Gedächtniß

[38] Gedächtniß, 1) Vermögen der Seele, Gedanken, Begriffe u. Vorstellungen aufzubewahren u. willkürlich derselben wieder bewußt zu werden. Indem die Vorstellungen sich bilden, müssen sie auch in einem verhältnißmäßigen Grade von Kraft fortwirken, bis anderweitige Einwirkungen dieselben vermindern od. verstärken. Daher ein gutes G. ein solches, welches Vorstellungen leicht faßt u. schnell wieder erneuert, ein treues G., welches lange u. genau behält; Wortgedächtniß, welches mechanisch leicht Wörter, Sachgedächtniß, welches mit selbstthätiger Urtheilskraft leicht Vorstellungen faßt u. bewahrt. Gedächtnißfehler, Irrthümer, welche daraus entstehen, daß das G. nicht treu ist. Gedächtnißschwäche, der Gegensatz von gutem u. treuem G., ist angeborene Eigenthümlichkeit des Geistes od. Folge von Krankheiten, besonders des Gehirns u. Nervensystems od. Begleiter des Alters u. geht im höchsten Grade in Gedächtnißlosigkeit über. Gedächtnißschwäche ist in jüngeren Jahren durch Übung des G-es zu bessern. Zur Ausbildung u. Stärkung des G-es werden in Schulen besondere Übungen (Gedächtnißübungen) angestellt. Früher waren diese Übungen ein Hauptgegenstand des Volksunterrichts auf Kosten der Verstandesbildung; später wollte sie der Philanthropismus ganz verdrängen; jetzt sind sie wieder in ihrer Nützlichkeit anerkannt u. verhältnißmäßig mit den übrigen Lehrgegenständen, bes. in den Elementarschulen verbunden worden. Über die Versuche, dem G. auf künstliche Weise zu Hülfe zu kommen, Gedächtnißkunst, s. Mnemotechnik; 2) das Andenken an eine Person od. ein wichtiges Ereigniß; daher Gedächtnißfeier, Gedächtnißpredigt u. Gedächtnißrede. Gedächtnißtage, die dem Andenken eines Märtyrers od. Heiligen geweihten Tage.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 38.
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