Agenten

[110] Agenten (agents; agents; agenti). In Deutschland und Österreich werden unter A. schlechthin solche Personen bezeichnet, die von den Eisenbahnverwaltungen sowohl an den Hauptpunkten ihrer Linien als auch an anderen für ihren Verkehr wichtigen Verkehrszentren, auch im Auslande bestellt sind, um die Eisenbahnverwaltungen über Verkehrsverhältnisse zu unterrichten, vielfach auch, um an Parteien Auskünfte über Tarife, Fahrpläne u.s.w. zu geben. Sie stehen selten in dauerndem Dienstverhältnis, meistens werden als A. Geschäftsleute, namentlich Spediteure bestellt, deren Vergütung sich nach dem Ergebnisse ihrer Tätigkeit als Anwerber von Verkehr bemißt. Die Zahl dieser Personen ist jedenfalls im mittleren Europa fast in gleichem Maße geringer geworden, in dem das Staatsbahnsystem sich ausgedehnt hat. Manche Staatsbahnen bestellen A. der bezeichneten Art überhaupt nicht mehr. Dagegen beteiligen sie sich an den Auskunftsstellen (s.d.), die zur Erleichterung der Auskunftserteilung an die Verkehrstreibenden und Reisenden eingerichtet sind und nicht den Zweck haben, die Benutzung einzelner Linien anzupreisen.

Englische und französische Bahnverwaltungen bedienen sich indessen auch jetzt noch häufiger der für einzelne Bahnen werbenden A., u. zw. nicht bloß im Inlande, sondern auch im Auslande. Ähnliches gilt von den belgischen, österreichischen und russischen Staatsbahnen.

In ausgedehntestem Maße war das für einzelne Bahnlinien werbende Agentenwesen in Nordamerika ausgebildet. Die A. von Konkurrenzunternehmungen traten in geradezu marktschreierischer Weise hervor, und es sollen sich sogar Bahnverwaltungen mit den sog. »Scalpers«, Leuten, die unerlaubten Handel mit Eisenbahnfahrkarten treiben, in Verbindung gesetzt haben. Schattenseiten schlimmster Art haben zwar die Bahngesellschaften gezwungen, das so geordnete Agentenwesen einzuschränken, immerhin ist es auch jetzt noch nicht ausgerottet (Hoff-Schwabach, Die nordamerikanischen Eisenbahnen, S. 121, 197, 206 ff.).

Als A. werden vielfach auch die Personen bezeichnet, die in Hotels, Kaufläden größerer Städte u.s.w. mit Zustimmung oder auf Veranlassung der Bahnverwaltungen Fahrkarten, Zusatzkarten verabfolgen. Diese Einrichtung wird zur Erleichterung des Reiseverkehrs gepflegt.

Als Bahnagenten oder Güteragenten sind häufig auf Haltestellen oder Haltepunkten von Neben-, Lokal- oder Kleinbahnen mit geringem Verkehr teils Bedienstete der Eisenbahnen, teils Privatpersonen, namentlich in der Nähe der Bahn seßhafte Gastwirte, Landwirte oder Handwerker bestellt, denen die Besorgung des Abfertigungsdienstes obliegt, wofür sie feste oder nach dem Verkehr bemessene Vergütungen erhalten. Der Betriebsdienst pflegt in solchen Fällen von dem beamteten Zugspersonal auch auf den Haltestellen wahrgenommen zu werden. Seltener werden solche Bahnagenten aus der Zahl der Hilfsbediensteten entnommen. Geschieht dies, so pflegt ihnen der gesamte Dienst übertragen zu werden. Die Erfahrungen, die mit Bahnagenten gemacht sind, lauten im allgemeinen günstig. (Ztg. d. VDEV. 1910, S. 1430.)

Es kommt auch vor, daß von der Eisenbahnverwaltung in seitwärts von der Bahnlinie[110] gelegenen Orten Güternebenstellen errichtet werden. Mit der Annahme der Güter an solchen Orten werden ebenfalls ansässige Personen als A. betraut (s. Güternebenstellen).

In größerer Zahl kommen A. auf den Schmalspurbahnen der sächsischen Staatsbahnen vor. Der Stationsdienst der Schmalspurbahnen wird nur auf den wichtigeren Verkehrsstellen durch besondere Stationsbeamte besorgt, auf minder frequenten Haltepunkten dagegen – soweit dies im einzelnen Fall angängig – durch Privatpersonen. Diese – die sog. Güteragenten – haben dieses Geschäft vertragsmäßig übernommen und beziehen als Entschädigung dafür Gebühren. Die Güteragenten sind vorwiegend Wirte, Gewerbetreibende und Kommunalbeamte, die in der Nähe der Haltestelle wohnen und die Besorgung des Agenturdienstes als Nebenbeschäftigung übernommen haben. Sie haben die Stationsanlagen in Ordnung zu halten und sich während der Stunden, wo Züge auf der Haltestelle verkehren, dort einzufinden und das Ein- und Ausladen der Stückgüter zu besorgen sowie außerdem beim Wagenan- und -absetzen und beim Weichenstellen hilfreiche Hand zu leisten. Jeder Güteragent hat eine Kaution von 200–600 M. zu hinterlegen. Für die Vertragsaufkündigung ist eine Frist von 3 Monaten festgesetzt. Die Bahnverwaltung kann überdies ihre Zusicherungen ohneweiters dann widerrufen, wenn sich dies aus eisenbahnbetrieblichen Rücksichten erforderlich macht oder der Güteragent seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Eine Vergütung wurde dem Güteragenten für die ihm obliegenden Geschäfte von der Bahnverwaltung ursprünglich nicht gewährt. Es war ihm aber gestattet, von den Versendern der auf der Haltestelle zur Beförderung aufgegebenen und den Empfängern der dort eingehenden Sendungen neben den tarifmäßigen Sätzen eine von der Verwaltung bestimmte Gebühr einzuheben. Ihre Rechtfertigung fand diese Gebühr darin, daß der Verkehr der in dieser Weise verwalteten Haltepunkte nicht groß genug ist, um die Errichtung besonderer Verkehrsstellen mit eigenen Beamten gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Mithin können für derartige kleinere Verkehrsplätze Haltepunkte nur dann in Frage kommen, wenn sich die Interessenten zur wenigstens anteiligen Übertragung des durch den Bestand der Haltestellen verursachten Aufwandes bereit finden lassen. Diese Übertragung soll durch die an die Güteragenten zu zahlende Gebühr herbeigeführt werden. Im Jahre 1895 gab es auf 79 Schmalspurstationen Güteragenten. Später sind außer bei Schmalspurbahnen Güteragenturen auch an normalspurigen Nebenbahnen und vollspurigen Bahnen errichtet worden. Zurzeit bestehen im ganzen sächsischen KEB.-Bereich 181. Der Standpunkt, daß die Kosten der Güteragenturen durch die Interessenten zu tragen seien, ist im Jahre 1899 von der Bahnverwaltung verlassen worden. Es wurde gleichzeitig mit einer Neuregelung der Schmalspurtarife in Aussicht genommen, auf sämtlichen mit Güteragenten besetzten Stationen die Agenturgebühren auf die Staatskasse zu übernehmen, u. zw. mit dem 1. Oktober 1899. Zu diesem Zwecke wurden mit den Güteragenten Nachträge zu den bestehenden Verträgen abgeschlossen, nach denen den Empfängern und Versendern von Gütern Agenturgebühren nicht mehr in Rechnung zu stellen sind, diese vielmehr den Agenten auf Grund monatlicher Nachweisungen durch die Güterkassen ausgezahlt werden. Die Kosten, die der KEBV. hierdurch erwachsen, wurden auf jährlich etwa 65.000 M. veranschlagt. Im Jahre 1903 sind dann die Güteragenturgebühren pauschaliert worden, u. zw. ist bei jeder Agentur der in den letzten 3 Jahren gezahlte Durchschnittsbetrag zu gründe gelegt worden mit der Maßgabe, daß ein Höchstsatz von 900 M. jährlich nur ausnahmsweise und aus besonderen Gründen überschritten werden soll. Der Pauschalbetrag ist dergestalt zu bemessen, daß sich bei Teilung durch 12 volle Mark ergeben. Die Pauschalsumme ist in monatlichen Teilbeträgen nachträglich zu zahlen. Bei neueröffneten Haltestellen werden den Güteragenten zunächst noch Einzelgebühren bezahlt. Die Pauschalierung erfolgt erst nach Ablauf eines Jahres nach der Betriebseröffnung. Im Jahre 1910 sind die Abschlüsse von Verträgen über die Verwendung von Güteragenten den Betriebsdirektionen übertragen worden. Die Generaldirektion hat sich lediglich die Entscheidung darüber vorbehalten, ob neue Verkehrsstellen mit Güteragenten oder Eisenbahnbediensteten sowie über Besetzung von vorhandenen Stationen mit Güteragenturen mit Eisenbahnpersonal sowie über Gewährung einer Pauschalgebühr von mehr als 9000 M. jährlich.

Auch auf den bayrischen Lokalbahnen sind A. in größerer Zahl bestellt.

Ihnen obliegt außer der Annahme und Abgabe der Güter, der Ausfertigung der Frachtbriefe und Einhebung der Gebühren auch die Kontrolle über die Wechselstellung, die Beihilfe bei letzterer, beim Verschieben sowie beim Ein- und Ausladen, ferner die Reinigung, Beheizung und Beleuchtung der Stationsanlagen; außerdem besorgt der Güteragent in einzelnen Fällen auch die Streckenbegehung und meist auch die Abfuhr der Güter nach[111] der Wohnung der Empfänger. Als Entschädigung hebt der Güteragent von den Absendern, bzw. Empfängern bestimmte reglementarische Nebengebühren (Gebühr für Abstempeln, Ausfüllen der Frachtbriefe und Signieren der Kolli, das Waggeld, die Zählgebühr und das Lagergeld), ferner für jede abgehende oder ankommende Wagenladung 50 Pf. und außerdem die festgesetzten Gebühren für das Zustellen der Güter ein. Vielfach wird den Güteragenten von der Bahnverwaltung ein Mindestbetrag von 300–500 M. für das Jahr gewährleistet. Dagegen muß der Güteragent Beheizung und Beleuchtung der Diensträume auf eigene Kosten bestreiten. Der Güteragent hat eine entsprechende Sicherstellung zu leisten; er wird vom Betriebsleiter für den Dienst eingeschult und im Sinne des § 68 des Bahnpolizeireglements dienstlich verpflichtet.

Endlich führen bei den englischen und namentlich bei den nordamerikanischen mehrere Klassen von Angestellten die Bezeichnung als »Agents«. So verfügt der »General Passenger-Agent« über den Druck und die Verteilung der Fahrkarten und über das Veröffentlichungs- und Reklamewesen, wobei er von »Ticket-« und »Passenger-Agents«, öfter auch von »Baggage-Agents« unterstützt wird. Eine besonders wichtige Rolle spielt auch der »Purchasing-Agent«, der Leiter der Einkaufsabteilung bei den Eisenbahnverwaltungen.

Hoff.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 110-112.
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