Echidna

[180] Echidna (Gr. M.), ein fabelhaftes Wesen, von oben eine schöne Jungfrau, unterhalb in eine ungeheure Schlange auslaufend. Ihre Eltern sind entweder Chrysaor und Callirrhoë, oder Tartarus und Gäa, oder Piras und Styx; ihr Gatte ist der Riese Typhon, mit welchem sie eine Menge Ungeheuer erzeugt: die Chimära, den zwei- oder dreiköpfigen Hund Orthus, den hundertköpfigen Drachen, der die Aepfel der Hesperiden bewacht, den colchischen Drachen, die Sphinx, den Cerberus, die Scylla, den Gorgon, die neunköpfige lernäische Schlange, den Adler, der die Leber des Prometheus frisst, den nemeïschen Löwen. Ihr Wohnland ist nach Herodot Scythien; dieser erzählt von einer Verbindung der E. mit Hercules. Als der Heros nämlich durch Scythien zog, habe ihn einst der Schlaf überfallen. Unterdessen seien seine Pferde auf der Weide durch göttliche Schickung abhanden gekommen, Hercules habe nach dem Erwachen sie gesucht und sei in das hyläische Land gekommen, da habe er in einer Höhle eine zweigestaltige Jungfrau, E., gefunden, die von den Hüften an den Oberleib eines Weibes, den Unterleib aber von einer Schlange hatte. Nachdem er diese mit Verwunderung erblickt, habe er gefragt, ob sie keine verlaufenen Pferde gesehen? worauf sie erklärte, sie besitze dieselben, werde sie aber nur um den Preis seiner Liebe wieder geben. Hercules habe sich dazu verstanden, sie aber die Zurückgabe der Rosse immer verschoben, weil sie den Helden gern noch länger bei sich behalten wollte; endlich, habe sie gesagt: ich habe dir die Pferde, welche hierher kamen, erhalten, und du mir den Dank dafür bezahlt, denn ich habe von dir drei Söhne; sage nun, was geschehen soll, wenn diese gross sind? Darauf soll Hercules geantwortet haben: Wenn deine Söhne zu Männern erwachsen sind, wirst du es am besten also machen: welchen von ihnen du diesen Bogen so spannen und diesen Gürtel so umgürten siehst, den behalte im Lande; wer aber in diesen von mir vorgeschriebenen Stücken zurückbleibt, den schicke aus dem Lande fort, und wenn du so fortfährst, wirst du Freude haben. Darauf habe Hercules den einen seiner Bogen gespannt, und ihr seinen Gürtel gewiesen, der über seiner Schnalle eine goldene Schale gehabt, dann ihr Beides gegeben, und sei davon gezogen. Nun habe E. ihren Söhnen Namen gegeben, Agathyrsus den einen, den folgenden Gelonus und den jüngsten Scythes genannt; als sie herangewachsen, sei sie nach Hercules' Vorschrift verfahren, da seien denn die älteren, von ihrer Mutter verstossen, ausgewandert, der jüngste aber, der die Aufgabe habe lösen können, sei im Lande geblieben, und von ihm, also von Hercules, stammten die jedesmaligen Könige der Scythen, und von ihm her tragen auch noch diese Völker Schalen an ihren Gürteln.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 180.
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