Baldwin

[469] Baldwin, Matthias William, Gründer der derzeit größten Lokomotivfabrik der Welt, der »Baldwin Locomotive Works, Burnham Williams & Co., Philadelphia, Pa. Vereinigte Staaten von Nordamerika.«

Baldwin – über dessen Geburtsort keine Daten vorliegen – wurde im Jahre 1795 geboren. Er kam im Jahre 1817 in Philadelphia zu einem Goldschmied in die Lehre. Zwei Jahre später machte er sich selbständig; er gab aber wegen ungünstigen Geschäftsganges diesen Beruf auf und verband sich 1825 mit einem Mechaniker, David Mason, zur Gründung einer kleinen Werkstätte für Anfertigung von Buchbinderwerkzeugen. Der Erfolg war so groß, daß sich die Anschaffung einer Dampfmaschine zum Antrieb der Bearbeitungsmaschinen als nötig erwies. Die Ausführung dieser Maschine, nach eigenen Plänen, nahm B. selbst im Jahre 1830 in die Hand. Auf Grund vorzüglicher Betriebsergebnisse war die kleine Fabrik bald reichlich mit Bestellungen auf ähnlich gebaute Dampfmaschinen versehen.

Der Bau dieser Dampfmaschinen, mehr noch aber das über Anregung von Franklin Peale, Direktor des Museums in Philadelphia, von Baldwin nur nach Skizzen und Beschreibungen über die an dem Rainhill-Wettbewerb in England beteiligten Lokomotiven angefertigte Modell einer Lokomotive, lenkte so sehr die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn, als einen der tüchtigsten Techniker, daß er im Jahre 1831 den Auftrag zum Bau einer Lokomotive für die Philadelphia-Germantown-Norristown-Eisenbahngesellschaft erhielt.

Diese erste Baldwinsche Lokomotive, die, bei dem Umstände, daß die Hauptrahmen aus Holz bestanden, den etwas sonderbaren Namen »Old Ironsides« erhielt, kam am 23. November 1832 in Dienst. Die Schwierigkeiten, die B. beim Bau dieser Lokomotive zu überwinden hatte, die oft auftretenden Betriebsanstände, zurückzuführen auf die unzulänglichen Einrichtungen, die bei ihrem Bau zu Gebote standen und die anfängliche Weigerung der Bahnverwaltung »Old Ironsides« wirklich anzukaufen, entmutigten B. so, daß er der festen Meinung Ausdruck gab: »Das ist unsere letzte Lokomotive«.

Der Einfluß aber, den maßgebende amerikanische Bahnbauer auf B. ausübten, veranlaßte ihn, auf dem betretenen Wege fortzuschreiten. Die zweite von ihm im Jahre 1834 für die Charlston-Hamburg-Eisenbahn gebaute Lokomotive zeigte in allen Einzelteilen einen solchen Fortschritt, daß noch in demselben Jahre 4 Lokomotiven ähnlicher Bauart für andere Bahnen zur Ausführung gelangten und eine Vergrößerung der Fabrik vorgenommen werden mußte. In jedem der Jahre 1836 und 1837 kamen 40 Lokomotiven zur Ablieferung. Die im Jahre 1837 in Amerika einsetzende finanzielle Krise konnte auch B. nur mit größter Anstrengung überstehen; erst nach 1840 besserten sich wieder die Verhältnisse und es ergab sich sogar die Möglichkeit des Exports nach dem Kontinent. Die erste von B. nach Europa verschiffte Lokomotive dürfte die von der österreichischen Kaiser-Ferdinands-Nordbahn angekaufte Lokomotive »Baltimore«, Fabrik-Nr. 157, in Wien am 11. August 1841 in Dienst gestellt, gewesen sein.

Die vielen von B. selbst ausgeführten Neuerungen und Verbesserungen hinsichtlich Entwurf, Herstellungsweise und Material finden an geeigneter Stelle ihre Würdigung (s. Lokomotive).

B. hat bis zu seinem am 7. September 1866 erfolgten Tode unermüdlich an der Ausgestaltung seines Lebenswerkes gearbeitet und die Leistung der Fabrik auf rund 150 Stück Lokomotiven im Jahr gebracht. Die nach dem Bürgerkriege in Riesenschritten einsetzende industrielle Entwicklung der Union brachte das von B. gut gegründete und ausgezeichnet organisierte Unternehmen derart vorwärts, daß die Leistungsfähigkeit, sprunghaft steigend – 1870 rund 300 Lokomotiven, 1880 rund 500 Lokomotiven, 1890 rund 1000 Lokomotiven, heute 3000 Lokomotiven im Jahr erreicht.

Im Jahre 1861 erfolgte die Fertigstellung der 1000., im Jahre 1880 der 5000., im Jahre 1902 die der 20.000. Lokomotive. Bis zum Jahre 1910 waren rund 30.000 Lokomotiven aus den Baldwin Works hervorgegangen.

Die Verdienste, die sich B. nicht nur als schaffender Techniker und Industrieller, sondern auch wegen seines menschenfreundlichen Wirkens um die Stadt Philadelphia erworben hat, fanden durch die im Jahre 1906 erfolgte Errichtung seines Standbildes vor dem Eingange zu den »Baldwin Works« Würdigung.

Gölsdorf.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 469-470.
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