Brückenauswechslung

[100] Brückenauswechslung, der unter Aufrechthaltung oder wenigstens mit nur geringer Störung des Verkehrs vor sich gehende Ersatz eines den Anforderungen des Betriebs nicht mehr entsprechenden Brückentragwerks durch ein neues. Der neue Brückenüberbau kommt dabei gewöhnlich auf die alten Pfeiler und Widerlager oder wenigstens in die gleiche Brückenachse zu lagern, und es bedingt die Vermeidung längerer Verkehrsunterbrechungen einen möglichst raschen Arbeitsvorgang, wodurch sich eine B. von einem gewöhnlichen Brückenumbau unterscheidet, bei dem der Verkehr entweder zeitweise ganz unterbrochen ist oder über eine Notbrücke geführt wird. In diesem Sinne kommen B. nur bei Eisenbahnen vor, und handelt es sich da entweder um den Ersatz hölzerner Brückenüberbauten durch eiserne oder um die Auswechslung älterer Eisenbrücken, die infolge Mangelhaftigkeit des Systems (z.B. Schifkornbrücken, Flacheisengitterbrücken) oder zu schwacher Abmessungen nicht mehr die nötige Sicherheit bieten und bei denen eine vollständige Erneuerung einer Verstärkung (s. Verstärkung der eisernen Brücken) vorgezogen wird.

Der Vorgang bei der Auswechslung kann ein verschiedener sein: 1. Das neue Tragwerk wird gleich in endgültiger Lage an der Stelle der bestehenden Brücke montiert. Es ist dazu notwendig, das Gleis zu unterbauen und von provisorischen Stützen tragen zu lassen, so daß der alte Überbau abgebrochen und das neue Tragwerk aufgestellt werden kann, wobei meist eine provisorische Nivellettehebung notwendig sein wird, um die Arbeiten ohne Störung des Betriebs vornehmen zu können. Dieser Vorgang wird aber nur tunlich erscheinen, wenn die Brücke in nicht zu großer Höhe liegt und das Unterbauen des Gleises keinen Schwierigkeiten begegnet. Sonst kann man bei entsprechender Querschnittsanordnung die neue Brücke so in die alte hineinbauen, daß der Verkehr auf letzterer so lange geführt wird, bis in einer Betriebspause die Übertragung der Lasten von den alten Fahrbahnträgern auf die neuen stattfinden kann. Immerhin ist aber mit dieser Ausführungsweise eine beträchtliche Erschwernis und Verteuerung der Montagearbeiten verbunden. 2. Die neue Brücke wird seitlich neben der alten Brücke auf einem Hilfsgerüst montiert, dann wird der alte Überbau während einer Betriebspause auf ein auf der anderen Seite des Betriebsgleises errichtetes Gerüst abgesetzt oder bei Holzbrücken stückweise abgetragen und der neue Überbau in seine endgültige Lage eingeschoben. Bei diesem Vorgange sind ebenso wie bei der dritten[100] Methode, dem Einfahren der Brücken, Gefährdungen des Betriebs ausgeschlossen; er kommt daher, wenigstens bei der Auswechslung größerer eiserner Überbauten, auch am häufigsten zur Anwendung. Die Vorkehrungen zum Beseitigen der alten und zum Einschieben der neuen Brücke müssen aber auf das sorgfältigste getroffen werden, um die dadurch bedingte Verkehrsunterbrechung auf das tunlichst kürzeste Zeitmaß beschränken zu können. Die Verschiebung erfolgt mittels Walzen, Wagen, Kugeln oder Schlitten, auf die der Überbau mit seinen Enden gelagert und quer zur Brückenlängsachse auf einer Rollbahn verschoben wird. Letztere muß genau ausgerichtet und gut unterstützt sein. Sie besteht aus einer oder mehreren nebeneinander liegenden Schienen von starkem Profil. Die zur Verschiebung verwendeten Wagen haben Räder mit beiderseitigem Spurkranz. Vorteilhafter ist die Verschiebung auf Kugeln (die zwischen horizontal liegenden Brückenauswechslung-Trägern laufen, von denen der eine auf dem Untergerüst liegt, der andere mit dem Tragwerk verbunden ist), da hier der Verschiebungswiderstand geringer und auch eine kleine Verschiebung nach der Längsrichtung möglich ist. Bei B. auf den rumänischen Staatsbahnen hat sich ein einfacher Schlittenapparat gut bewährt. Die Verschiebung der Überbauten erfolgte auf einer Bahn aus parallel liegenden, gut geölten Schienen. Der Schlitten besteht ebenfalls aus Schienen, die aber umgekehrt liegen, so daß die Reibung zwischen den Laufflächen der Schienen stattfindet. Die Verschiebung erfolgt mit Hilfe von Flaschenzügen und Winden. Die gesamte Zeitdauer der Auswechslung, also das Anheben des alten Überbaues, Wegnehmen der Lager, Absetzen dieses Überbaues auf die Verschubvorrichtungen, Verschieben der beiden Überbauten, Senken des neuen Überbaues auf seine Lager und Anschließen des Gleises an den Brückenenden erfordert nicht mehr als etwa 1–11/2 Stunden.

3. Die neue Brücke wird fertig montiert eingefahren. Kleinere Brücken bis zu etwa 12 m Spannweite lassen sich in dieser Art am einfachsten auswechseln. Sie werden auf einen oder zwei Wagen verladen und auf dem Gleis zur Brückenstelle gefahren. Blechbrücken bis zu 5 m Spannweite können mit Hilfe eines mitgeführten transportablen Kranes abgehoben und durch die neue Konstruktion ersetzt werden, wozu bei entsprechender Vorbereitung eine einstündige Betriebspause ausreicht. Bei größerem Tragwerk wird man den neuen Überbau von den Wagen abheben, mit Schwellen unterbauen und dann auf Walzenwagen herablassen. Er wird dann über die alte Brücke gewalzt und vorläufig so hoch auf die Widerlager gelagert, daß die alte Konstruktion entfernt werden kann. Hierauf wird die neue Brücke herabgelassen, eingerichtet und es werden schließlich die Gleisanschlüsse hergestellt. Zum Herablassen dienen Schraubenspindeln, Sandzylinder. Man hat auch die alte Konstruktion nach Kürzung der Trägerenden an die neue Brücke angehängt und beide gemeinsam herabgesenkt. Nach Fahrbarmachung des Gleises wurden dann erst die alten Träger auseinander genommen und beseitigt.

Melan.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 100-101.
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