Choregraphie

[205] Choregraphie. (Tanzkunst)

Die Kunst die Tänze durch Zeichen anzudeuten, so wie der Gesang durch Noten angedeutet wird. Wer einen Tanz völlig beschreiben wollte, der müßte folgende Dinge beschreiben. 1. Den Weg, den jeder Tänzer nimmt, welches die Figur genennt wird. 2. Die Glieder oder die Theile dieses Weges, die zu jedem Takt der Musik gehören. 3. Die kleinern Theile des Takts, nämlich, was in jeder Zeit und auf jede Note geschieht. 4. Die Stellungen der Füsse, der Aerme und des Leibes. 5. Die Bewegungen. Für alles dieses nun müssen Zeichen vorhanden seyn.

Die Figur und auf derselben die Länge der Glieder zu zeichnen, hat nicht die geringste Schwierigkeit, weil man jeden Weg durch Linien bezeichnen kann. Damit man begreife, wie die übrigen Zeichen entstanden sind, und wie sie alles, was nothwendig ist ausdruken, wollen wir folgendes bemerken. Die Elemente des Tanzes sind die Stellungen der Füsse, die Stellung der Aerme, die Bewegungen ohne Fortrüken, die Bewegungen mit Fortrüken, oder die Schritte. Alles was dazu gehöret, muß nicht nur können durch Zeichen angedeutet werden, sondern die Geschwindigkeit, in welcher die Bewegungen zu machen sind, muß noch über dem angemerkt seyn.

Für jedes dieser Elemente sind bestimmte Zeichen erfunden, aus deren Zusammenhang der ganze Tanz eben so verständlich wird, als ein Tonstük dem Spieler durch die Noten wird.

Die Erfindung dieser Kunst ist nicht sehr alt, und dennoch durch einige Ungewißheit verdunkelt. Die erste Veranlassung dazu scheinet Thoinet Arbeau, ein Franzose, gegeben zu haben, der 1588 ein Werk unter dem Titel Orchesographie herausgegeben. Seine Erfindung bestuhnd darin, daß er in dem, zu jedem Tanz gehörigen Tonstük, unter den Noten die Schritte anmerkte. Aber für die Figur und das übrige hatte er keine Zeichen. Diese Erfindung blieb also ohngefehr ein ganzes Jahrhundert ungebraucht, bis Feuillet, ein Tanzmeister in Paris, seine Choregraphie herausgegeben, darin diese Kunst in ihrem völligen Licht erscheinet.1 Dieser Tanzmeister eignet sich die ganze Erfindung derselben zu: andre aber geben ihm Schuld, er habe die Sache dem berühmten Tanzmeister Beauchamps durch einen gelehrten Diebstal entwendet.

1Der Titel des Buchs ist dieser: Chorégraphie ou l'art d'écrire la danse par caractères, figures & signes demonstratifs etc. par Mr. Feuillet, Maître de Danse. Die zweyte Ausgabe ist von 1701.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 205.
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