Zugförderungskosten

[501] Zugförderungskosten (running expenses; dépenses de conduite des trains; costo di trasporto). Zur Beurteilung der Selbstkosten der Betriebsleistungen bietet die Statistik der Eisenbahnverwaltungen nur relative Werte, die die Anteile der einzelnen Ausgabengruppen bezogen auf die Zug- und Wagenachs km angeben. Für die Wagenachs km stellten sich darnach die Gesamtselbstkosten, ohne Verzinsung des Anlagekapitals, bei den größeren deutschen Eisenbahnverwaltungen vor dem Kriege auf etwa 7 Pf. (Preußen-Hessen) bis 9 Pf. (Württemberg). Sie zeigten im Laufe der Jahre bei allen Verwaltungen eine Zunahme, die nicht stetig verlief, sondern unter der Einwirkung der Schwankungen der Wirtschaftskonjunktur diesen sich anpassende Schwankungen aufweist. Der Krieg und die nachfolgenden Zeiten schwerster wirtschaftlicher Erschütterung haben den Kostensatz erheblich gesteigert und ihn beispielsweise bei den ehemals preußisch-hessischen Bahnen im Jahre 1920 auf 128∙6 Pf. emporschnellen lassen. Den Anteil der hauptsächlichen Ausgabengruppen an den Z. zeigt nachstehende Tabelle, die des Vergleichs halber bis auf die Vorkriegszeit zurückgeführt ist.

Diese auf dem Buchungsschema beruhende Spezialisierung der Ausgaben reicht nicht zu einer Ermittelung der Kosten der reinen Zugförderung aus. Man bleibt hierbei auf Schätzungen angewiesen: versteht man unter diesen Kosten die Ausgaben für Lokomotiv- und Zugpersonal, für Kohle und sonstige Betriebsstoffe und für Unterhaltung des Oberbaus, so wird[501] man sie auf etwa 30% der Gesamtbetriebskosten annehmen können. Rechnet man auch die Kosten für Unterhaltung und Ergänzung der Betriebsmittel dazu, so dürften die reinen Z. in diesem erweiterten Sinne auf 55–60% der Gesamtbetriebskosten zu schätzen sein.

Es stellten sich die reinen Z. für das Zugkm im Schnellzugdienst auf 119∙1 Pf., im Personenzugdienst auf 88∙9 Pf., im Güterzugdienst auf 140∙5 Pf.; und die gesamten Betriebskosten, ohne Verzinsung des Anlagekapitals, für das Zugkm im Schnellzugdienst auf 208∙0 Pf., im Personenzugdienst auf 158∙5 Pf., im Güterzugdienst auf 246∙0 Pf. Es stellten sich für das Wagenachskm im Schnellzugdienst auf 11∙5 Pf., im Personenzugdienst auf 8∙04 Pf., im Güterzugdienst auf 4∙55 Pf.

Die Hauptschwierigkeit aller derartigen Untersuchungen liegt in der angemessenen Verteilung der einzelnen Ausgabenposten auf die verschiedenen Zuggattungen, insbesondere der Aufwendungen, die nicht unmittelbar für die Zugförderung erfolgen. Bei den persönlichen Kosten lassen sich nur die für den Lokomotiv- und für den Zugbegleitdienst entstandenen Aufwendungen in Verbindung mit den erfahrungsgemäß in den einzelnen Zuggattungen geleisteten Tagesleistungen einigermaßen genau ermitteln, die übrigen müssen nach einem angenommenen Maßstab verteilt werden, und ebenso bedarf es bei den sächlichen Aufgaben vielfacher Annahmen, um einen Verteilungsmaßstab zu finden. Eingehende Untersuchungen hierüber bringen die Arbeiten von Esch (Über den Einfluß der Geschwindigkeit der Beförderung auf die Selbstkosten der Eisenbahnen, Jena 1911) und Landsberg (Über die sachlichen Förderkosten des Eisenbahnbetriebes).

Die gesamten sächlichen Förderkosten, worunter die für Unterhaltung und Erneuerung des Oberbaus, Erhaltung und Ergänzung der Betriebsmittel und der maschinellen Anlagen und der Verbrauch an Betriebsstoffen verstanden werden, betragen nach Landsberg bei Schnellzügen 3∙82 Pf. f.d. Wagenachskm; bei Personenzügen 4∙00 Pf. f.d. Wagenachskm; bei Güterzügen 2∙470 Pf. f.d. Wagenachskm.

Esch, der außer diesen sächlichen Kosten auch die Aufwendungen für Lokomotiven und Zugbegleitpersonal und die Verzinsung für Lokomotiven und Wagen berücksichtigt, kommt zu folgenden Ergebnissen:

Bei Schnellzügen 4∙527 Pf. f.d. Wagenachskm, bei Personenzügen 4∙661 Pf. f.d. Wagenachskm, bei Güterzügen 2∙829 Pf. f.d. Wagenachskm.


Von den Kosten für 1 Wagenachs km entfallen (in Pfennig) auf:


Zugförderungskosten

[502] Die absoluten Zahlen dieser Ermittelungen haben zwar jetzt, wo das Geld infolge seiner ungeheuren Entwertung und wegen seiner Wertschwankungen nicht mehr in dem früheren Maße als Wertmesser gelten kann, an Bedeutung eingebüßt. Von Wert bleiben aber die Ergebnisse insofern, als sie einen Rückschluß auf das gegenseitige Kostenverhältnis der untersuchten Zugarten gestatten. Allerdings kann das Verhältnis der Kosten der beiden Hauptverkehrsarten und der Zuggattungen zueinander selbstverständlich auch kein gleichbleibendes sein; es ist abhängig von einer Reihe von Umständen, insbesondere von dem wechselnden Stärkeverhältnis der Hauptverkehrsarten und der hierfür erforderlich gewesenen Betriebsleistungen. Eine auf die Kenntnis der Einzelvorgänge und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sich stützende Annahme des Verhältnisses wird man aber verwenden können, um ein zwar auch nur als Schätzungsergebnis zu bewertendes, aber doch immerhin einigermaßen zutreffendes allgemeines Urteil über die Kosten der beiden Hauptverkehrsarten und bei weiterer Spezialisierung auch der einzelnen Zuggattungen zu gewinnen.

Hierbei ist davon auszugehen, daß ein Personenwagenachs/km fraglos teurer ist, als ein Güterwagenachskm. Die von der Zugzahl abhängigen Aufwendungen, also vor allem die Kosten für den stationären Dienst, aber auch die für Vorhaltung der Lokomotiven mit deren Bedienungspersonal verteilen sich – bei der geringeren Achsstärke der Personenzüge – auf eine geringere Anzahl von Achsen, und auch die sächlichen Aufwendungen, insbesondere für Kohlen, sind verhältnismäßig größer, während die durch die geringere Fahrgeschwindigkeit der Güterzüge und durch die ungünstigere Personalausnutzung bedingten höheren Personalkosten der Zugbegleitbediensteten sich wieder auf die größere Anzahl der Achsen der Güterzüge verteilen.

Aus der Statistik sind die Kosten (Ka) für ein Wagenachskm aller Art, ferner die Gesamtzahl aller gefahrenen Achskm (Aa km) bekannt, und unter entsprechender Zusammenfassung einiger Gruppen die im Personenzugdienst (Ap km) und im Güterzugdienst (Ag km) gefahrenen zu ermitteln. Bezeichnet man die zunächst noch nicht bekannten Kosten für das Wagenachskm im Personenverkehr mit Kp die des Güterverkehrs mit Kg, so ergibt sich die Beziehung:


Ap kmKp + AgkmKg = Aa kmKa


Nimmt man das Verhältnis Kp : Kg als bekannt an, so lassen sich die Werte Kp und Kg hieraus leicht berechnen.

Für die Vorkriegszeit schien das Verhältnis Kp : Kg = 1∙6 : 1 angenommen. Das Ergebnis einer neuerdings vorgenommenen Schätzung der Selbstkosten für die ehemals preußischhessischen Bahnen im Rechnungsjahr 1920 läßt jedoch vermuten, daß das Verhältnis sich jetzt zu ungunsten des Güterverkehrs verschoben hat, wobei vor allem die erheblichen jetzt für die Instandhaltung und Erneuerung der Fahrzeuge aufzuwendenden Mittel ins Gewicht fallen.

Das Verhältnis stellt sich nach dieser Selbstkostenschätzung auf 1∙16 : 1. Bei einer Gesamtzahl von 17.800 Mill. Wagenachskm, von denen 5300 Mill. auf den Personenverkehr, 12.600 Mill. auf den Güterverkehr entfallen und einem Satz von 128∙6 Pfg. der Gestehungskosten für ein Wagenachskm aller Art stellen sich demnach die Kosten für 1 Personenwagenachskm auf 142∙6 Pf., die eines Güterwagenachskm auf 122∙9 Pf. Bei einer durchschnittlichen Zugstärke von 31∙5 Achsen im Personenverkehr belaufen sich die Kosten für 1 Personenzugkm auf M. 44∙9, die im Güterverkehr bei einer durchschnittlichen Zugstärke von 76∙8 Achsen auf M. 94∙4 für 1 Güterzugkm (s. Fahrplan unter IV, 1 und Gütertarife unter II B).

Literatur: Das Selbstkostenproblem bei der Eisenbahnverwaltung. Verkehrstechn. W. 1921, Heft 47.


Tecklenburg.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 501-503.
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