Hefe

[157] Hefe (Faeces), die Gährung der organischen Körper, welche nach der Zusammensetzung derselben verschiedene Producte hervorbringt, wird durch die Gegenwart einer eigenthümlichen Verbindung veranlaßt, ohne welche keine Gährung sich einstellen kann. Diese eigenthümliche Verbindung ist meist eine in Zersetzung begriffene Proteïnsubstanz, die, mit gewissen stickstofffreien Körpern zusammengebracht, eine Zersetzung derselben bewirkt, welche man Gährung (s.d.) nennt. Die in Zersetzung begriffene Substanz heißt Ferment. Das Ferment der geistigen od. der Alkoholgährung ist nun aber ausnahmsweise nicht, wie das Ferment anderer Gährungen, ein in Zersetzung begriffener Körper, sondern ein organisirtes Wesen, eine Pflanze auf der niedrigsten Stufe der Organisation, die man H. nennt. Es ist von Ehrenberg nachgewiesen worden, daß sich in der atmosphärischen Luft Keime mikroskopischer Pflanzen u. Thiere befinden, die, wenn sie auf einen geeigneten Boden fallen, wie ihn verschiedene eiweißartige Substanzen darbieten, sich entwickeln u. die niederen Gewächse u. Infusorien erzeugen. Auch die Keime zur H. befinden sich in der Luft. Kommt daher Luft mit Zuckerlösung u. Proteïnsubstanz zusammen, so entwickeln sich diese Keime in der Proteïnsubstanz zu H., welche, indem sie sich fortpflanzt, das Zerfallen des Zuckers in Alkohol u. Kohlensäure bewirkt. Je nach der Natur der Flüssigkeit unterscheidet man Bier-, Weinhefe etc. Die an der Oberfläche der gährenden Flüssigkeit sich ansammelnde H. nennt man Oberhefe, die auf dem Boden des Gefäßes abgeschiedene Unterhefe. Beides sind verschiedene Pflanzen u. pflanzen sich durchaus verschieden fort, s.u. Bierhefe. Oberhefe mit Bierwürze zusammengebracht, geht zum größten Theil in Unterhefe über, während Unterhefe bei 20° nicht in Oberhefe übergeht. Mineralgifte zerstören sehr häufig die Wirksamkeit der H., ausgenommen davon ist arsenige Säure u. Brechweinstein. Bei der Gährung verändert sich die Zusammensetzung der H., indem namentlich der Stickstoffgehalt abnimmt. Haben die Hefenpilze die größte Dimension erreicht, können sie nicht mehr wachsen, so hört ihre Wirkung als Ferment auf. Die Oberhefe besteht nach Schloßberger u. R. Wagner aus: Kohlenstoff 49,6 44,37, Wasserstoff 6,5 6,04, Sauerstoff 31,5 40,39, Stickstoff 11,8 9,20; die Unterhefe nach denselben Chemikern aus: Kohlenstoff 47,6 49,76, Wasserstoff 6,3 6,80, Sauerstoff 36,3 28,97, Stickstoff 9,8 9,17, Asche 5,29. Auf welche Weise die H. bei der geistigen Gährung wirkt, ist noch nicht bekannt. Um H. vor schnellem Verderben zu schützen, entfernt man die Flüssigkeit durch Auspressen. u. Trocknen bei gelinder Wärme; man erhält auf diese Weise die sogenannte Preßhefe (s.d.), welche sich längere Zeit unverändert aufbewahren läßt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 157.
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