Creusa

[148] Creusa (Gr. M.),

1) Tochter des Priamus und der unglücklichen Hecuba, welche alle ihre Kinder, von dem Schwerte der Feinde gemordet, hinsinken sah, vermählt mit Aeneas, dem sie den Ascanius gebar. Sie wollte, als die Stadt in Flammen stand und die eindringenden Feinde nicht mehr zurückgedrängt werden konnten, mit ihrem Gatten entfliehen, welcher den Anchises, seinen Vater, auf den Schultern und seinen Sohn Ascan an der Hand hatte, um sich zu Schiffe zu retten, doch im Gedränge verlor sie sich von dem Gatten. Aeneas kehrte zurück, um sie zu suchen, rief sie überall bei Namen, doch vergeblich, bis sie ihm endlich als luftiges Schattenbild erschien und ihm sagte, die Mutter der Götter habe nicht gewollt, dass sie die Laren und Penaten ihres Hauses verlasse und in ein fremdes Land ziehe, sie habe sie daher lebendig zu sich in den Olymp genommen; darauf erst entschloss sich Aeneas zur Abreise.

2) C., Tochter des Königs von Athen, Erechtheus, welcher sich mit Praxithea, eines andern attischen Königs Tochter, vermählt hatte. C. war überaus schön, so dass Apollo sich in sie verliebte und, als sie einst zu seinem Tempel opfernd kam, auch ihre Gegenliebe gewann. Die Frucht dieses Verhältnisses war Ion, der Stammvater der Ionier. C. barg das Kind in ein Kästchen und setzte es aus; Apollo brachte es der Pythia zu Delphi, welche es erzog. Die Geliebte des Apollo vermählte sich mit Xuthus, dessen Ehe kinderlos blieb, obwohl ihm gesagt war, er würde zwei Söhne erhalten, welche ganzen Nationen ihre Namen geben würden. In der Absicht, des Orakel noch einmal zu fragen, ging er mit seiner Gattin nach Delphi, und ihm ward die Antwort, er habe bereits einen Sohn; der Erste, der ihm begegne, wenn er aus dem Tempel trete, sei es. Ion begegnete ihm und da sich der König erinnerte, dass er einst mit einer Nymphe zu Delphi ein Verhältniss gehabt, so glaubte er, deren Sohn zu umarmen, und nahm ihn überaus freundlich auf. Hierüber entrüstet, bereitete C., nicht wissend, dass Ion ihr Kind sei, demselben Gift, indem sie den Mundschenken bestach, dem Jüngling bei dem Freudenmahle einen Todesbecher zu reichen. Ion spendete den Göttern Trankopfer; Apollo sandte eine Taube herzu, welche von dem Vergossenen trank und augenblicklich starb. Der ergriffene, hart bedrohete Mundschenk bekannte, dass C. es gewesen, die Jenem nach dem Leben getrachtet, und nun wollte Ion sie ermorden (welcher gleichfalls von seinem Verhältniss zu ihr nichts wusste). Sie floh, und da sie sich nirgends verbergen konnte, umklammerte sie endlich die Bildsäule des Gottes, im Heiligthum des Tempels Schutz suchend, doch auch dort wollte sie Ion noch durch einen Pfeil tödten, als die Priesterin herbeikam und durch das mitgebrachte Kästchen die verwirrenden Räthsel löste. Ion ward von Xuthus, der nicht so hart war, als C., an Sohnes Statt angenommen, und nun ward sein Ehebett noch durch den Achäus und den Dorus gesegnet (wiewohl der Letztere nach der verbreitetern Sage sein Bruder ist), und Apollo's Orakelspruch auf solche Weise erfüllt, indem die Dorier, Ionier und Achäer sich nach diesen Söhnen nannten. - Die Höhle, in welcher C. und Apollo zusammengekommen, ward im Umkreis des delphischen Tempels gezeigt, doch auch die Pans-Grotte unter der Burg zu Athen galt nach Anderen dafür.

3) C., die zweite Gattin des treulosen Jason. Dieser, vergessend, welche Wohlthaten ihm Medea erwiesen, verstiess diese und vermählte sich mit C., worauf jene sich durch Aller Tod rächte. Creon (2) und Medea.

4) C., eine Najade, Geliebte des thessalischen Flussgottes Peneus, welcher sie am Pindus überraschte und zur Mutter des Hypseus und der Stilbe machte. Ersterer ward König der Lapithen; ihm entstammen Cyrene, Alcäa, Themisto, Astyagea. Stilbe soll von Apollo Mutter des Lapithus und Centaurus gewesen sein.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 148.
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