Radical

[789] Radical (v. lat.), 1) von der Wurzel aus, gründlich. Daher Radicalmittel, ein Mittel, welches eine Krankheit od. sonst ein Übel von Grund aus heilt, die Ursachen desselben zerstört; Radicalcur, eine Cur, welche eine solche Heilung beabsichtigt od. hervorbringt. Eine Denkart, die vorzugsweise zur Anwendung solcher Mittel hinneigt, nennt man daher Radicalismus; vorzugsweise als Bezeichnung einer politischen Anschauungs- u. Handlungsweise, welche socialen u. politischen Zuständen u. Einrichtungen gegenüber, die ihr als unberechtigt od. als schädlich u. verderblich erscheinen, tiefeingreifende, heftige u. gewaltsame Mittel anzuwenden geneigt ist. Der Radicalismus bezeichnet daher immer das Extrem einer politischen Ansicht; innerhalb derselben politischen Richtung unterscheidet man deshalb Gemäßigte u. Radicale; u. die tadelnde Nebenbedeutung, welche sich an dieses Wort knüpft, hat ihren Grund darin, daß eine solche politische Denk- u. Handlungsweise in der Beurtheilung der wirklichen Zustände leicht einseitig u. unbillig u. in der Umgestaltung derselben oft leidenschaftlich u. gewaltsam wird u. in ihrem Kampfe gegen das Verwerfliche u. Schädliche auch das Gute u. wenigstens Erträgliche zu schonen nicht geneigt ist. In England versteht man unter Radicalen od. Radical Reformers diejenige politische Partei, welche die Wahlreform von 1832 nur für eine Übergangsform zu größeren Erweiterungen der Volksfreiheiten betrachtet; sie bilden die äußerste Fraction der Chartisten. 2) Ein Körper, welcher als näherer Bestandtheil in einer chemischen Verbindung auftritt; in unorganischen Verbindungen sind diese R-e die Elemente, daher die unorganische Chemie die Chemie der einfachen R-e genannt wird; organischen Verbindungen nimmt man zusammengesetzte R-e an, welche die Rolle von Elementen in analogen unorganischen Verbindungen spielen; s. Organische Chemie A).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 789.
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