§ 20. Gott und Welt.

[196] Die eigentümliche Spannung zwischen metaphysischen Monismus und ethisch-religiösem Dualismus, welche als Erweiterung des stoischen Problems (vgl. §16) der gesamten alexandrinischen Philosophie ihren Charakter bestimmt, drängt die ganzen Gedanken der Zeit zu dem verdichtetsten und schwersten Probleme, demjenigen des Verhältnisses von Gott und Welt zusammen.

1. Schon von der rein theoretischen Seite her war dies Problem durch den Gegensatz der aristotelischen und der stoischen Philosophie nahe gelegt: Jene behauptete ebenso stark die Transzendenz Gottes, d.h. seine völlige Trennung von der Welt, wie diese die Immanenz, d.h. das völlige Aufgehen Gottes in die Welt. Deshalb ist das Problem und die Grundrichtung seiner Lösung bereits in der eklektischen Vermischung492 peripatetischer und stoischer Kosmologie zu erkennen, als deren Typus die pseudo-aristotelische Schrift »über die Welt« angesehen wird493. Mit der aristotelischen Lehre, daß das Wesen Gottes weit über die Natur (als den Inbegriff der bewegten Einzeldinge) und besonders über den Wechsel des irdischen Daseins hinausgesetzt werden müsse, verbindet sich hier das stoische Bestreben, Gottes Kraftwirkung durch das ganze Universum hindurch bis in alles einzelne hinein zu verfolgen. Bei den Stoikern galt die Welt selbst als Gott; Aristoteles sah in ihr ein zweckvoll bewegtes Lebewesen, dessen äußerste Sphäre nur von der Sehnsucht nach der ewig unbewegten reinen Form in den Umschwung versetzt werde, welcher sich dann mit immer geringerer Vollkommenheit den niederen Sphären mitteile: in diesem Buche dagegen, wo sich beide Lehren vereinigen, erscheint der Makrokosmos als das in sich sympathische System der Einzeldinge, worin die Kraft des an sich überweltlichen Gottes unter den verschiedensten Gestalten als das Prinzip des Lebens waltet. Die Vermittlung zwischen Theismus und Pantheismus wird teils durch die Unterscheidung zwischen Wesen und Kraft Gottes, teils durch die Stufenfolge der göttlichen Wirkungen gewonnen, welche vom Fixsternhimmel bis zur Erde herabsteigt. Die Pneumalehre verbindet sich mit dem aristotelischen Gottesbegriffe, indem die Kräfte des Naturlebens als die Wirkungen des reinen Geistes aufgefaßt werden494.

Durch diese Wendung aber wurde nur die Schwierigkeit vermehrt, die schon in der aristotelischen Lehre von der Wirkung der Gottheit auf die Welt steckte: denn mit der reinen Geistigkeit, welche das Wesen Gottes ausmachen sollte, war die Materialisierung seiner Wirkung – und diese sollte[196] eben gerade in der Bewegung der Materie bestehen – schwer zu vereinbaren, und auch Aristoteles hatte das Verhältnis des unbewegt Bewegenden zu dem Bewegten (vgl. § 13, 5) nicht zu voller Klarheit gebracht495.

2. Eine weitere Verschärfung erfuhr das Problem mit derjenigen des religiösen Dualismus, welcher, nicht zufrieden, Gott als Geist der Materie, die übersinnliche Sphäre der sinnlichen gegenüberzustellen, vielmehr die Tendenz verfolgte, das göttliche Wesen über alles Erfahrbare und über jeden bestimmten Inhalt hinaus zu potenzieren und damit den überweltlichen auch zu einem übergeistigen Gott zu machen. Man findet dies schon bei den Neupythagoreern, bei denen sich das Schwanken zwischen den verschiedenen Stadien des Dualismus hinter der zahlen-symbolischen Ausdrucksweise versteckt. Wenn da als Prinzipien die »Eins« und die »unbestimmte Zweiheit« behauptet werden, so bedeutet die letztere freilich immer die Materie als das Unreine, als den Grund des Unvollkommenen und des Bösen; die Eins aber wird bald als die reine Form, als Geist, bald aber auch als die über alle Vernunft hinausliegende »Ursache der Ursachen« behandelt, als das Urwesen, welches den Gegensatz jener abgeleiteten Eins und der Zweiheit, des Geistes und der Materie, erst aus sich habe hervorgehen lassen: in diesem Falle erscheint die zweite Eins, das erstgeborene Eine (prôtogonon hen), als das vollkommene Abbild, aber doch eben nur als Abbild der höchsten Eins496.

Dies Bestreben führte nun dazu, indem der Geist erst zu einem Erzeugnis, wenn auch dem ersten und vollkommensten, der Gottheit gemacht wurde, den BegriffderletzterenselbstzuvollständigerQualitätslosigkeitzusteigern. Das zeigt sich schon bei Philon, der den Gegensatz zwischen allem Endlichen und Gott so scharf hervorhob, daß er diesen ausdrücklich497 als eigenschaftslos (apoios) bezeichnet: denn da Gott über alles erhaben sei, so könne von ihm immer nur gesagt werden, daß er alle menschlicher Einsicht bekannten endlichen Prädikate nicht habe: ihn nennt kein Name. Diese (später so genannte) »negative Theologie« finden wir auch bei den in ihren Begriffen von Philon beeinflußten Apologeten des Christentums, besonders bei Justin498, und ebenso zum Teil bei den Gnostikern.

Dieselbe begegnet uns aber, in womöglich noch gesteigerter Form, auch im Neuplatonismus. Wie schon in den hermetischen Schriften499 Gott als unendlich und unbegreiflich, als namenlos, als der über alles Sein erhabene Grund des Seins und der Vernunft, der diese erst erzeugt, betrachtet worden war, so ist auch für Plotin die Gottheit das absolut transzendente Urwesen, als vollkommene Einheit noch erhaben über den Geist, der als das Prinzip, welches die Vielheit bereits in der Einheit enthält (§ 19, 4), aus Gott erst hervorgegangen sein kann. Dies Eine, to hen, geht allem Denken und Sein vorher, es[197] ist unendlich, gestaltlos, und »jenseits« (epekeina) der geistigen ebenso wie der sinnlichen Welt, darum auch ohne Bewußtsein und ohne Tätigkeit500.

Hatte endlich Plotin dann doch dies unaussagbare Erste (to prôton) noch als das Eine, welches allen Denkens und allen Seins Ursache sei, und als das Gute, als den absoluten Zweck alles Geschehens bezeichnet, so genügte den Späteren auch dies noch nicht: Jamblichos setzte über das plotinische hen noch wieder ein höheres, völlig unaussprechliches Eins (pantê arrhêtos archê)501, und Proklos folgte ihm darin nach.

In diesem Zusammenhange erfuhr nun der Begriff des Unendlichen eine völlige und höchst bedeutsame Umwertung502. Dem auf Maß und Bestimmtheit gerichteten Geiste der Griechen hatte das Unendliche ursprünglich als das Unfertige, Unvollkommene gegolten, und nur ungern hatte sich503 die Metaphysik mit Berücksichtigung der Unendlichkeit von Raum und Zeit dazu verstanden, dem Unendlichen eine zweite sekundäre Art von Wirklichkeit zuzuschreiben (Pythagoreer, Atomisten, Platon). Jetzt aber war Unendlichkeit504 das einzige Prädikat geworden, das, den endlichen Dingen der Welt gegenüber, der höchsten Realität oder der Gottheit zugeschrieben werden durfte: auch die »negative« Theologie konnte diesen Ausdruck gestatten; unendlich mußte die göttliche Urkraft heißen, welche in der stoisch-neupythagoreischen Naturphilosophie als das die Welt mit seinen Wirkungen durchwaltende Wesen betrachtet wurde – unendlich das »Eine«, aus dem der Neuplatonismus die Fülle der Weltgestalten aus- und überquellen ließ – unendlich, weil aller Beschränkung frei, der schöpferische Gotteswille, der nach christlicher Lehre die Welt aus dem Nichts hervorgerufen – unendlich auch diese höchste Persönlichkeit selbst im Gegensatz zu den endlichen Personen. So ist der Begriff der Unendlichkeit durch diese Schlußentwicklung der alten Philosophie ein integrierendes Merkmal der höchsten metaphysischen Realität geworden: er gebührt nicht nur dem Weltall in seiner räumlichen und zeitlichen Ausdehnung, sondern auch dem innersten Wesen der Dinge und vor allem der Gottheit. Insbesondere die letztere Verschmelzung ist so fest und sicher geworden, daß es dem heutigen Bewußtsein, in der Vorstellung wie im Gefühl, völlig selbstverständlich gilt, das höchste Wesen als das »unendliche« allen endlichen Dingen und Verhältnissen gegenüber aufzufassen.

3. Den dialektischen Verflüchtigungen gegenüber, welche der Begriff der unendlichen Gottheit namentlich bei den späteren Neuplatonikern zu erleiden drohte, hat nun die kirchliche Entwicklung des christlichen Denkens ihre eindrucksvolle Energie darin bewahrt, daß sie an dem Begriff Gottes als geistiger Persönlichkeit festhielt. Sie tat dies nicht aus philosophischer Ueberlegung und Begründung, sondern vermöge des unmittelbaren Anschlusses[198] an die lebendige Ueberzeugung der Gemeinde, und eben darin bestand ihre psychologische, ihre weltgeschichtliche Kraft. Diesen Glauben atmet das Neue Testament, diesen verteidigen bei aller Verschiedenheit ihrer sonstigen Richtungen und Ansichten sämtliche Vertreter der Patristik, und gerade durch ihn grenzt sich überall die christliche Lehre gegen die hellenistischen Lösungen des religiös-philosophischen Hauptproblems ab.

Der Hellenismus sieht in der Persönlichkeit, auch wo sie rein geistig gefaßt wird, eine Beschränkung und Verendlichung, welche er von dem höchsten Wesen ferngehalten und nur für die besonderen Götter, wie für die Menschen, zugelassen sehen will: das Christentum verlangt als lebendige Religion ein persönliches Verhältnis des Menschen zu dem als höchste Persönlichkeit gefaßten Weltgrunde, und es prägt dies in dem Gedanken der Gottessohnschaft des Menschen aus.

Wenn daher der Begriff der Persönlichkeit als der geistigen Innerlichkeit das wesentlich neue Resultat darstellt, zu welchem sich in dem griechischen und dem hellenistischen Denken die theoretischen und die ethischen Motive verschlangen, so hat diese Erbschaft der Antike das Christentum angetreten, während der Neuplatonismus in die alte Vorstellung zurückbog, die in der Persönlichkeit nur ein vorübergehendes Erzeugnis eines unpersönlichen Gesamtlebens sah. Das ist das Wesentliche der christlichen Weltanschauung, daß sie als den Kern der Wirklichkeit die Person und das Verhältnis der Personen zueinander betrachtet.

4. Trotz dieser bedeutsamen Verschiedenheit bleibt nun aber für alle Richtungen der alexandrinischen Philosophie das gleiche Problem, die so der Sinnenwelt entrückte Gottheit doch dazu wieder in diejenigen Beziehungen zu setzen, welche das religiöse Bedürfnis verlangte: denn je tiefer der Gegensatz zwischen Gott und Welt gefühlt wurde, um so brennender wurde die Sehnsucht, ihn zu überwinden – ihn zu überwinden durch eine Erkenntnis, welche auch die Welt aus Gott begreifen, und durch ein Leben, welches aus der Welt zu Gott zurückkehren wollte.

Daher ist der Dualismus von Gott und Welt, wie der von Geist und Materie nur der gefühlsmäßige Ausgangspunkt und die Voraussetzung der alexandrinischen Philosophie: ihr Ziel aber ist überall, theoretisch wie praktisch, seine Besiegung. Eben darin besteht das Eigentümliche dieser Zeit, daß sie die tiefe Kluft, die sie in ihrem Gefühle vorfindet, im Wissen und Wollen zu schließen bemüht ist.

Freilich erzeugte diese Zeit auch solche Weltanschauungen, in welchen der Dualismus sich so übermächtig geltend machte, daß er zu unverrückbaren Grundlinien fixiert wurde. Dahin gehören zunächst die Platoniker wie Plutarch, die nicht nur die Materie als ursprüngliches Prinzip neben der Gottheit behandelten, weil die letztere in keiner Weise der Grund des Bösen sein könne, sondern auch in der Gestaltung dieser indifferenten Materie zur Welt neben Gott als drittes Prinzip die »böse Weltseele« in Anspruch nahmen. Ganz besonders aber kommt hier ein Teil der gnostischen Systeme in Betracht.

Dieser erste, phantastische Versuch einer christlichen Theologie war durchweg von den Gedanken der Sünde und der Erlösung beherrscht, und der Grundcharakter des Gnostizismus besteht darin, daß von hier aus die Begriffe[199] der griechischen Philosophie mit den Mythen orientalischer Religionen in Beziehung gesetzt wurden. So erscheint denn bei Valentin neben der in die Fülle (to plêrôma) geistiger Gestalten ergossenen Gottheit (propatôr) die von Ewigkeit her gleich ursprüngliche Leere (to kenôma), neben der Form der Stoff, neben dem Guten das Böse: und wenn auch aus der Selbstentwicklung der Gottheit (vgl. unten 6) schon eine ganze Geisteswelt in jener »Fülle« gestaltet ist, so gilt doch die körperliche Welt erst als das Werk eines gefallenen Aeonen (vgl. § 20, 6 und 21, 4), der dem Stoffe seine Innerlichkeit einbildet. Ebenso stellte Saturninus dem Lichtreiche Gottes die Materie als das Herrschaftsgebiet des Satanas gegenüber und betrachtete die irdische Welt als einen streitigen Grenzraum, um dessen Besitz die guten und die bösen Geister durch ihre Einwirkung auf den Menschen ringen; und ähnlich war auch die Mythologie des Bardesanes angelegt, welche dem »Vater des Lebens« eine weibliche Gottheit als empfangende Potenz bei der Weltbildung zur Seite gab.

Die schärfste Zuspitzung aber erreichte der Dualismus in einer Mischreligion, die unter dem Einflusse der gnostischen Systeme mit Rückgang auf die altpersische Mythologie im dritten Jahrhundert entstand, dem Manichäismus505. Die beiden Reiche des Guten und des Bösen, des Lichts und der Finsternis, des Friedens und des Streites stehen sich hier gleich ewig wie ihre Fürsten, Gott und der Satan, gegenüber: auch hier wird die Weltbildung als eine durch Grenzverletzung hervorgerufene Mischung aus guten und bösen Elementen aufgefaßt, im Menschen der Kampf einer guten, dem Lichtreich angehörigen und einer bösen, der Finsternis entstammenden Seele angenommen und eine Erlösung erwartet, die beide Gebiete wieder völlig trennen soll.

So kommt es in dieser Entwicklung immer deutlicher zu Tage, daß der Dualismus dieser Zeit wesentlich auf ethisch-religiösen Motiven beruhte. Indem man die Wertbeurteilung, welche Menschen, Dinge und Verhältnisse als gut oder böse charakterisiert, zum Gesichtspunkt der theoretischen Erklärung macht, gelangt man dazu, den Ursprung des so geteilten Universums auf zwei verschiedene Ursachen zurückzufahren, von denen zwar im Sinne der Beurteilung nur die eine, die des Guten, als positiv gelten und den Namen der Gottheit haben soll, in theoretischer Hinsicht aber auch die andere völlig den Anspruch auf metaphysische Ursprünglichkeit und Ewigkeit (ousia) behauptet. Schon aus diesen Beziehungen aber läßt sich absehen, daß, sobald das metaphysische Verhältnis dem ethischen vollständig angepaßt wurde, dies von selbst zu einer Aufhebung des Dualismus führen mußte.

5. In der Tat erzeugte der Dualismus aus seinen eigenen Motiven heraus eine Vorstellungsreihe, durch die er selbst seine Ueberwindung vorbereitete. Je schroffer nämlich der Gegensatz zwischen dem geistigen Gott und der materiellen Welt, je größer der Abstand zwischen dem Menschen und dem Gegenstande seiner religiösen Sehnsucht gedacht wurde, um so mehr machte sich das[200] Bedürfnis geltend, das so getrennte durch Zwischenglieder wieder zu vermitteln. Theoretisch bestand deren Bedeutung darin, die Einwirkung der Gottheit auf die ihm fremde, seiner unwürdige Materie begreiflich und unbedenklich zu machen, praktisch hatten sie den Sinn, zwischen Mensch und Gott als die Mittler zu dienen, welche den Menschen aus seiner sinnlichen Niedrigkeit durch ihre Hilfe zu dem Höchsten emporleiten könnten. Beide Interessen aber wiesen gleichmäßig auf die Methode hin, womit schon die älteren Akademiker und nach ihnen die Stoiker den Glauben an die niederen Götter in ihre Naturreligion hineinzuarbeiten gewußt hatten.

Im großen Stil ist die Durchführung dieser Vermittlungstheorie zuerst von Philon versucht worden, der ihr dadurch die bestimmte Richtung gab, daß er sie einerseits zu der neupythagoreischen Ideenlehre, anderseits zu der Engellehre seiner Religion in nahe Beziehungen brachte. Die vermittelnden Mächte, bei deren Betrachtung Philon noch mehr die theoretische Bedeutung und die Erklärung des Einflusses von Gott auf die Welt im Auge hatte, bezeichnet er je nach dem Wechsel der Untersuchung bald als die Ideen bald als die wirkenden Kräfte bald als die Engel Gottes; aber stets ist damit der Gedanke verbunden, daß diese Zwischenglieder ebenso an Gott wie an der Welt teil haben, daß sie zu Gott gehören und doch von ihm verschieden sind. So gelten die Ideen einerseits (neupythagoreisch) als Gottes Gedanken und als Inhalt seiner Weisheit, anderseits aber auch wieder (altplato nisch) als eine von Gott geschaffene intelligible Welt von Urbildern. Diese Urbilder jedoch sollen zugleich die wirkenden Kräfte sein, welche die ungeordneten Stoffe nach ihrem zweckvollen Inhalt gestalten: sie erscheinen indeß dabei als selbständige Potenzen, denen Weltbildung und Welterhaltung zufallen, so daß jede unmittelbare Beziehung zwischen Gott und Welt vermieden wird; bald aber werden diese Kräfte doch wieder als ein am göttlichen Wesen Haftendes und es selber Darstellendes behandelt. Die Engel endlich, die mit jenen Ideen und Kräften gleichgesetzt werden, sind zwar eigene mythische Gestalten und werden als die Diener, die Gesandten, die Boten Gottes bezeichnet; aber auf der anderen Seite stellen sie doch die verschiedenen Seiten und Eigenschaften des göttlichen Wesens selbst dar, das freilich als Ganzes in seiner Tiefe unerkennbar und unaussagbar ist, gerade in ihnen jedoch sich offenbart. Diese durch den Grundgedanken des Systems selbst bedingte Doppelnatur bringt es mit sich, daß die ideellen Engelkräfte die Bedeutung allgemeiner Begriffsinhalte haben und dabei doch mit allen Merkmalen der Persönlichkeit ausgerüstet sind: und gerade diese eigentümliche Verquickung von wissenschaftlicher und mythischer Auffassung, dies unbestimmte Dämmerlicht, worin die ganze Lehre verharrt, ist das Wesentliche und weltgeschichtlich Bedeutsame daran.

Dasselbe gilt von der letzten Folgerung, mit der Philon diesen Gedankengang abschloß. Die Fülle der Ideen, Kräfte und Engel war selbst wieder eine ganze Welt, worin Vielheit und Bewegung herrschte: zwischen ihr und der Einen, unbewegten, veränderungslosen Gottheit bedurfte es noch eines höheren Zwischengliedes. Wie die Idee zu den einzelnen Erscheinungen, so muß sich zu den Ideen deren höchste (to gennikôtaton), die »Idee der Ideen«, – wie die Kraft zu ihren sinnlichen Wirkungen, so muß sich zu den Kräften die vernünftige Weltkraft überhaupt verhalten: die Engelwelt muß in einem Erzengel[201] ihren einheitlichen Abschluß finden. Diesen Inbegriff der göttlichen Weltwirksamkeit bezeichnet Philon mit dem stoischen Begriffe des Logos. Auch dieser aber erscheint deshalb bei ihm in schwankender, wechselnder Bedeutung: der Logos ist einerseits die in sich ruhende göttliche Weisheit (sophia oder logos endiathetos, vgl. S. 165 Anm. 2) und die zeugende Vernunftkraft des Höchsten, er ist aber anderseits auch die aus der Gottheit heraustretende Vernunft (logos prophorikos), das selbständige Abbild, der erstgeborene Sohn, weder unentstanden wie Gott noch entstanden wie die Geister und die Menschen, er ist der zweite Gott506. Durch ihn hat Gott die Welt gebildet, und er ist umgekehrt auch der Hohepriester, der durch seine Fürbitte die Beziehungen zwischen dem Men schen und der Gottheit herstellt und erhält; er ist erkennbar, während Gott selbst über alle Bestimmung hinausgehoben und unerkennbar bleibt: er ist Gott, sofern dieser das Lebensprinzip der Welt bildet.

So legen sich Transzendenz und Immanenz Gottes als gesonderte Potenzen auseinander, um doch vereint zu bleiben; der Logos als der innerweltliche Gott ist »die Wohnstätte« des außerweltlichen Gottes. Je schwieriger dies Verhältnis sich begrifflich gestaltet, um so reicher sind die bildlichen Ausdrucksweisen, in denen es von Philon dargestellt wird507.

6. Mit dieser Logoslehre war nun der entscheidende Schritt getan, um die Kluft zwischen Gott und der Sinnenwelt durch eine bestimmte Stufenfolge von Gestalten auszufüllen, die mit allmählichen Uebergängen von der Einheit zur Vielheit, von der Unveränderlichkeit zur Veränderlichkeit, vom Immateriellen zum Materiellen, vom Geistigen zum Sinnlichen, vom Vollkommenen zum Unvollkommenen, vom Guten zum Bösen herabstieg, und wenn diese Rangordnung zugleich als ein System von Ursachen und Wirkungen, die selbst wieder Ursachen, aufgefaßt wurde, so ergab sich daraus eine neue Darstellung des kosmogonischen Prozesses, durch den vermöge aller dieser Zwischenglieder die Sinnenwelt aus dem göttlichen Wesen abgeleitet wurde: zugleich aber lag dann der Gedanke habe, die Etappen dieses Hervorganges auch rückläufig als die Stufen der Wiedervereinigung des in die Sinnenwelt verstrickten Menschen mit Gott zu betrachten. In so weit angelegten Zusammenhängen bahnt sich theoretisch und praktisch die Ueberwindung des Dualismus an.

Damit wurde das Problem wieder aufgenommen, welches Platon in seiner letzten pythagoreisierenden Periode und die ältesten Akademiker im Auge gehabt hatten, wenn sie mit Hilfe der Zahlentheorie den Hervorgang der Ideen und der Dinge aus der göttlichen Einheit zu begreifen suchten (vgl. oben § 11, 5). Aber schon damals hatte sich gezeigt, daß dies Schema einer Entwicklung der Vielheit aus der Eins hinsichtlich seiner Beziehung zu den Wertprädikaten zwei entgegengesetzte Deutungen zuließ. Die platonische, von Xenokrates vertretene Auffassung ging dahin, daß die Eins das Gute und Vollkommene, das aus ihr Abgeleitete aber das Unvollkommene und[202] schließlich das Schlechte sein müsse: ihr trat in Speusippos die Ansicht entgegen, daß das Gute nur das Endprodukt, nicht der Ausgangspunkt der Entwicklung, letzterer dagegen in dem Unbestimmten, Unfertigen zu suchen sei508. Man pflegt die so unterschiedenen Lehren als Emanationssystem und Evolutionssystem zu unterscheiden. Der erstere Name entstammt daher, daß in diesem System, welches in der religiösen Philosophie des Alexandrinismus entschieden vorwaltete, die Son dergestaltungen des weltzeugenden Logos vielfach mit dem stoischen Terminus als »Ausflüsse« (aporrhoiai) des göttlichen Wesens bezeichnet wurden.

Doch fehlt es in der alexandrinischen Philosophie auch nicht an evolutionistischen Versuchen; insbesondere lagen sie dem Gnostizismus nahe; denn dieser mußte bei seiner scharfen Spannung des Dualismus von Geist und Materie den monistischen Ausweg mehr in einem indifferenten Urgrunde zu suchen geneigt sein, der sich in die Gegensätze auseinander gelegt habe. Wo daher die Gnostiker – und das ist gerade bei den bedeutenderen der Fall – über den Dualismus hinausstreben, da entwerfen sie nicht nur einen kosmogonischen, sondern einen theogonischen Prozeß, durch den die Gottheit sich aus dunklem Urwesen durch den Gegensatz zur vollen Offenbarung entfaltet habe. So heißt bei Basileides der namenlose Urgrund der (noch) nicht seiende Gott (ho ouk ôn theos): dieser, hören wir, habe den Weltsamen (panspermia) erzeugt, in welchem ungeordnet neben den materiellen Kräften (amorphia) die geistigen (yhiotêtes) lagen: die Gestaltung und Ordnung aber dieses Kräftechaos vollzieht sich durch die Sehnsucht nach der Gottheit. Dabei scheiden sich die verschiedenen »Sohnschaften«, die geistige Welt (hyperkosmia) von der materiellen Welt (kosmos) und im zeitlichen Verlaufe des Geschehens schließlich alle Sphären der so entwickelten Gottheit; jede gelangt an den ihr bestimmten Ort, die Unruhe des Strebens hört auf, und der Friede der Verklärung ruht über dem All.

In eigentümlicher Mischung erscheinen evolutionistische und emanatistische Motive in der Lehre Valentins. Hier wird nämlich die geistige Welt (plêrôma) oder das System der »Aeonen«, der ewigen Wesenheiten, zum ersten Teil als Entfaltung der dunklen Urtiefe (bythos) zur Selbstoffenbarung, zum andern Teil dann aber als absteigende Erzeugung unvollkommnerer Gestalten entwickelt. Das mythische Schema ist dabei die orientalische Paarung männlicher und weiblicher Gottheiten. In der obersten »Syzygie« tritt neben den Urgrund das »Schweigen« (sigê), das auch Denken (ennoia) genannt wird. Aus dieser Verbindung des Urseins mit der Fähigkeit des Bewußtwerdens geht als das Erstgeborene der Geist (hier nous genannt) hervor, der in der zweiten Syzygie die »Wahrheit«, d.h. die intelligible Welt, das Reich der Ideen zu seinem Gegenstande hat. So sich selbst zur vollen Offenbarung geworden, gestaltet die Gottheit sich in der dritten Syzygie zu »Vernunft« (logos) und »Leben« (zôê) und wird zum Prinzip der äußeren Offenbarung in der vierten Syzygie als »Idealmensch« (anthrôpos) und »Lebensgemeinschaft« (ekklêsia). Hat nun damit schon der absteigende Prozeß begonnen, so setzt er sich weiterhin derart fort, daß aus der dritten und der vierten Syzygie noch weitere Aeonen hervorgehen, die mit jener heiligen Achtzahl erst das ganze[203] Pleroma bilden, die aber immer ferner von dem Urgrunde stehen: erst der letzte dieser Aeonen, die »Weisheit« (sophia), ist es, der durch sündige Sehnsucht nach dem Urgrunde den Anlaß dazu gibt, daß diese Sehnsucht von ihm abgelöst und in die stoffliche Leere, das kenôma geworfen wird, um dort zur Bildung der irdischen Welt zu führen.

Sieht man auf die philosophischen Gedanken, die sich hinter dieser vieldeutigsten Mythenkonstruktion verbergen, so ist es leicht verständlich, daß die Schule der Valentinianer in mannigfache Ansichten auseinander ging. Denn in keinem anderen Systeme jener Zeit sind so sehr dualistische und monistische Motive beider Art, der evolutionistischen wie der emanatistischen, mit einander gemischt wie hier.

7. In begrifflicher Abklärung und mit Ablösung des mythischen Apparates erscheinen die gleichen Motive in der Lehre Plotins, so Jedoch, daß in der Durchführung des Ganzen das Prinzip der Emanation die beiden andern fast ganz verdrängt.

Die Synthese von Transzendenz und Immanenz wird auch von Plotin in der Richtung gesucht, daß das Wesen Gottes als das absolut Einheitliche und Unveränderliche bewahrt bleibt, während Vielheit und Veränderlichkeit nur seinen Wirkungen509 zukommen. Von dem über alle endlichen Bestimmungen und Gegensätze erhabenen »Ersten« kann im strengen Sinne gar nichts ausgesagt werden (vgl. oben 2); nur uneigentlich, in seiner Beziehung zur Welt kann es als das unendlich Eine, als das Gute und als höchste Kraft (prôtê dynamis) bezeichnet werden, und die Wirkungen dieser Kraft, welche das Weltall ausmachen, sind nicht als Abzweigungen und Teilungen seiner Substanz, nicht somit als eigentliche « Ausflüsse«, sondern vielmehr als überquellende, die Substanz selbst in keiner Weise verändernde, doch aber aus der Notwendigkeit ihres Wesens sich ergebende Nebenerfolge zu betrachten.

Als bildliche und doch auch die Auffassung dieses Verhältnisses bestimmende Darstellung wendet Plotin das Gleichnis des Lichtes an, welches, ohne damit an seinem Wesen einzubüßen oder selbst in Bewegung zu treten, in die Finsternis strahlt und damit um sich eine Atmosphäre der Helligkeit derart erzeugt, daß sie von dem Quellpunkte aus immer mehr an Intensität abnimmt und schließlich sich von selbst in die Finsternis verliert510. So sollen auch die Wirkungen des Einen und Guten, je mehr sie durch die einzelnen Sphären hindurch sich davon entfernen, immer unvollkommener werden und am Ende in das finstere, böse Gegenteil umschlagen, – die Materie.

Die erste Sphäre dieser göttlichen Wirksamkeit ist nach Plotin der Geist (nous), mit dem sich die erhabene Einheit in die Zweiheit von Denken und Sein d.h. in diejenige des Bewußtseins und seiner Gegenstände auseinanderlegt. In ihm ist das Wesen der Gottheit als Einheitlichkeit der Denkfunktion (noêsis) erhalten: denn dies mit dem Sein identische Denken wird (wie im aristotelischen Gottesbegriff) nicht als eine anhebende oder aufhörende, an den Gegenständen etwa wechselnde Tätigkeit, sondern als die immer gleiche, ewige Anschauung[204] des eigenen wesensgleichen Inhaltes betrachtet. Aber dieser Inhalt, die Ideenwelt, welche den Erscheinungen gegenüber das ewige Sein (ousia in platonischem Sinn) bedeutet, ist als intelligible Welt (kosmos noêtos) zugleich das Prinzip der Vielheit. Denn die Ideen sind nicht bloß Gedanken und Urbilder, sondern zugleich die bewegenden Kräfte (noi = dynameis) der niederen Wirklichkeit. Die Grundbegriffe (Kategorien) dieser intelligiblen Welt sind daher, weil in ihr Einheit und Mannigfaltigkeit als die Prinzipien des Beharrens und des Geschehens vereinigt und doch wieder getrennt sind, die fünf511: das Seiende (to on), die Ruhe (stasis), das Geschehen (kinêsis), die Identität (tautotês) und die Verschiedenheit (heterotês). Der Geist also als inhaltlich bestimmte, die Vielheit in sich tragende Funktion ist die Gestalt, durch welche die Gottheit alle empirische Wirklichkeit aus sich hervorgehen läßt: Gott als erzeugendes Prinzip, als Weltgrund ist Geist.

Aber der Geist bedarf nun einer ähnlichen Ausstrahlung, um aus sich die Welt zu erzeugen; sein nächstes Produkt ist die Seele, und diese wiederum betätigt sich dadurch, daß sie die Materie zur Körperlichkeit gestaltet. Die eigentümliche Stellung der »Seele« besteht also darin, daß sie den Inhalt des Geistes, die Ideenwelt, anschauend empfängt und nach diesem Urbilde (eikôn) das Sinnliche bildet. Dem schöpferischen Geiste gegenüber ist sie das empfangende, der Materie gegenüber das wirkende Prinzip. Und diese Dualität der Beziehungen auf das Höhere und das Niedere wird hier so stark betont, daß (ebenso wie der »Geist« in Denken und Sein auseinanderging), die »Seele« sich für Plotin geradezu verdoppelt: in die selige Anschauung der Ideen versunken, ist sie die höhere, eigentliche Seele, die psychê im engeren Sinne des Worts; als gestaltende Kraft ist sie die niedere Seele, physis (gleich dem logos spermatikos der Stoiker).

Alle diese Bestimmungen treffen einerseits die allgemeine Seele (Weltseele – PLATON), anderseits aber auch die einzelnen Seelen, die als ihre Sondergestaltungen von ihr ausgegangen sind, namentlich also auch die menschlichen Seelen. Von der reinen idealen Weltseele wird die physis, die gestaltende Naturkraft unterschieden: aus jener emanieren die Götter, aus dieser die Dämonen. Unter der erkennenden Seele des Menschen, die sich zu dem heimatlichen Geiste zurückschwingt, steht die Lebenskraft, welche den Leib bildet. So erscheint die Scheidung in den Merkmalen des Seelenbegriffs, die sich sachlich aus dem Dualismus entwickelte (vgl. § 19, 3), hier formell durch den Zusammenhang des metaphysischen Systems gefordert.

Dabei wird die Wirkung der « Seele« auf die Materie zwar selbstverständlich als zweckmäßig aufgefaßt, weil sie ja zuletzt auf den Geist und die Vernunft (logos) zurückgeht, aber doch, da sie Sache der niederen Seele ist, als absichtsloses, unbewußtes, naturnotwendiges Walten angesehen. Wie die äußeren Strahlenschichten des Lichts in die Finsternis dringen, so gehört es zum Wesen der Seele, mit ihrem Glanz, der aus dem Geist und aus dem Einen stammt, die Materie zu durchleuchten.

Die Materie aber – und das ist einer der wesentlichsten Punkte in Plotins Metaphysik – darf nicht etwa als eine für sich neben dem Einen bestehende[205] körperliche Masse angesehen werden, sie ist vielmehr selbst Körperlos, immateriell512. Zwar werden aus ihr die Körper gebildet, aber sie selbst ist kein Körper, und da sie so weder geistiger doch körperlicher Natur ist, so kann sie durch keine Eigenschaften bestimmt wer den (apoios). Aber diese erkenntnistheoretische Unbestimmbarkeit gilt nun bei Plotin zugleich als metaphysische Unbestimmtheit. Die Materie ist ihm die absolute Negativität, die reine Privation (sterêsis), die völlige Abwesenheit des Seins, das absolute Nichtsein: sie verhält sich zu dem Einen wie die Finsternis zu m Lichte, wie die Leere zur Fülle. Diese hylê der Neuplatoniker ist nicht die aristotelische oder die stoische, sondern wieder die platonische: es ist der leere, finstere Raum513. So weit reicht in dem antiken Denken die Wirkung der eleatischen Gleichsetzung des leeren Raums mit dem Nichtsein und der demokritisch-platonischen Weiterbildung dieser Lehre: auch im Neuplatonismus gilt der Raum als die Voraussetzung für die Vervielfältigung, welche die Ideen in der sinnlichen Erscheinungswelt finden, das principium individuationis. Deshalb ist auch bei Plotin die niedere, für die Ausstrahlung auf die Materie bestimmte Seele, die physis, das Prinzip der Teilbarkeit514, während die höhere Seele die dem Geist verwandte Ungeteiltheit und innere Einheitlichkeit des Bewußtseins besitzt.

In der reinen Negativität begründet es sich nun aber, daß diese eigenschaftslose Materie auch durch ein Wertprädikat bestimmt werden kann: sie ist das Böse. Als der absolute Mangel (peria pantelês), als die Negation des Einen und des Seins, ist sie auch die Negation des Guten: apousia agathou. Indem aber der Begriff des Bösen so eingeführt wird, erhält er auch seine besondere Formung: das Böse ist nicht selbst etwas positiv Vorhandenes, sondern es ist der Mangel, es ist das Fehlen des Guten, das Nichtsein. Diese Begriffsbildung gab für Plotin ein willkommenes Argument für die Theodicee: wenn das Böse nicht ist, so braucht es nicht gerechtfertigt zu werden, und so folgt aus den bloßen begrifflichen Bestimmungen, daß alles, was ist, gut ist.

Darum ist nun für Plotin die Sinnenwelt nicht an sich böse, so wenig wie sie an sich gut ist; sondern weil in ihr das Licht in die Finsternis, das Eine in die Materie übergeht, weil sie somit eine Mischung von Sein und Nichtsein darstellt (der platonische Begriff der genesis wird hier von neuem mächtig), so ist sie gut, sofern sie an Gott oder dem Guten teil hat, d.h. sofern sie ist, und so ist sie böse, sofern sie an der Materie oder dem Bösen teil hat, d.h. sofern sie nicht ist. Das wahre, eigentliche Böse (prôton kakon) ist die Materie, die Negation: die Körperwelt darf nur böse genannt werden, weil sie daraus gestaltet ist, sie ist das sekundäre Böse (deuteron kakon); und den Seelen gebührt das Prädikat böse nur, wenn sie sich der Materie hingeben. Freilich gehört das Eingehen in die Materie zu den wesentlichsten Merkmalen der Seele selbst; diese bildet eben diejenige Sphäre, durch welche die Ausstrahlung der Gottheit in die Materie übergeht und das Teilnehmen am Bösen ist deshalb für sie eine Naturnotwendigkeit, die als Fortsetzung ihres eigenen Hervorgehens aus dem Geiste zu fassen ist515.[206]

Durch diese Unterscheidung der Sinnenwelt von der Materie vermochte Plotin auch dem Positiven in den Erscheinungen gerecht zu werden516. Denn da die Urkraft durch Geist und Seele hindurch auf die Materie wirkt, so ist hiernach alles, was in der Sinnenwelt wahrhaft ist, offenbar selbst Seele und Geist. Hierin wurzelt die Spiritualisierung der Körperwelt, die Vergeistigung des Universums, welche das Charakteristische von Plotins Naturauflassung bildet. Das Materielle ist nur die äußere Hülle, hinter der als das wahrhaft Wirkende Seelen und Geister stecken. Der Körper ist das Abbild oder der Schatten der Idee, die in ihm sich der Materie eingebildet hat; sein wahres Wesen ist dies Geistige, welches in dem Sinnenbilde erscheint.

In solchem Durchleuchten aber der idealen Wesenhaftigkeit durch ihre sinnliche Erscheinung besteht die Schönheit: vermöge dieses Einstrahlens des geistigen Lichts in die Materie ist die ganze Sinnenwelt und ist in ihr das einzelne, seinem Urbild nachgestaltete Ding schön. Hier begegnet uns in Plotins Abhandlung über die Schönheit (Ennead. I, 6) dieser Begriff zum erstenmal unter den Grundbegriffen der Weltanschauung: es ist der erste Versuch einer metaphysischen Aesthetik. Bis hierher trat das Schöne immer nur in Homonymie mit dem Guten und Vollkommenen auf, und die leisen Anfänge einer Ablösung und Verselbständigung des Begriffs, welche Platons Symposion enthielt, sind eben erst von Plotin wieder aufgenommen worden: denn auch die Theorie der Kunst, auf die sich später die ästhetische Wissenschaft beschränkte, hat, wie es am deutlichsten in dem Bruchstück der aristotelischen Poetik hervortritt, das Schöne wesentlich nach seinen ethischen Wirkungen betrachtet (vgl. §13, 14). Es hat des ganzen Ablaufs der antiken Lebensbewegung und jener Verinnerlichung, welche sie in der religiösen Periode erfuhr, bedurft, um das wissenschaftliche Bewußtsein von diesem feinsten und höchsten Gehalte des Griechentums herbeizuführen, und der Begriff, worin dies geschieht, ist deshalb charakteristisch für die Entwicklung, aus der er hervorbricht: die Schönheit, welche die Griechen geschaffen und genossen hatten, – sie wird nun erkannt als das sieghafte Walten des Geistes in der Veräußerlichung seiner sinnlichen Erscheinungen. Auch dieser Begriff ist ein Triumph des Geistes, der in der Entfaltung seiner Tätigkeiten zuletzt sein eigenes Wesen erfaßt und als Weltprinzip begriffen hat.

Hinsichtlich der Erscheinungswelt steht also Plotin auf dem Standpunkte, den man als Andeutung der Natur in Seelenleben bezeichnen muß, und so erweist sich, daß in Betreff dieser Gegensätze das antike Denken seinen Lauf von einem Extrem zum andern beschrieben hat: die älteste Wissenschaft kannte die Seele nur als eins neben den vielen andern Naturprodukten, – dem Neuplatonismus gilt die ganze Natur nur so weit als wirklich, als sie Seele ist.

Indem aber dies idealistische Prinzip auf die Erklärung der einzelnen Dinge und Vorgänge in der Sinnenwelt angewendet wird, hört alle Nüchternheit und[207] Klarheit der Naturforschung auf. An die Stelle gesetzmäßiger Kausalzusammenhänge tritt das geheimnisvolle, traumhaft unbewußte Weben der Weltseele, das Walten der Götter und Dämonen, die geistige Sympathie aller Dinge, welche sich in wunderbaren Beziehungen unter ihnen ausspricht. Alle Formen von Mantik, Astrologie, Wunderglaube fließen von selbst in diese Naturbetrachtung ein, und der Mensch scheint in ihr von lauter höheren, geheimnisvollen Kräften umgeben: diese geistgezeugte, seelenvolle Welt umfängt ihn als ein magischer Zauberkreis.

Der ganze Hervorgang der Welt aus der Gottheit erscheint somit als eine zeitlose, ewige Notwendigkeit, und wenn Plotin auch von einer periodischen Wiederkehr derselben Einzelgestaltungen redet, so ist ihm doch der Weltprozeß selbst anfangs- und endlos. Wie es zum Wesen des Lichts gehört, ewig in die Finsternis zu scheinen, so ist Gott nicht ohne die Ausstrahlung, mit der er aus der Materie die Welt erzeugt.

In diesem allgemeinen Geistesleben verschwindet dann die individuelle Persönlichkeit als eine untergeordnete Sondererscheinung. Aus der Gesamtseele als eine ihrer zahllosen Entfaltungen entlassen, ist sie wegen der schuldvollen Neigung zum Nichtigen aus der reinen Präexistenz in den Sinnenleib geworfen, und ihre Aufgabe ist, sich ihm und dem materiellen Wesen überhaupt zu entfremden und sich von ihm wieder zu »reinigen«. Erst wenn ihr dies gelungen, kann sie hoffen, rückwärts die Stufen zu durchlaufen, in denen sie selbst aus der Gottheit hervorgegangen ist, und so zu dieser zurückzukehren. Der erste positive Schritt zu dieser Erhebung ist die bürgerliche oder »politische« Tugend, durch welche der Mensch sich als vernünftig gestaltende Kraft in der Erscheinungswelt geltend macht; aber da diese sich nur in Beziehung auf das sinnliche Objekt betätigt, so steht weit über ihr (vgl. ARISTOTELES) die dianoëtische Tugend der Erkenntnis, mit der sich die Seele in ihren eigenen geistigen Lebensgehalt versenkt: als anregende Hilfe dazu feiert Plotin die Betrachtung des Schönen, welche im Sinnending die Idee ahnt und in der Ueberwindung der Neigung zur Materie von dem sinnlich Schönen zum geistig Schönen aufsteigt. Aber auch diese dianoëtische Tugend, diese ästhetische theôria und Selbstanschauung des Geistes ist nur die Vorstufe für jene ekstatische Verzückung, in der das Individuum zu bewußtloser Einheit mit dem Weltgrunde eingeht (§ 18, 6). Das Heil und die Seligkeit des Individuums ist sein Untergang in das All-Eine.

Die späteren Neuplatoniker, schon Porphyrios, noch mehr aber Jamblichos und Proklos betonen bei dieser Erhebung weit mehr als Plotin die Hilfe, die das Individuum dazu in der positiven Religion und in ihren Kultushandlungen finde. Da nämlich diese Männer, ganz wie die ältere Akademie und die Stoa, die verschiedenen, von ihnen noch stark vermehrten Stufen der Abfolge der Welt aus dem »Einen« durch allerlei mehr oder minder willkürliche Allegorien mit den Göttergestalten der verschiedenen ethnischen Religionen gleichsetzten, so lag es nahe, bei der Rückkehr der Seele zu Gott welche ja in umgekehrter Reihenfolge dieselben Stufen bis zur ekstatischen Vergottung zu durchlaufen haben sollte, die Unterstützung dieser niederen Götter in Anspruch zu nehmen: und wie die Metaphysik der Neuplatoniker in Mythologie, so artete ihre Ethik In theurgische Künste aus.


8. Im ganzen folgt hiernach die plotinische Ableitung der Welt aus Gott trotz aller Verinnerlichung und Vergeistigung der Natur doch dem physischen Schema des Geschehens. Diese Ausstrahlung der Dinge aus der Urkraft ist eine[208] ewige, im Wesen der letzteren begründete Notwendigkeit, das Erzeugen ist bewußtlos und absichtslos zweckmäßiges Wirken.

Zugleich aber spielt in diese Auffassung ein logisches Motiv hinein, welches in dem altplatonischen Charakter der Ideen als Gattungsbegriffe seinen Ursprung hat. Wie nämlich die Idee zu den einzelnen Sinnendingen, so verhält sich zu den Ideell wieder die Gottheit wie das Allgemeine zu dem Besonderen: Gott ist das absolut Allgemeinste, und nach einem Gesetz der formalen Logik, wonach die Begriffe an Inhalt um so ärmer werden, je mehr ihr Umfang wächst, so daß dem Umfang ( der Inhalt 0 entsprechen muß, ist das absolut Allgemeinste auch der inhaltlose Begriff des »Ersten«. Wenn aber aus diesem Ersten zunächst die intelligible, sodann die psychische, endlich die sinnliche Welt hervorgehen soll, so entspricht dies metaphysische Verhältnis dem logischen Prozesse der Determination oder der Partition. Danach sollte durchweg das Allgemeinere als die höhere, metaphysisch ursprünglichere Wirklichkeit betrachtet werden: die syllogistisch-deduktive Methode des Aristoteles (vgl. §12, 3) wurde als das Wesen des realen Erzeugens und Entstehens angesehen und in diesem Sinne alles Besondere auch seiner metaphysischen Realität nach als ein Produkt aus dem Allgemeineren abgeleitet. Diese Lehre ist unter den älteren Neuplatonikern hauptsächlich von Porphyrios in seiner Exegese zu den Kategorien des Aristoteles ausgesprochen worden, und ihr war es vorbehalten, in der mittelalterlichen Philosophie als Hauptmotiv des »Realismus« (vgl. unten § 23) eine bedeutende Rolle zu spielen.

Indessen sah nun Proklos, der das logische Schema der Emanation methodisch durchzuführen unternahm, sich auch in der Notwendigkeit, für das logische Hervorgehen des Besonderen aus dem Allgemeineren noch ein eigenes dialektisches Prinzip in Anspruch zu nehmen. Einen solchen Schematismus fand der Systematiker des Hellenismus in dem logisch-metaphysischen Verhältnis, welches Plotin der Entwicklung der Welt aus der Gottheit zu Grunde gelegt hatte. Der Hervorgang des Vielen aus dem Einen bringt es mit sich, daß einerseits das Besondere dem Allgemeinen ähnlich ist und somit die Wirkung in der Ursache enthalten bleibt und beharrt, anderseits dies Erzeugte als ein Neues, Selbständiges dem Erzeugenden gegenübertritt und aus ihm heraustritt, endlich aber vermöge eben dieses antithetischen Verhältnisses das einzelne wieder zu seinem Grunde zurückstrebt. Somit sind Beharren, Heraustreten und Zurückkehren (monê, proodos, epistrophê) oder Identität, Verschiedenheit und Verknüpfung des Unterschiedenen die drei Momente des dialektischen Prozesses, und Proklos preßte in diese Formel der emanatistischen Entwicklung, vermöge deren jeder Begriff in sich – aus sich – in sich zurückkehrend gedacht werden sollte, die gesamte metaphysisch-mythologische Konstruktion, womit er die begriffliche Determination in einer immer dreigliedrig sich weiter spaltenden Stufenfolge ausführte. Damit zugleich aber wußte er auch den Göttersystemen der verschiedenen Religionen ihren Platz in dem mystisch-magischen Weltzusammenhange anzuweisen517.[209]

9. Demgegenüber besteht nun die Eigentümlichkeit der christliche Philosophie wesentlich darin, daß sie in der Auffassung des Verhältnisses von Gott und Welt durchweg den ethischen Gesichtspunkt des freien schöpferischen Tuns zur Geltung zu bringen gesucht hat. Indem sie von ihrer religiösen Ueberzeugung her an dem Begriffe der Persönlichkeit des Urwesens festhielt, faßte sie den Hervorgang der Welt aus Gott nicht als physische oder logische Notwendigkeit der Wesensentfaltung, sondern als einen Akt des Willens auf, und infolgedessen galt ihr die Weltschöpfung nicht als ein ewiger Prozeß, sondern als eine einmalige, zeitliche Tatsache. Der Begriff aber, in welchem sich diese Gedankenmotive konzentrierten, war der der Willensfreiheit.

Der Begriff der letzteren hatte zuerst den Sinn gehabt, der endlichen, sittlich handelnden Persönlichkeit des Menschen die Fähigkeit einer von äußerem Einfluß und Zwang unabhängigen Entscheidung zwischen verschiedenen gegebenen Möglichkeiten zuzuerkennen (ARISTOTELES); er hatte sodann die metaphysische Bedeutung einer ursachlosen Tätigkeit einzelner Wesen angenommen (EPIKUR): auf das Absolute angewendet und als Eigenschaft Gottes betrachtet, wird er in der christlichen Philosophie zu dem Gedanken der »Schöpfung aus Nichts«, zu der Lehre einer ursachlosen Erzeugung der Welt aus dem Willen Gottes umgebildet. Damit wird jeder Versuch einer Erklärung der Welt abgelehnt: die Welt ist, weil Gott sie gewollt hat, und sie ist so, wie sie ist, weil Gott sie so gewollt hat. An keinem Punkte ist der Gegensatz zwischen Neuplatonismus und rechtgläubigem Christentum schärfer als an diesem.

Indessen wird nun eben dasselbe Prinzip der Willensfreiheit angewendet, um die Schwierigkeiten zu überwinden, welche sich aus ihm selbst ergeben. Denn die schrankenlose Schöpferfreiheit des allmächtigen Gottes treibt noch energischer als in den andern Weltanschauungen das Problem der Theodicee hervor, wie dabei mit seiner Allgüte die Realität des Bösen in der Welt vereinbar sei. Der Optimismus der Weltschöpfungslehre und der Pessimismus des Erlösungsbedürfnisses, das theoretische und das praktische, das metaphysische und das ethische Moment der religiösen Ueberzeugung stoßen hart aufeinander518. Den Ausweg aber aus diesen Schwierigkeiten findet der von dem Verantwortlichkeitsgefühl getragene Glaube in der Annahme, daß Gott die Geister und Menschenseelen, die er schuf, mit einer der seinigen analogen Freiheit ausgestattet habe und daß dann durch deren Schuld das Böse in die gute Welt gekommen sei519.

Diese Schuld finden die kirchlichen Denker nicht eigentlich in der Neigung zur Materie oder zum Sinnlichen: denn die Materie kann als von Gott geschaffen an sich nicht böse sein520. Die Sünde der freien Geister besteht vielmehr in ihrer[210] Empörung gegen den Willen Gottes, in ihrer Sehnsucht nach eigener, schrankenloser Selbstbestimmung und erst sekundär darin, daß sie ihre Liebe statt auf Gott vielmehr auf seine Schöpfungen, auf die Welt gerichtet haben. Inhaltlich waltet also auch hier im Begriff des Bösen das negative Moment521 der Abkehr und des Abfalls von Gott vor; aber der ganze Ernst des religiösen Bewußtseins macht sich darin geltend, daß dieser Abfall nicht bloß als Abwesenheit des Guten, sondern als ein positiver, verkehrter Willensakt aufgefaßt wird.

Zwar zieht sich hiernach der Dualismus von Gott und Welt und damit derjenige von Geist und Materie auch tief in die christliche Weltanschauung hinein: Gott und das ewige Leben des Geistes, die Welt und das vergängliche Leben des Fleisches, – sie stehen sich auch hier schroff genug gegenüber; im Widerstreit gegen das göttliche Pneuma ist die Sinnenwelt von »hylischen« Geistern522, bösen Dämonen erfüllt, die den Menschen in ihr gottfeindliches Treiben verstricken, die Stimme der allgemein-natürlichen Offenbarung in ihm ersticken und dadurch die besondere Offenbarung notwendig machen; ohne die Abkehr von ihnen und von dem sinnlichen Wesen ist auch für die altchristliche Ethik keine Rettung der Seele möglich.

Allein seinem eigentlichen Wesen nach gilt doch dieser Dualismus hier weder als notwendig noch als ursprünglich: es ist nicht der Gegensatz zwischen Gott und der Materie, sondern derjenige zwischen Gott und den gefallenen Geistern, es ist der rein innerliche Antagonismus des unendlichen und des endlichen Willens. In dieser Richtung hat die christliche Philosophie durch Origenes die metaphysische Vergeistigung und Verinnerlichung der Sinnenwelt vollzogen. In ihr erscheint die Körperwelt ebenso von geistigen Funktionen durchsetzt und getragen, ja ebenso in geistige Funktionen aufgelöst wie bei Plotin; aber das Wesentliche dieser Funktionen sind hier die Verhältnisse des Willens. Wie der Uebergang Gottes in die Welt nicht physische Notwendigkeit, sondern ethische Freiheit ist, so ist die materielle Welt nicht eine letzte Ausstrahlung von Geist und Seele, sondern eine Schöpfung Gottes zur Strafe und zur Ueberwindung der Sünde.

Freilich hat Origenes in die Entwicklung dieser Gedanken ein dem Neuplatonismus verwandtes Motiv aufgenommen, das ihn schließlich mit der Vorstellungsweise der Gemeinde in Konflikt brachte. So sehr er nämlich an dem Begriffe der göttlichen Persönlichkeit und an dem der Schöpfung als freier Tat göttlicher Güte festhielt, so war doch das wissenschaftliche Denken, welches die Handlung im Wesen begründet sehen will, in ihm zu mächtig, als daß er diese Schöpfung als einen einmaligen, zeitlichen, ursachlosen Akt hätte ansehen können. Das ewige, unveränderliche Wesen Gottes verlangt vielmehr, daß er von Ewigkeit her bis in alle Ewigkeit Schöpfer ist, daß er niemals ohne Schöpfung sein kann, daß er zeitlos schafft523. Aber diese Schöpfung des ewigen Willens ist deshalb auch nur eine solche, welche sich auf das ewige Sein, auf die geistige Welt (ousia) bezieht. In dieser ewigen Weise zeugt Gott – so lehrt Origenes – den ewigen Sohn, den Logos als den Inbegriff seiner Weltgedanken (idea ideôn) und durch ihn das Reich der freien Geister, das, in sich begrenzt, als ewig lebendiges Kleid die Gottheit umgibt. Diejenigen nun von den Geistern,[211] welche in der Erkenntnis und Liebe des Schöpfers verharren, bleiben in unveränderter Seligkeit bei ihm: diejenigen aber, welche müde und nachlässig werden und sich in Hochmut und Aufgeblasenheit von ihm abwenden, werden zur Strafe in die zu diesem Zwecke geschaffene Materie geworfen. So entsteht die Sinnenwelt, die also nichts Selbständiges, sondern eine symbolische Veräußerlichung der geistigen Funktionen ist. Denn was in ihr als real gelten darf, das sind nicht die einzelnen Körper, sondern vielmehr die geistigen Ideen, die in ihnen verknüpft und wechselnd an ihnen vorhanden sind524.

So vereinigt sich bei Origenes der Platonismus mit der Theorie des schöpferischen Willens. Die ewige Welt der Geister ist das ewige Erzeugnis des wandellosen göttlichen Willens. Das Prinzip der Zeitlichkeit aber und der Sinnlichkeit (genesis) ist der wechselnde Wille der Geister: um ihrer Sünde willen entsteht die Körperlichkeit, und mit ihrer Besserung und Reinigung wird sie wieder verschwinden. Damit ist als der letzte und tiefste Sinn aller Wirklichkeit das Wollen und das Verhältnis der Persönlichkeiten zueinander, insbesondere dasjenige der endlichen zu der unendlichen Persönlichkeit erkannt.

Quelle:
Wilhelm Windelband: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Tübingen 61912, S. 196-212.
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