Pentameter

[886] Pentameter. (Poesie)

Ein Vers von fünf Füßen, der gerad in der Mitte seinen Einschnitt nach einer langen Sylbe hat, die ein Wort endiget, worauf die andre Hälfte wieder mit einer langen Sylbe anfängt, und sich eben so, wie die erste endiget.


Nil mihi rescribas | attamen ipse veni.

Daurend Verlangen, und Ach | keine Geliebte dazu.

Du die meine Begierd | stark und unsterblich verlangt.


Er zerfällt also beständig in zwey halbe Verse, jeder von Drithalbfüßen.

Man braucht ihn nie anders als mit dem Hexameter gepart; denn das Distichon von einen Hexameter auf den ein Pentameter folget, macht die elegische Versart der Alten aus.1 Im Deutschen hat Klopstok sie zuerst eingeführt. Sie muß für diejenigen, die den Reim nicht gerne missen, weniger unangenehm seyn, als jedes andre der alten Sylbenmaaße ohne Reim. Denn da unser Hexameter sehr ofte mit einer kurzen Sylbe schließt, der Pentameter aber mit einer langen, so wird durch die beständig abwechselnde Folge des weiblichen und männlichen Schlusses, einigermaaßen der Abgang des Reims ersezt.

Verschiedene Kunstrichter sind dem Pentameter nicht günstig, und finden ihn langweilig. Freylich könnte man ihn allein nicht brauchen; darum wechselt er mit dem Hexameter beständig ab, und das etwas ins langweilige fallende Einerley kommt mit der eigentlichen Elegie, die selbst etwas sich beständig auf einem Ton herumdrähendes, aber der Empfindung natürliches hat, wol überein.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 886.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: