Cartusche

[194] Cartusche. (Zeichnende Künste)

Eine gemahlte oder geschnitzte Zierrath, welche einen angehefteten Wapenschild vorstellt, darin ein Wapen, oder ein Sinnbild, oder eine Schrift kann gesetzt werden. Vermuthlich sind sie zuerst in der Baukunst aufgekommen, da man über Thüren, oder an den Giebeln der Häuser, solche Schilde mit dem Wapen des Eigenthümers hingesetzt hat. Von da hat sich ihr Gebrauch weiter erstrekt, so daß man sie jetzo an sehr verschiedenen Oertern, über Thüren, Fenstern, an den Stürzen der Camine, und an allen Arten der Einfassungen, ingleichen überall, wo Aufschriften sollen oder könnten gesetzt werden, anbringt. Ihre Form hat nichts bestimmtes. Die Künstler schweiffen in keiner Sache mehr aus als in dieser Zierrath, wo sie ihrer Phantasie vollen Lauf lassen. Ihr Gebrauch wird sehr übertrieben; denn unwissende Verzierer und Bildhauer bringen sie überall an, um nur nichts unverziert zu lassen. In ihrer Form sind sie so ausschweiffend, daß man ofte nicht errathen kann, was es seyn soll; viele halten es vor eine Schönheit der Cartusche Flügel anzuhängen, daß es scheinen soll, als wenn sie davon fliegen wolle. So weit kommt man in der Ausschweiffung, wenn man einmal von dem wahren Gebrauch und den Absichten der Verzierungen abgewichen ist.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 194.
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