maß der Werte dient. Da aber in dem einen Lande Gold, in dem andern Silber diese Funktion verrichtet, gilt auf dem Weltmarkt ein doppeltes Maß der Werte und verdoppelt das Geld seine Existenz auch in allen andern Funktionen. Die Übersetzung der Warenwerte aus Goldpreisen in Silberpreise und umgekehrt wird jedesmal bestimmt durch den relativen Wert beider Metalle, der beständig wechselt und dessen Festsetzung daher als beständiger Prozeß erscheint. Die Wareninhaber jeder innern Zirkulationssphäre sind gezwungen, Gold und Silber abwechselnd für die auswärtige Zirkulation zu gebrauchen und so das Metall, das im Inland als Geld gilt, gegen das Metall auszutauschen, das sie gerade im Ausland als Geld brauchen. Jede Nation wendet also beide Metalle, Gold und Silber, als Weltgeld an.

In der internationalen Warenzirkulation erscheinen Gold und Silber nicht als Zirkulationsmittel, sondern als allgemeine Tauschmittel. Das allgemeine[125] Tauschmittel funktioniert aber nur in den beiden entwickelten Formen des Kaufmittels und des Zahlungsmittels, deren Verhältnis sich Jedoch auf dem Weltmarkt umkehrt. In der Sphäre der innern Zirkulation wirkte das Geld, soweit es Münze war, den Mittler der prozessierenden Einheit W – G – W oder die nur verschwindende Form des Tauschwerts im unaufhörlichen Stellenwechsel der Waren darstellte, ausschließlich als Kaufmittel. Auf dem Weltmarkt umgekehrt. Gold und Silber erscheinen hier als Kaufmittel, wenn der Stoffwechsel nur einseitig ist und daher Kauf und Verkauf auseinanderfallen. Der Grenzhandel zu Kiachta z.B. ist tatsächlich und durch Vertrag Tauschhandel, worin Silber nur Wertmaß. Der Krieg von 1857-1858 bestimmte die Chinesen, zu verkaufen, ohne zu kaufen. Nun erschien Silber plötzlich als Kaufmittel. Aus Rücksicht auf den Wortlaut des Vertrags verarbeiteten die Russen französische Fünffrankenstücke in rohe Silberwaren, die als Tauschmittel dienten. Silber funktioniert fortwährend als Kaufmittel zwischen Europa und Amerika auf der einen Seite, Asien auf der andern, wo es sich als Schatz niederschlägt. Ferner funktionieren die edeln Metalle als internationale Kaufmittel, sobald das herkömmliche Gleichgewicht des Stoffwechsels zwischen zwei Nationen plötzlich unterbrochen wird, Mißernte z.B. die eine derselben in außerordentlichem Maß zu kaufen zwingt. Endlich sind die edlen Metalle internationales Kaufmittel in der Hand der Gold und Silber produzierenden Länder, wo sie unmittelbares Produkt und Ware, nicht die verwandelte Form der Ware sind. Je mehr der Warenaustausch zwischen verschiedenen nationalen Zirkulationssphären sich entwickelt, entwickelt sich die Funktion des Weltgeldes als Zahlungsmittel zur Ausgleichung der internationalen Bilanzen.

Wie die innere Zirkulation, so erheischt die internationale Zirkulation eine stets wechselnde Quantität von Gold und Silber. Ein Teil der aufgehäuften Schätze dient daher bei jedem Volk als Reservefonds des Weltgeldes, der sich bald entleert, bald wieder füllt, entsprechend den Oszillationen des Warenaustausches.109 Außer den besondern Bewegungen, worin es zwischen den nationalenA6 Zirkulationssphären hin und her läuft, besitzt das Weltgeld eine allgemeine Bewegung, deren Ausgangspunkte an den[126] Produktionsquellen liegen, von denen aus Gold- und Silberströme sich in verschiedener Richtung über den Weltmarkt wälzen. Als Waren treten Gold und Silber hier in die Weltzirkulation und sind als Äquivalente im Verhältnis zu der in ihnen enthaltenen Arbeitszeit gegen Warenäquivalente ausgetauscht, bevor sie in die innern Zirkulationssphären fallen. In denselben erscheinen sie daher mit gegebener Wertgröße. Jedes Fallen oder Steigen im Wechsel ihrer Produktionskosten affiziert daher gleichmäßig auf dem Weltmarkt ihren relativen Wert, der dagegen durchaus unabhängig ist von dem Grad, worin verschiedne nationale Zirkulationssphären Gold oder Silber verschlucken. Der Teil des Metallstroms, der von jeder besondern Sphäre der Warenwelt aufgefangen wird, geht teils unmittelbar in den innern Geldumlauf ein, zum Ersatz der verschlißnen Metallmünzen, wird teils abgedämmt in den verschiednen Schatzreservoirs von Münze, Zahlungsmittel und Weltgeld, teils verwandelt in Luxusartikel, während der Rest endlich Schatz schlechthin wird. Auf entwickelter Stufe der bürgerlichen Produktion wird die Bildung der Schätze auf das Minimum beschränkt, das die verschiednen Prozesse der Zirkulation zum freien Spiel ihres Mechanismus erheischen. Schatz als solcher wird hier nur der brachliegende Reichtum – wenn nicht augenblickliche Form eines Überschusses in der Bilanz der Zahlungen, das Resultat unterbrochnen Stoffwechsels und darum Erstarrung der Ware in ihrer ersten Metamorphose.

Wie Gold und Silber als Geld ihrem Begriff nach die allgemeine Ware sind, so erhalten sie im Weltgeld die entsprechende Existenzform der universellen Ware. Im Verhältnis wie alle Produkte sich gegen sie veräußern, werden sie die verwandelte Gestalt aller Waren und daher die allseitig veräußerliche Ware. Als Materiatur der allgemeinen Arbeitszeit werden sie verwirklicht, im Maße wie der Stoffwechsel der realen Arbeiten den Erdboden umspannt. Sie werden allgemeines Äquivalent in dem Grad, worin sich die Reihe der besondern Äquivalente entwickelt, die ihre Austauschsphäre bilden. Weil in der Weltzirkulation die Waren ihren eignen Tauschwert universell entfalten, erscheint dessen in Gold und Silber verwandelte Gestalt als Weltgeld. Während also die Nationen von Warenbesitzern durch ihre allseitige Industrie und allgemeinen Verkehr Gold zu adäquatem Geld umschaffen, erscheinen ihnen Industrie und Verkehr nur als Mittel, um das Geld in der Form von Gold und Silber dem Weltmarkt zu entziehn. Gold und Silber als Weltgeld sind daher ebensowohl Produkt der allgemeinen Warenzirkulation wie Mittel, ihre Kreise weiter zu ziehn. Wie hinter dem Rücken der Alchimisten, indem sie Gold machen wollten, die Chemie erwuchs, so springen hinter dem Rücken der Warenbesitzer, indem sie der Ware in ihrer verzauberten[127] Gestalt nachjagen, die Quellen der Weltindustrie und des Welthandels auf. Gold und Silber helfen den Weltmarkt schaffen, indem sie in ihrem Geldbegriff sein Dasein antizipieren. Daß diese ihre Zauberwirkung keineswegs auf die Kinderjahre der bürgerlichen Gesellschaft beschränkt ist, sondern notwendig hervorwächst aus der Verkehrung, worin den Trägern der Warenwelt ihre eigne gesellschaftliche Arbeit erscheint, beweist der außerordentliche Einfluß, den die Entdeckung neuer Goldländer in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Weltverkehr ausübt.

Wie sich das Geld zum Weltgeld, entwickelt sich der Warenbesitzer zum Kosmopoliten. Die kosmopolitische Beziehung der Menschen zueinander ist ursprünglich nur ihr Verhältnis als Warenbesitzer. Die Ware ist an und für sich über jede religiöse, politische, nationale und sprachliche Schranke erhaben. Ihre allgemeine Sprache ist der Preis und ihr Gemeinwesen ist das Geld. Aber mit der Entwicklung des Weltgeldes im Gegensatz zur Landesmünze entwickelt sich der Kosmopolitismus des Warenbesitzers als Glaube der praktischen Vernunft im Gegensatz zu angestammten religiösen, nationalen und andern Vorurteilen, die den Stoffwechsel der Menschheit hemmen. Wie dasselbe Gold, das in der Form amerikanischer eagles in England landet, zum Sovereign wird, nach drei Tagen in Paris als Napoleon umläuft, nach einigen Wochen sich in Venedig als Dukate wiederfindet, aber stets denselben Wert behält, wird dem Warenbesitzer klar, daß die Nationalität »is but the guinea's stamp«. Die erhabene Idee, worin ihm die ganze Welt aufgeht, ist die eines Marktes – des Weltmarkts110

109

»Das angehäufte Geld kommt zu der Summe hinzu, die, um wirklich in Zirkulation zu sein und um den Möglichkeiten des Handels zu genügen, sich entfernt und die Sphäre der Zirkulation selbst verläßt.« (G. R. Carli, Note zu Verri, »Meditazioni sulla Economia Politica«, p. 192, t. XV bei Custodi l. c.)

A6

Im Handexemplar korrigiert; (1859) internationalen

110

Montanari, »Della Moneta« (1683), l.c. p. 40: »Die Verbindung zwischen allen Völkern ist derart über den ganzen Erdball ausgedehnt, daß man beinahe sagen kann, die ganze Welt sei eine einzige Stadt geworden, in der ständiger Jahrmarkt aller Waren herrscht und jedermann, in seinem Hause sitzend, vermittels des Geldes sich verschaffen und genießen kann von all dem, was die Erde, die Tiere und der menschliche Fleiß anderswo hervorgebracht haben. Eine wunderbare Erfindung.«

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1961, Band 13, S. 125-128.
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