Bertram, Gustav Oswald

[56] Bertram, Gustav, Oswald. Gustav Oswald Bertram wurde am 15. Oktober 1827 in Ermsleben, dem Geburtsorte Gleim's geboren, wo sein Vater Einnehmer war. Durch die Vermittelung eines Oheims, der Bürgermeister in Wettin war, zur Aufnahme in die Waisenanstalt der Franckeschen Stiftungen in Halle angemeldet, trat er nach vollendetem 10. Jahre zu Ostern 1838 in dieselbe ein und blieb dort bis Ostern 1846, in welchem Jahre er die Prima der lateinischen Hauptschule absolvierte. Nach seinem Abgang von der Schule trat er als Lehrling in die Buchhandlung des Waisenhauses in Halle ein und war dort bis 1850 thätig. Nachdem er ein Jahr in Berlin und ein weiteres in Leipzig als Gehilfe gearbeitet hatte, kaufte er 1852 die Luckhardtsche Sortiments-Buchhandlung in Kassel. Er führte sie unter seinem Namen, Oswald Bertram (Luckhardtsche Buchhandlung) fort, verkaufte das Geschäft aber bereits 1858 an Georg H. Wigand, um als Administrator der Buchhandlung des Waisenhauses nach Halle überzusiedeln.

Hier wandte er zuerst seine Thätigkeit der Buchdruckerei zu, verschmähte nicht, sich an den Setzkasten zu stellen und erlernte das[56] Fach so gründlich, daß er das zu jener Zeit vorgeschriebene Examen zum selbständigen Druckereibetrieb vor der Behörde in Merseburg mit Erfolg bestand. Er hat seine Kenntnisse 1875 in dem lehrreichen Schriftchen »Manuskript und Korrektur« niedergelegt.–

Neben dem Ausbau der Cansteinschen Bibelanstalt (er schrieb auch eine Geschichte derselben) war sein Bestreben vorwiegend auf die Vergrößerung des Buchverlags der Waisenhausbuchhandlung gerichtet. Zwar waren auf dem Gebiete der Schul- und Jugendschriften schon sehr wertvolle Verlagsartikel vorhanden, so namentlich Echtermeyers Auswahl deutscher Gedichte (1. Aufl. 1836, 32. Aufl. 1897) und Daniels Lehrbuch der Geographie (1. Aufl. 1845), doch kam es darauf an, die Vernachlässigungen, die bei dem ersteren Werke sehr groß waren, zu beseitigen. Er vergrößerte planmäßig die für die reifere Jugend bestimmte Jugendbibliothek und erwarb die Keckschen Lesebücher für Volksschulen. – Persönliche Neigung, verbunden mit der Erkenntnis des wissenschaftlichen Zuges der Zeit, führten ihn zur Ausdehnung des gelehrten Verlags, namentlich auf dem Gebiete der Historik, Linguistik und Germanistik.

Seit 1870 hatten die Bestrebungen der Buchdruckergehilfen, die auf die Festlegung eines Normal-Lohntarifes hinzielten, eingesetzt; sie fanden in Bertram, dem Vorsitzenden des Thüringisch-Sächsichen Kreisvereins des deutschen Buchdruckervereins einen warmen Förderer. Seine Berichte und Protokolle in Bezug auf die Lohnfrage, seine Mitwirkung bei dem Statutenentwurf der Centralunterstützungskasse des deutschen Buchdruckervereins und der Invaliden- und Witwenkasse für die Gehilfen der Halleschen Druckereien zeugen von seiner unermüdlichen Arbeitskraft im Dienst der Fachwelt.

Auch im Vorstand des Börsenvereins war er thätig; er wurde ferner von Minister Dr. Falk als Sachverständiger zur Konferenz zur Feststellung der deutschen Orthographie berufen und hat der Stadt Halle als Stadtverordneter angehört.

Bertram starb am 10. April 1876; sein Nachfolger im Amte als Administrator der Waisenhausbuchhandlung in Halle war bis 1. April 1901 August Schürmann (vergl. diesen Artikel, sowie Geschichte der Buchhandlung des Waisenhauses unter Francke; Artikel Canstein und Elers). Jetzt ist Carl Manz Administrator der Buchhandlung des Waisenhauses.

Quellen: Hallesches Tageblatt 1876.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 1. Berlin/Eberswalde 1902, S. 56-57.
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