Hefe [1]

[4] Hefe, zur Familie der Saccharomyceten gehörige Pilze, die ein Enzym, die Zymase, enthalten und dadurch imstande sind, verschiedene Zuckerarten in Alkohol und Kohlensäure zu zerlegen, ein Prozeß, den man als Gärung (s.d.) bezeichnet.

Die Hefe pflanzt sich meistens durch Sprossung fort. Es bilden sich Ausstülpungen, die wachsen, bis sie die Größe der Mutterzelle erreicht haben, und sich dann entweder von der Mutterzelle trennen oder damit Sproßverbände bilden. Diese Sproßverbände erreichen jedoch selten größere Ausdehnung. Läßt man Hefe in geeigneter Nährlösung, am besten Bierwürze, längere Zeit ruhig stehen, so bildet sich eine sogenannte Kahmhaut, in der sich oft größere Sproßverbände mit vielen Zellen von bedeutender Streckung bilden. Hansen [1] hat nachgewiesen, daß es viele Heferassen gibt. Von diesen bilden einige unter geeigneten Umständen Sporen, und zwar besonders wenn sie bei reichlichem Luftzutritt auf einem feuchten, festen Nährboden ausgesät werden. In Nährlösungen gebracht, gehen die Sporen wieder zur Sproßbildung über. Zur Charakteristik der verschiedenen Heferassen zieht Hansen die Temperaturgrenzen und die Zeitverhältnisse für die Sporenbildung, namentlich aber die Temperatur heran, bei der sich die Sporen am schnellsten bilden. Ferner lassen sich zur Differenzierung der Heferassen die Temperaturgrenzen und die Zeitverhältnisse für die Bildung der Kahmhäute heranziehen. Auch das Verhalten zu den verschiedenen Zuckerarten ist in Betracht zu ziehen. In der Technik verhalten sich die verschiedenen Heferassen sehr verschieden. In der Bierbrauerei verursachen verschiedene Hefen direkt Krankheiten des Bieres, in der Spiritusfabrikation bedingen sie eine mehr oder weniger vollständige Vergärung, bei der Weinbereitung sind sie von wesentlichem Einfluß auf die Eigenschaften (Bouquet, Geschmack) des fertigen Weines. Deshalb wird in allen diesen Industriezweigen dahin gestrebt, möglichst rein gezüchtete Heferassen zu verwenden. Die Methoden der Reinkultur kommen immer darauf hinaus, die Hefe so weit zu verdünnen, daß man eine einzelne Zelle isoliert. Bringt man z.B. von einer mit einer Nährlösung stark verdünnten Hefe mit einer Feder Tröpfchen auf ein Deckgläschen und betrachtet diese auf einer sogenannten feuchten Kammer unter dem Mikroskop, so kann man die Tröpfchen leicht herausfinden, die nur eine einzige Zelle enthalten. Nach einiger Zeit haben sich diese Zellen zu Kolonien ausgewachsen, die man mit einem sterilen Platindraht leicht in einen mit steriler Würze beschickten Pasteurschen Kolben überimpfen kann. Die hier gewonnene Hefe wird in immer größere Gefäße übergeimpft. Bei sorgfältiger Arbeit, die natürlich ständig kontrolliert werden muß, erhält man so nur Hefezellen, die alle von einer Zelle abstammen, d.h. eine Reinkultur. Eine namentlich für die Praxis der Bierbrauerei (s.d.) wichtige Einteilung der Heferassen ist die in untergärige und obergärige. Die Obergärung geht bei höherer Temperatur (14–20°) vor sich, verläuft schnell und stürmisch und ist durch Ansammlung der Hefe an der Oberfläche charakterisiert. Im Gegensatz dazu verläuft die Untergärung bei 5–10°, langsamer, unter Absetzung der Hefe auf dem Boden.

Die Hefe, die in der Trockensubstanz zu 50–60% aus stickstoffhaltigen Stoffen besteht, hat für ihre Vermehrung daher ein großes Bedürfnis an stickstoffhaltigen Stoffen. Am geeignetsten sind Peptone und Amide, auch Ammoniaksalze werden assimiliert. Doch auch Aschenbestandteile, namentlich Phosphorsäure, müssen in genügender Menge vorhanden sein. Von den in den Nährlösungen vorhandenen Kohlehydraten (s.d.) wird nur wenig (ca. 1%) zum Aufbau von Zellsubstanz verwendet. Der Reit wird von der Zymase zerlegt. Doch werden nur Glukose und Fruktose direkt vergoren. Rohrzucker wird zunächst von einem andern in der Hefe vorhandenen Enzym, der Invertase, in Glukose und Fruktose, die Maltose in Glukose zerlegt; vgl. a. Kunsthefe, Preßhefe.


Literatur: [1] Jörgensen, Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie, 4. Aufl., Berlin 1898.

Herzfeld.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 4.
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