Achsanbrüche

[81] Achsanbrüche (cracks of axle-trees; criques des essieux; principii di rottare delle sale) sind solche Quer- und Längsrisse an den Achsen der im Betrieb stehenden Eisenbahnfahrzeuge, die die Gefahr des Eintritts von Achsbrüchen mit sich bringen. Längsrisse in den Schenkeln oder den Nabensitzen sind meist belanglos; Querrisse dagegen, wenn sie auch in ganz geringem Umfang auftreten, sind unbedingt gefährlich. A. entstehen vorwiegend durch Material- und Erzeugungsfehler, an Achsstummeln wohl auch durch Heißlaufen und rasches Abkühlen.

Auch unvermittelte Ansätze an den Achsen, scharfe, kantige Keilnuten, mit scharfkantigen Werkzeugen (Stempeln, Punzen) tief eingeschlagene Bezeichnungen können zur Bildung von A. führen.

Statistische Angaben über A. haben nur wenig Wert, da die die Anbrüche bedingenden Ursachen ebenso verschieden sind wie die Grundzüge, nach denen bei den einzelnen Bahnverwaltungen bei der Zählung der Anbrüche vorgegangen wird. Man kann jedoch feststellen, daß die prozentuale Anzahl der A. stetig abnimmt; es ist dies hauptsächlich der Verbesserung des Materiales und dem fortgesetzten Verschwinden der Schweißeisenachsen zuzuschreiben.

Die A. treten zumeist in den Nabensitzen, u. zw. dicht an den Innenseiten der Naben auf (etwa[81] 70%), wogegen nur etwa 15% der Anbrüche in den Achsstummeln vorkommen. An den Enden der Nabensitze entstehen, wenn der Aufpreßdruck erst im letzten Moment des Aufpressens erreicht wird; offenbar örtliche Spannungen, die das Achsmaterial auf Abscheren beanspruchen.

Da die Auffindung von A. aus Sicherheitsgründen von großer Wichtigkeit ist, werden periodische Untersuchungen vorgenommen; es pflegen viele Verwaltungen die rechtzeitige Entdeckung von A. zu prämiieren. Zur Auffindung von A. dienen verschiedene Untersuchungsarten, von denen einige nachstehend angeführt werden.

Vorerst werden die Achsen an den Oberflächen mit trockener Wolle o. dgl. gut gereinigt und sodann auf Anbrüche, wie folgt, untersucht:

1. durch Schläge mit einem kräftigen Vorschlaghammer auf die Stirnfläche der Achsstummel, nach Aufsetzen eines Kupferhammers oder einer Kupferplatte. Anbrüche werden hierbei durch Austreten von Ölspuren erkenntlich.

An den Stummeln treten die Fettspuren deutlicher hervor, wenn erstere vor dem Schlagen erwärmt werden;

2. durch genaue Besichtigung der gereinigten Oberflächen mit der Lupe;

3. durch Abnahme dünner Späne mit einem Hohlmeißel oder durch Abdrehen eines feinen Schlichtspanes an der anbruchverdächtigen Stelle. – Anbrüche werden hierbei durch Spalten oder Teilen der Späne bemerkbar;

4. durch die sogenannte Staubprobe, wobei der gereinigte Achsstummel mit trockenem Lehmpulver bestreut und sodann Hammerschläge gegen die Stummelrose geführt werden (wie unter 1.). Anbruchstellen werden durch Austritt von Fett die Staubschichte dunkelfarbig erscheinen lassen.

Bei dieser Untersuchungsart der Radsitze werden letztere vorher handwarm gemacht, dann mit Öl bestrichen und mehrere Stunden so belassen, damit sich das Öl in etwaige Anrisse hineinzieht. Hierauf wird der Radsitz abgewischt, eingestaubt und in vorbeschriebener Weise mit Hammerschlägen bearbeitet;

5. durch Glühendmachen und nachfolgendes Abschrecken, um ein Öffnen der Anrisse zu bewirken, die gut befundenen Achsen müssen dann vor Verwendung ausgeglüht werden;

6. Die Untersuchung gekröpfter Lokomotivtriebachsen wird auch in der Weise bewerkstelligt, daß die ausgebundenen Radsätze nach Abnehmen der Exzenterscheiben unter Abrollen auf mindestens eine ganze Radumdrehung, über auf die Schienen aufgelegte 3 bis 5 cm starke Holzkeile, Erschütterungen ausgesetzt werden, wobei vorhandene Anrisse durch austretende Öltropfen und dünne Ölfäden auf den blanken Oberflächen der Achsen sich zeigen.

Die Untersuchung der Nabensitze kann selbstverständlich stets nur nach Abpressen der Räder erfolgen.

Rostspuren neben den Nabensitzen lassen Anbrüche in den Naben vermuten.

Um das Entstehen von A. möglichst hintanzuhalten, empfiehlt es sich:

1. für Achsen nur bestes, verläßliches Material zu verwenden;

2. die Nabensitze so zu verstärken, daß A. womöglich nicht in den verdeckten Achsstellen entstehen.

Versuchsweise hat man die Naben innen verlängert, gleichzeitig die Achse im Nabensitz verstärkt, sodann die der Achsmitte zuliegende Stirnseite der Radnabe um deren Verlängerung abgestochen und gegen die Achsschaftmitte allmählich verlaufend abgedreht;

3. die Anbringung von Achskeilen nur auf sehr große Lokomotivräder zu beschränken, Keile und Nuten mit abgerundeten Kanten auszuführen.

Schützenhofer sen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 81-82.
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