Helwing, Familie

[403] Helwing. Das Bestehen der Helwingschen Hof-Buchhandlung in Hannover ist schon im 16. Jahrhundert nachzuweisen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts befand sie sich im Besitze[403] des Buchdruckers Nikolaus Förster (Förster & Grentz erhielten am 26. April 1689 vom Magistrat zu Hannover ein Privilegium). Chr. Fr. Helwig wurde 19. 1. 1725 zu Cöslin, wo sein Vater Brauer und Kaufmann war, geboren. Er besuchte die Schulen zu Cöslin und Stolpe, mußte vor den preußischen Werbern nach Halle flüchten, wo er ein dreijähriges Universitätsstudium absolvierte. Vorübergehend als Hofmeister in der Familie v. Oertzen zu Blumenow in Mecklenburg thätig, finden wir ihn 1747 zur Fortsetzung seiner Studien wieder in Halle, wo er nebenbei auch als Korrektor bei Gebauer fungierte. 1749 zum Rektor am Lemgoer Gymnasium ernannt, verheiratete er sich mit der Tochter des bekannten Lemgoer Buchhändlers J. H. Meyer und übernahm nach dem Tode seines Schwiegervaters dessen Geschäft. 1774 erwarb Helwing in Gemeinschaft mit seinem Bruder die Förstersche Buchhandlung in Hannover samt deren Filiale in Pyrmont. Er legte auch ein Zweiggeschäft in Duisburg an, das später an G. D. Baedeker in Essen übergegangen ist. Helwing gab 1775 in 20 Bänden die Lemgoische Litteraturbibliothek heraus und war Verfasser einer Reihe kleinerer Schriften moralphilosophischen Inhalts. Nachdem die Gebrüder Helwing der Firma den Namen gegeben hatten, erwarb dieselbe im Beginn des Dezenniums von 1830 August Mierzinsky, ein polnischer Edelmann, durch Kauf. Er wurde, nachdem er im Theresianeum zu Wien eine adelige Erziehung empfangen und sich mit der Gräfin Hardeborska vermählt hatte, 1789 von seinen Gütern in Polen, welche man einzog, verwiesen. Darauf beteiligte sich Mierzinsky an den Heldenkämpfen der deutschen Legion auf der Peninsula und bei Waterloo, erhielt für seine Verdienste den Titel Kriegskommissär und lebte nach den Befreiungskriegen in Hamburg, bis er zu der erwähnten Zeit nach Hannover kam. Er ist der Verfasser der »Erinnerungen aus Hannover und Hamburg aus den Jahren 1803-1813«. August Mierzinsky führte das Geschäft mit Erfolg bis zu seinem Tode 1857, nachdem schon 1842 sein in Hamburg geborener Sohn Carl Mierzinsky, welcher in den Leidenstagen der Hansestadt (1811) die Nottaufe auf der Straße empfing, in das Geschäft eingetreten war. Der letztere starb 1872; von dieser Zeit war das Geschäft im Besitze seines Sohnes Theodor Mierzinsky, geboren 1846, gestorben 1888; es befindet sich seitdem in den Händen der Witwe und deren Kinder, von denen z. Z. Carl Mierzinsky die Firma als Prokurist vertritt. –[404] In dem Helwingschen Verlage erschienen 1699, 1707, 1717 und 1763 einzelne Werke des Philosophen Leibniz, 1763 bis 1783 diejenigen des Juristen Puffendorf, wie seit 1792 die zahlreichen und wertvollen Schriften des Generals Scharnhorst (Handbuch für Offiziere, 3 Teile, 1787/90; neues militärisches Journal, 26 Stücke, 1788/1805), von 1788-1806 wurden die historischen Arbeiten von Meiners, Spittler, Generalfeldzeugmeister von der Decken und bis 1830 Schlegels Kirchengeschichte veröffentlicht; ferner Elise Bürgers theatralische Werke und Karmarschs berühmtes Werk über Technologie; von hier aus verbreitete sich der wissenschaftliche Ruhm des Justizministers Leonhardt durch seine juristischen Schriften. Der von Th. Mierzinsky aus persönlicher Liebhaberei gepflegte militärwissenschaftliche Verlag ging 1894 an die Firma Zuckschwerdt & Möschke (jetzt Zuckschwerdt & Co., Inhaber Hans Wiegrebe) in Leipzig über. Neuerdings kultivierte der Verlag neben Rechtswissenschaft, wozu u. a. auch die bekannte Zeitschrift »Das Recht« gehört, hauptsächlich Pädagogik und Lehrbücher für technische Hochschulen. Bis zum Jahre 1848 hatten die Hahnsche und Helwingsche Hof-Buchhandlung für Hannover das einzige Privileg und genossen unter andern Vorteilen zeitweise auch Portofreiheit innerhalb des ehemaligen Königreichs.

Der 1857 im Alter von nahezu 100 Jahren verstorbene Ignaz August von Mierzinsky (diesen Namen hat er erst nach seiner Vertreibung aus Polen angenommen. Der frühere Name ist unbekannt, jedoch deutet das noch jetzt von der Familie geführte adelige Wappen auf eine nahe Verwandtschaft mit dem berühmten polnischen Geschlechte der »Jastrczembiec(ki)« hin) war ein Sonderling im höchsten Grade. Pole mit Leib und Seele, sprach er überhaupt nur ungern und widerwillig deutsch. So hat derselbe u. a. es fertig gebracht, kurz vor seinem Tode das gesamte Geschäftsarchiv zu vernichten, sodaß über die ersten beiden Jahrhunderte des Bestehens der Firma fast nichts mehr bekannt ist. – Das Helwingsche Sortiment ging 1876 an H. Lindemann über, und befindet sich seit 1884 im Besitze von Heinrich Hermann, in Firma B. Hermann in Leipzig; die 1871 gegründete Helwingsche Filiale in Celle kam 1879 an Karl André. Die Gründung der Filiale Celle wurde vermutlich durch den Preßkampf im Börsenblatt vom 14. April 1870, S. 1306 und folgende Nummern veranlaßt.

Quellen: Allgem. Deutsche Biographie IX. Band; ergänzende Originalmitteilung; Spilcker, historisch-topographisch-statistische Beschreibung der Residenzstadt Hannover, 1819; Verlagskatalog 1797, 1808 mit 4 Nachträgen bis 1828, 1830 mit 3 Nachträgen bis 1838, 1850, 1858, 1863, 1878.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 403-405.
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