Hempel, Gustav

[406] Hempel, G. Gustav Hempel entstammte einer thüringischen Kleinbürgerfamilie und wurde am 9. 1. 1819 zu Waltershausen bei Gotha geboren. Bis zu seinem 14. Lebensjahre genoß er Privatunterricht und trat dann als Lehrling in die Wellersche Buchhandlung in Bautzen ein. Nach vollendeter Lehrzeit ging er als Gehilfe nach Crefeld und wurde dann von Carl Heymann in Berlin engagiert; zuerst als Ueberzähliger mit einem Jahrgehalt von 160 Thaler und freiem Mittagstisch, was einem Gehalte von 40 Mark pro Monat gleichkommt. Allmählich stieg er bis zur ersten Gehilfenstelle, die ihm dann ein besseres, freieres Leben gestattete. Von seinem Jugendfreund Ed. Berger, Besitzer der gleichnamigen Gubener Firma bezog er Novitäten, die er hauptsächlich in Pharmazeutenkreisen umsetzte, daneben besorgte er die Berliner Kommission für Berger. Nach einem nochmaligen, aber nur kurzem Aufenthalt in Crefeld kehrte er wieder zu Heymann zurück, für dessen Geschäft er sich in außergewöhnlicher Weise nützlich zu machen wußte.

Mit der Frucht seiner Ersparnisse, wenigen hundert Thalern, begann er, 27 Jahre alt, im September 1846 seine Selbständigkeit. Er eröffnete eine Verlagshandlung und debütierte mit dem Werk »Dr. F. Förster, Preußens Helden in Krieg und Frieden«, ein Werk, das sieben Bände stark erst 1861 beendigt wurde, sieben starke Auflagen erlebt hat. Es wollte aber nicht recht vorwärts gehen, als Hempel auf den glücklichen Gedanken kam, den überall, in ganz Deutschland mit Spannung erwarteten Verhandlungen über den Hochverratsprozeß des Obertribunalrats Waldeck durch »stenographische Berichte« die größtmöglichste Verbreitung zu geben. Wie der Waldecksche Prozeß Hempel zum wohlhabenden Manne machte, wird anschaulich in der Sabellschen biographischen Skizze erzählt. Es heißt da »Hempel erzählte später, wie unendliche Mühe es ihm gekostet, von dem Vorsitzenden des Gerichtshofes, späteren Geheimen Justizrat Taddel, die Erlaubnis zu erhalten, für sich und acht Stenographen in dem beschränkten Sitzungssaal einen Tisch, der eben nicht ganz klein sein konnte, aufstellen zu dürfen. Aber der brave Taddel, dessen Rechtssinn, umsichtiger Leitung und Energie, die für gewisse Kreise wie ein Donnerschlag wirkende Freisprechung des Angeklagten Waldeck zu verdanken ist (er wurde dafür später von allen politischen Prozessen ausgeschlossen), wußte die Wichtigkeit des Unternehmens zu würdigen und die Einräumung eines Platzes für Hempel trotz aller Gegenmachinationen zu ermöglichen. So erschien[406] an jedem der fünf Sitzungstage morgens Hempel mit seinem Stenographengefolge im Sitzungssaal. Von hier aus wanderte das Pensum jedes Stenographen, sobald es fertig, durch im Hofe des Gerichtsgebäudes bereitstehende Boten, denen die Manuskriptbündel durch das Fenster zugeworfen wurden, weil der Andrang im Zuhörerraum eine andere Kommunikation nicht gestattete, in die Druckerei von A. W. Hayn, um hier sofort gesetzt zu werden; denn nach Schluß der Sitzung mußten die »Stenograph.-Bulletins« über den Waldeckschen Prozeß (halbe Bogen in Folio à 1 Sgr.) fertig sein; sonst wäre das Hempelsche Expeditionslokal gestürmt worden. Tausende von Zwischenhändlern, Zeitungsspediteuren, Kolporteuren etc. belagerten Letzteres und warteten sehnsüchtig auf die erste Sendung aus der Druckerei; kam diese endlich an, dann begann das Drängen und die Not für das Expeditions-Personal, das im Sturm und Drang an eine regelrechte Expedition nicht denken konnte, sondern sich begnügen mußte, wenn Hand und Auge Leistung und Gegenleistung als ungefähr richtig und balancierend anerkannte. Es war ein Treiben »wie in Hungersnot vor Bäckerläden«; Berlin hatte noch nie einen solchen Andrang vor einer Verlags-Expedition gesehen. Der Erfolg war kolossal! Hempel sagte später selbst, der Prozeß habe ihm soviel eingebracht, als hätte er »das halbe große Loos gewonnen«.

Hempel verlegte, was zeitgemäß, praktisch und lukrativ schien, was populär und im Volke verbreitungsfähig war, keine Wissenschaft schloß er aus; in seinen letzten Jahren überwog jedoch das Interesse für die deutschen Klassiker und für allgemeine Litteraturgeschichte. Sein gewaltiges Unternehmen bildete die »Nationalbibliothek sämtlicher deutscher Klassiker«, die er 1867 begründete und die in 248 Bänden vollendet wurde; sie umfaßte die Werke von Goethe, Schiller, Herder, Wieland, Klopstock, Lessing, Jean Paul, Bürger, Gellert, H. v. Kleist, Körner, Musäus, Seume, Voß, Chamisso, Hauff, Lenau und den Reinecke Fuchs. Die Mitwirkung Hempels bei diesem Unternehmen war nicht nur die eines Verlegers, er war im vollen Sinne des Wortes Mitarbeiter und hat sich um die Textrevisionen, denen er sich mit nie ermüdendem Fleiß unterzog, große bedeutende Verdienste erworben. Aber er hatte große Anfechtungen zu erdulden. Der nahe Untergang der Verlagsprivilegien, die große Bedeutung des Unternehmens, das allgemeine Aufsehen, welches es hervorrief, alles das rief Gegner und Neider wach. Einen heißen Kampf hatte Hempel namentlich mit Cotta wegen Lenau auszufechten; das Börsenblatt für 1868 (vergl. auch 1867 Nr. 234 und 1870 Nr. 69) giebt[407] ein Bild der damaligen Kämpfe, wenn auch mehr in negativem Sinne, denn es stand, merkwürdigerweise – auf der Seite von Hempels Gegnern. Der Zeitungsschreiber Dr. A. Diezmann war in dieser litterarischen Fehde Hempels schlimmster Feind; die Veröffentlichungen dieses Mannes aber richteten sich später selbst. Hempel verteidigte seine gute Sache energisch durch Zirkulare an den Buchhandel, so durch die Broschüre »Schiller und der Buchhändler Hempel«, ferner in einer Reihe von gedruckten Briefen »an Herrn Ernst Keil in Leipzig« – »an Herrn Jul. Krauß, Redakteur des Börsenblattes« – »an meine Freunde im deutschen Buchhandel« – »wider Herrn A. Diezmann« etc. und er siegte endlich, sein großes Werk wurde immer mehr anerkannt und gewürdigt.

Von sonstigen Verlagsartikeln Hempels (darunter auch den von Carl Hoffmann in Stuttgart übernommenen) waren besonders durchschlagend: Dr. Zimmermanns populäre naturwissenschaftliche Schriften (der Erdball 21. Aufl. 1892; daraus apart Wunder der Urwelt 34. Aufl. 1899, in alle europäischen Sprachen übersetzt; Chemie für Laien, 9 Bände) – Classiker aller Zeiten und Nationen, nebst vollständiger Geschichte der einzelnen Litteraturen von Ad. Wolff, Dohm, Wollheim u.s.w. – Littrow, Wunder des Himmels 8. Aufl. 1897; A. Bernstein, Naturwissenschaftliche Volksbücher 5. Aufl. 1899, 4 Bde. Im Verein mit seinem Freunde Karl Wiegandt begründete Kommerzienrat Hempel 1848 eine landwirtschaftliche Verlagsbuchhandlung, die zuerst unter der Firma Karl Wiegandt betrieben, dann, nachdem Wiegandt am 5. Oktober 1867 verstorben und 1869 Paul Parey in die Firma eingetreten war, unter dem Namen Wiegandt, Hempel & Parey weitergeführt wurde.

Gustav Hempel starb am 13. 1. 1877, das Geschäft wurde an G. Bernstein verkauft, der es seinem Sohn Hugo Bernstein (gest. 2. 6. 1903), dem gleichzeitigen Inhaber der Buchdruckerei von G. Bernstein, in Berlin, am 1. Juli 1879 übergab. Im Jahre 1886 wurde die Firma Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung hinzuerworben. Beide Verlagsgeschäfte waren seit 1. Januar 1887 unter der älteren Firma Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, gegründet 1808 (vergl. Artikel J. E. Hitzig) vereinigt.

1901 ging der alte Hempelsche Klassikerverlag an Dr. J. Petersmann in Leipzig über, der ihn unter der Firma Verlag von Hempels Klassikerausgaben in Leipzig fortführt (vergl. Artikel Spamer).

Quellen: Dr. E. Sabell, Kommerzienrat G. Hempel, Berlin 1877; Verlagskatalog 1879, 1883, 1886, 1892.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 406-408.
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