Dienstabteil

[330] Dienstabteil (service compartment; compartiment de service; compartimento del servizio), ein in den Zügen für dienstliche Zwecke besonders eingerichtetes oder frei gehaltenes Wagenabteil. – Bei allen Zügen, besonders bei denen, die keine Personenwagen mit sich führen, ist es nötig, für die am Zuge dienstverrichtenden Beamten (s. Zugbegleitung) besondere Räume bereitzuhalten, in denen sie ihre Arbeit verrichten und ihre Geräte aufbewahren können. Auf Hauptbahnen darf bei Personenzügen im allgemeinen der erste Wagen hinter der Lokomotive mit Reisenden nicht besetzt werden (s. Schutzwagen). Um ihn auszunutzen, wird er für die Gepäckbeförderung verwendet. Da vom ersten Wagen aus eine Verständigung mit dem Lokomotivführer am leichtesten möglich ist, auch Zug- und Bahnstrecke von hier am besten zu übersehen sind, so eignet sich der Gepäckwagen (s.d.) in erster Linie für den Aufenthalt des Aufsichtsbeamten des Zuges, des Zugführers (s.d.). In den Gepäckwagen wird deshalb ein für allemal ein D. eingerichtet, das in erster Linie für den Zugführer bestimmt ist. Begleitet ein Fahrladebeamter – Packmeister oder Gepäckschaffner – den Zug zur Beaufsichtigung des durch eine innere Tür vom D. aus zugänglichen Gepäckraumes oder der sonst im Zuge befindlichen Gepäck-[330] oder Gütersendungen, so nimmt auch dieser im D. des Zugsführers Platz, wenn nicht für ihn ein besonderes D. hergerichtet ist. Beide Beamten haben schriftliche Arbeiten während der Fahrt zu verrichten. Vor ihren Sitzen sind deshalb Tische und Brieffächer zum Ordnen und Aufbewahren von Frachtbriefen, Begleitscheinen, Dienstbriefen und Vordrucken angebracht. Außerdem sind im D. verschließbare Schränke und Kasten zur Unterbringung der im Zuge mitzuführenden Signalmittel und Geräte (s. Betriebsinventar), in Packwagen, die zur Beförderung von Geldsendungen bestimmt sind, auch verschließbare Geldkisten vorhanden.

Der Platz für den Zugführer wird in der Regel so angeordnet, daß er einen Ausblick nach dem Zuge und der Bahnstrecke gestattet. Ein gleich günstiger Platz für die Beobachtung der Bahnstrecke und der Signale wie für den Lokomotivführer, läßt sich allerdings nicht herrichten. Auch von dem unmittelbar hinter der Lokomotive laufenden Gepäckwagen aus ist der Ausblick nicht annähernd so gut wie vom Führerstande der Lokomotive. Durch die letztere und ihren Tender wird ein Teil des Gesichtsfeldes verdeckt, zeitweise wird es sogar gänzlich verhüllt durch Dampf und Rauch der Lokomotive. Trotzdem will man nicht gern auf die Mitbeteiligung des Zugführers bei der Signalbeobachtung, für die der Lokomotivführer in erster Linie verantwortlich bleibt, verzichten. Dem Zugführer obliegt die Beaufsichtigung des gesamten Dienstes am Zuge. Es wird ihm daher die besondere Pflicht auferlegt, die Befolgung der Signale, die dem Zuge gegeben werden, zu überwachen, sich möglichst oft vom Zustande des Zuges Überzeugung zu verschaffen und so lange es ihm seine sonstigen Dienstgeschäfte gestatten, auf die Signale und Wegeschranken zu achten. Aus diesem Grunde wird der Platz des Zugführers im D. des Gepäckwagens so eingerichtet, daß er einen möglichst guten Ausblick nach vorwärts und rückwärts über Zug und Bahnstrecke gestattet. Der Platz wird in der Regel erhöht in einem das Wagendach überragenden Aufbau so angeordnet, daß der Zugführer, ohne sich vom Sitz erheben zu müssen, freien Ausblick nach vorwärts und rückwärts hat. Ist nur in einer Richtung ein freier Ausblick möglich, so wird wohl durch Anbringung von Spiegeln über oder neben dem Sitz dafür gesorgt, daß der Zug auch in der entgegengesetzten Richtung übersehen werden kann. – Von seinem Platze aus vermag der Zugführer die Bremse des Wagens oder beim Vorhandensein einer durchgehenden Bremse auch diese in Tätigkeit zu setzen. Ein in die Bremsleitung eingeschaltetes Manometer ermöglicht die Überwachung der Dienstbereitschaft der durchgehenden Bremse.

Über die bei den einzelnen Verwaltungen übliche, aus den vorstehend besprochenen Anforderungen sich ergebende Anordnung der D., die je nach Größe und Bauart der Wagen erhebliche Unterschiede aufweist, s. Gepäckwagen. – Gepäckwagen mit 2 D., eines an jeder Stirnseite des Wagens, werden nur noch selten gebaut. Die Regel bilden Gepäckwagen mit einem D., das entweder am Ende oder in der Mitte des Wagens angeordnet wird. Die letztere Bauart, die bei den belgischen und französischen Bahnen bevorzugt wird und auch bei den vierachsigen Schnellzuggepäckwagen der deutschen Eisenbahnen Anwendung findet, hat den Nachteil, daß der Wagenraum durch das D. in zwei Teile getrennt wird, zwischen denen Gepäckstücke nur in beschränkter Weise hin und her befördert werden können, dagegen den Vorteil, daß die Beamten im D. bei Unfällen besser geschützt sind. Auch gestattet die Lage des D. in der Mitte des Wagens einen nach beiden Seiten gleich günstigen Ausblick.

Wenn das D. im Gepäckwagen auch für die Schaffner (s.d.) des Zuges noch Platz bieten würde, so läßt sich in den Personenzügen die Vorhaltung eines weiteren D. doch nicht immer vermeiden. Damit die Schaffner beim Anhalten des Zuges rechtzeitig zum Ausrufen (s.d.) der Stationen und zum Öffnen der Türen zur Stelle sind, müssen sie in möglichster Nähe der ihnen zur Bedienung zugewiesenen Wagen untergebracht werden. Die Zurücklegung des Weges vom Gepäckwagen bei Ankunft des Zuges und zurück bei der Abfahrt würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen und die Aufenthalte über Gebühr verlängern. Es wird deshalb für das Zugbegleitpersonal außer dem Zugführerabteil im Gepäckwagen in der Regel noch ein zweites D. im Zuge vorgehalten und hierzu ein gewöhnliches Abteil dritter Klasse möglichst nahe der Mitte des Zuges durch ein Schild als D. bezeichnet. Auf den deutschen Eisenbahnen darf das Zugbegleitpersonal nach § 92 der Fahrdienstvorschriften ein D. in der ersten oder zweiten Klasse, auch wenn der Zug nur diese Klassen führt, nicht einrichten. Auf den preuß.-hess. Staatsbahnen darf ein D. bei Zügen, in denen ein Gepäckwagen mit Zugführerabteil läuft, überhaupt nur eingerichtet werden, wenn zwei oder mehr im Schaffnerdienst volltätige Beamte den Zug begleiten. Ist kein D. in den Personenwagen vorhanden, so kann ein solches für Zugpersonale, die zur Übernahme oder nach Ableistung[331] des Dienstes in einem Zuge mitfahren, auf besondere Anordnung der Eisenbahndirektion eingerichtet werden. Bei Platzmangel ist das D. dem Reiseverkehr freizugeben. – Um in den D.-Zügen (s.d.) nicht ein ganzes Abteil den Zugbegleitbeamten einräumen und dem Verkehr entziehen zu müssen, werden entweder in den Gängen am Wagenende Plätze für den Schaffner hergerichtet oder besondere kleine, abgeschlossene Diensträume für die Schaffner und für die Dienstfrau (s.d.) bereitgehalten.

Auch bei den Güterzügen wird in der Regel ein Gepäckwagen mitgeführt, in dessen D. der Zugführer Platz nimmt. Da eine Gepäckbeförderung hier nicht stattfindet, auch sonst zur Ausnutzung des Wagenraumes nur selten Gelegenheit sich findet, so ist der ganze Wagen für Dienstzwecke verfügbar. Der Gepäckraum dient dann zum Aufenthalt der Schaffner in den Dienstpausen, oder so lange sie zur Bremsbedienung nicht erforderlich sind. Auch nehmen hier die Personen Platz, die nach den Tarifvorschriften oder sonstigen Bestimmungen für Überwachung von Tiersendungen (s.d.) im Zuge mitfahren müssen, oder aus anderem Anlaß mitfahren dürfen. – Bei einfachen Betriebsverhältnissen wird auf die Vorhaltung besonderer D. wohl verzichtet. So wird in Nebenbahn- und Kleinbahnzügen ein Platz für den Zugführer in der Regel im Gepäckraum des gemeinschaftlich zur Gepäck- und Postbeförderung bestimmten Dienstwagens eingerichtet.

Für die Züge des Stadt- und Vorortverkehres werden häufig besondere Personenwagen mit Gepäckraum gebaut, der dann gleichzeitig für den Aufenthalt des Zugführers dient. Befördern diese Züge kein Gepäck, so wird in der Regel das letzte Abteil im Zuge als D. für den Zugführer bestimmt. Auf die Einrichtung eines erhöhten Sitzes mit Ausblick, wird in allen solchen Fällen gewöhnlich verzichtet. Da für die Zugbegleitung hier ein Beamter ausreicht, so nimmt dieser zweckmäßig am Ende des Zuges seinen Platz ein, während der Zug vorne durch Lokomotivführer und Heizer überwacht wird. Ist jedoch an der Spitze des Zuges nur ein Beamter tätig, wie es beim elektrischen Betriebe vorkommt, so wird der Zugführer zweckmäßig in dessen unmittelbarer Nähe untergebracht, damit er an der Signalbeobachtung sich beteiligen oder im Notfalle die Führung des Zuges übernehmen kann.

Einzelne Verwaltungen lassen auch wohl besondere Wagenabteile – in der Regel zweiter Klasse – in den hierfür hauptsächlich in Frage kommenden Zügen als D. beschildern, um ihren dienstlich reisenden Beamten, insbesondere denen des Aufsichtsdienstes die Ausführung der Dienstgeschäfte während der Fahrt zu erleichtern und die Reisenden vor Unbequemlichkeiten und Störungen zu schützen, die aus der Ausübung des Aufsichtsdienstes entstehen können. Die durch Entziehung der Plätze für den allgemeinen Reiseverkehr eintretenden Nachteile haben meist zur Aufhebung dieser Maßnahmen geführt. Unter anderem hat man auch bei den ungarischen Staatsbahnen, wo diese Einrichtung sich noch bis in die neuere Zeit erhalten hatte, diese D. im Jahre 1911 beseitigt.

Breusing.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 330-332.
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330 | 331 | 332
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