Concert

[223] Concert. (Musik)

Dieses Wort hat zweyerley Bedeutung. Es bezeichnet eine Versammlung von Tonkünstlern, die zusammen eine Musik aufführen; und bedeutet auch eine besondere Gattung des Tonstüks. Im ersten Sinn sagt man: Es ist heute Concert bey Hofe; ein wöchentliches Concert. Im andern Sinn wird das Wort genommen, wenn man sagt: Er hat ein Violin-oder Flötenconcert, gemacht. In folgenden Anmerkungen wird das Wort in dieser zweyten Bedeutung genommen.

Die Concerte sind von zweyerley Gattung; die von den Italiänern durch die Namen Concerto grosso und Concerto di Camera, unterschieden werden. Das erste hat mehrere Hauptstimmen, damit verschiedene Instrumente mit einander gleichsam streiten; und eben daher, (nämlich von dem Wort concertare) hat diese Art der Musik ihren Namen. In solchen Stüken ist eine beständige Abwechslung der Instrumente, da bald dieses, bald ein anders den Hauptgesang oder die Hauptstimme führt, bald alle zusammen eintreten. Die Hauptstimmen wechseln so gegen einander ab, daß das, was das eine Instrument gespielt hat, von einem andern nach der ihm eigenen Art, bald freyer, bald genauer nachgeahmet wird. Zu Verfertigung solcher Concerte also hat der Tonsetzer alle Künste des Contrapunkts1 nöthig; und da überhaupt die Arbeit mühsam und weitläuftig ist, so findet sich selten ein Tonsetzer, der sich damit abgiebt; daher solche Concerte, besonders in Deutschland, ungewöhnlich sind.

Das gemeine Cammerconcert kommt desto häufiger vor, weil jeder Virtuos glaubt, durch ein solches Concert die beste Gelegenheit zu haben, seine Geschiklichkeit zu zeigen. Ein solches Concert ist also für ein besonderes Instrument, das Clavier, die Violine, die Flöte, die Baßgeige, die Gambe u. s. f. gemacht, welches die Hauptstimme des Tonstüks führet. Die Einrichtung desselben ist, nach dem, was itzt gewöhnlich ist, folgende. Es besteht aus drey Haupttheilen, davon der erste ein Allegro, der zweyte ein Adagio oder Andante, und der dritte wieder ein Allegro oder Presto ist. Der erste Theil ist insgemein der längste, der letzte der kürzeste, und man kann sich von der Grösse eines solchen Tonstüks aus dem ohngefehren Zeitmaasse, das Quantz dafür angiebt, einen Begriff machen. Nach seiner Bemerkung hat das Concert die beste Grösse, wenn der erste Theil etwa fünf Minuten lang, der andre fünf bis sechs, und der dritte drey bis vier Minuten, [223] und also das ganze Concert eine Viertelstunde dauret. Jeder Theil fängt mit allen Instrumenten zugleich an, und hört auch so auf; in der Mitte läßt sich meistentheils nur das Hauptinstrument hören, und hat alsdenn blos einen begleitenden Baß, hier und da aber eine sehr einfache Begleitung anderer Instrumente; doch fallen sie auch mitten im Stüke bisweilen wieder ein. Wem mit besondern Anmerkungen über die Beschaffenheit dieses Concerts gedient ist, der kann in Quantzens Anweisung die Flöte zu spielen, im XVIII. Hauptstük, den 32sten und einige folgende Paragraphen lesen. Wir begnügen uns hier folgendes anzumerken. 1. In dem Ritornel wird der Hauptsatz, den die concertirende Stimme hernach ausarbeitet und verzieret, vorgetragen. Dieses schließt in dem Haupttone, ehe der Concertist anfängt. 2. Hierauf läßt sich die concertirende Stimme hören, und trägt entweder die Melodie des Ritornels vor, oder läßt gar eine andre hören, mit welcher sich der Hauptsatz des Ritornels ganz oder stükweise vereiniget. Je mehr neues in der Concertstimme vorkommt, das im Ritornel nicht gehört worden, wenn nur dabey in der Begleitung Sätze aus dem Hauptthema vorkommen, desto besser wird es sich ausnehmen. Hingegen steht es nicht gut, wenn die concertirende Stimme verschiedene Passagen anbringt, die mit dem Hauptthema keine Verbindung haben. 3. Man kann wechselsweise mit fünf- vier- drey- und zweystimmigem Spiel abwechseln. Aber je weniger Stimmen sind, desto mehr muß sich der Gesang durch wahre Schönheiten der Melodie auszeichnen. 4. Hiebey können mit Ueberlegung allerley Arten von Contrapunkten, gebundene und freye Nachahmungen, und selbst Canones von allerhand Arten angebracht werden.

Das Concert hat eigentlich keinen bestimmten Charakter; denn niemand kann sagen, was es vorstellen soll, oder was man damit ausrichten will. Im Grund ist es nichts, als eine Uebung für Setzer und Spieler, und eine ganz unbestimmte, weiter auf nichts abzielende Ergötzung des Ohres.

Concertirende Stimmen oder Instrumente sind solche, die in einem Tonstük nicht blos zur Begleitung oder Ausfüllung dienen, sondern mit andern in Führung der Hauptmelodie abwechseln.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 223-224.
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