Betriebskapital

[313] Betriebskapital (rolling-founds; fonds de roulement; capitale dell'esercizio) ist bei den Eisenbahnen im Gegensatz zu dem investierten[313] (stehenden) Kapital jenes, das vorhanden sein muß, um einen Teil der laufenden Betriebsausgaben zu decken. In der Regel wird bei Eröffnung einer Eisenbahn aus dem Baukapital ein entsprechender Betrag zur Anschaffung der für die erste Zeit erforderlichen Materialien sowie der sonstigen Betriebsausgaben (s. Betriebsvorauslagen) verwendet; das weitere B. bilden die laufenden Einnahmen, soweit sie zur Deckung der Ausgaben benötigt und verwendet werden.

Was die erforderliche Größe des B. anlangt, so bedarf es selbstverständlich nur eines gewissen Teiles der jährlichen gesamten Betriebsausgaben.

Nach Sax, Die Eisenbahnen. Wien 1879, genügt außer einem ständigen Vorrat von Materialien ein Barvorrat in der Höhe der Hälfte des Jahresgeldbedarfs.

Das außerordentliche Budget der bayerischen Staatsbahnen für die Jahre 1908/09 sieht eine Erhöhung des Betriebsfonds von rund 6∙3 auf 20 Mill. M. vor. Zur Begründung ist gesagt, der Betriebsfonds sei dazu bestimmt, die Kosten der vorrätig zu haltenden Betriebsmaterialien zu decken und dadurch zu verhindern, daß im Laufe eines Rechnungsjahres das Betriebsergebnis um den Wert der jeweiligen Vorräte gemindert werde, und diese Minderung erst später – nach Übertragung der Vorräte auf neue Rechnung – zur Ablieferung gelange. Dieser Fonds betrage 6,312.479∙5 M, habe sich aber schon seit 1890 als unzureichend erwiesen. Soweit der Fonds für seine Zwecke nicht zugereicht habe, sei es notwendig gewesen, laufende Betriebseinnahmen vorübergehend hierfür in Anspruch zu nehmen, wodurch Verspätungen in der Ablieferung der Eisenbahnerträgnisse, mancherlei Erschwerungen im Dienste der Eisenbahnschuld und der staatlichen Geldgebarung überhaupt veranlaßt worden seien. Der Materialaufwand sei von 1890 bis 1906 von rund 16∙5 auf 33∙1, der Wert der Vorräte von 8∙0 auf 15∙5 Mill. M. gestiegen. Eine gute Wirtschaftsführung lasse einen Betriebsfonds von etwa der Hälfte des Materialaufwandes als notwendig erscheinen. Da die Hälfte des Materialaufwandes für die bayerischen und für die von 1909 an verstaatlichten pfälzischen Eisenbahnen rund 20 Millionen betragen werde, bedürfe der vorhandene Betriebsfonds einer Erhöhung um rund 14 Millionen, die durch Anlehen aufzubringen seien.

Bringt man auch die Betriebsausgaben in Zusammenhang mit dem B. – ein Zusammenhang, der wohl näher liegt als der mit dem Anlagekapital, weil das B. für einen gewissen Teil der Betriebsausgaben zureichen muß, also in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Ausgaben steht – so führen die bayerischen Erfahrungen zu folgender Übersicht:


Betriebskapital

Hieraus darf der Schluß gezogen werden, daß ein B. von 1/10 der Betriebsausgaben sicher ausreicht, während der Bestand, wenn er nur mehr etwa 1/20 der Betriebsausgaben oder noch weniger beziffert, in sehr fühlbarem Maße unzureichend wird.

Manche Staatseisenbahnen haben überhaupt kein besonderes B.; für sie treten an die Stelle des B. die Bestände der Zentralstaatskasse.

Das ist z.B. der Fall bei den preußischen Staatseisenbahnen. Die Einnahmen und Ausgaben dieser Verwaltung bilden einen Teil der gesamten Staatseinnahmen und -ausgaben. Die Eisenbahnhauptkassen sind daher der Generalstaatskasse angegliedert, von der sie erforderlichenfalls die nötigen Geldmittel erhalten und an die sie ihre Bestände abführen. Die Generalstaatskasse hatte am Ende des Etatsjahres 1909 ein B. von 141∙4 Mill. M. Ferner standen zur Deckung der Ausgaben am Anfang des Etatsjahres 1910 die für 1909 als Ausgaberest verbliebenen Beträge von zusammen 241∙2 Mill. M. und die Ende 1909 verbliebenen Bestände bei den Anleihekreditkonten zur Verfügung. Aus diesen Mitteln waren die Werte der Materialbestände der Eisenbahnverwaltung Ende 1909 in Höhe von 205∙4 Mill. M. sowie die vom 1. April 1910 im voraus zahlbaren Gehälter aller Staatsbeamten zu decken.

Auch die österr. Staatsbahnen haben keine eigene Geldgebarung und kein festes B.; sie nehmen die Kassenbestände des Staates nach Bedarf in Anspruch oder sie führen von den Einnahmeüberschüssen nur so viel ab, als sie[314] nicht für Materialankäufe, zur Dotierung ihrer Kassen u.s.w. benötigen. Nachstehende Übersicht läßt die einschlägigen Verhältnisse der österreichischen Staatsbahnen für die Jahre 1906 mit 1910 ersehen:


Betriebskapital

Heubach.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 313-315.
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