Feuer

[204] Feuer. Auf den rohen, ungebildeten Menschen machte schwerlich irgend eine Naturerscheinung grössern, gewaltsamern Eindruck, als der Blitz und der darauf folgende Donner. Was war natürlicher, als dass er den brennenden Baum, den der Blitz entzündete, als ein höheres Wesen anbetete, eine Verehrung, welche sich noch steigern musste, wenn er neben der Furchtbarkeit dieses Elements auch noch dessen Wohlthätigkeit kennen lernte. So ward es uncultivirten Völkern ein Gott, civilisirten dagegen das reinste Symbol der Gottheit. In dieser Art stellt es als F.dienst Zoroaster in der durch ihn gereinigten persischen Religion auf. Er lehrte seine Anhänger nicht nur heim Anlegen des Holzes an das Küchenfeuer ein Gebet, Atesch-Beram, sprechen, das heilige F. Atesch in dem Metallgefäss Ateschdan, innerhalb der F.capelle Ateschgah, unterhalten, und im F.tempel Ateschkaneh zu demselben beten; er lehrte sie auch den Unterschied in den Arten des F.s ( Adar), und dass sie nur einen Ausfluss der Gottheit, nicht die Gottheit selbst, darin zu suchen hätten. So auch betrachten die Indier und mehrere der asiatischen Völker das F.; so ward höchst wahrscheinlich bei dem Volke Israel Gott in Verbindung mit dem F. gedacht, wie wir in seiner Erscheinung im feurigen Busch, im Donner und Blitz auf dem Sinai, in der F.säule, welche vor dem Heere herging, bemerken können; so ward das heilige F. im Tempel der Vesta, so ward im Blitze Jupiter, in der Flammensäule, welche dem Aetna entstieg, Vulcan verehrt; so beteten die mexicanischen Völkerstämme das F. als wohlthätige Gottheit an; so sehen wir durch ganz Hochasien und Africa denselben F.dienst, wenn auch unter andern Modificationen, wandern; und der Ansicht, dass das F. alles Materielle verzehre, so wie der, dass ein mächtiger Weltenbrand einst die Welt zerstören werde, liegt wesentlich die gleiche Vorstellung zu Grunde. Die römische, griechische und ägyptische Mythologie ist untergegangen, die Religion der Parsen bis auf wenige Mitglieder, die der Mexikaner und Scandinavier ganz vertilgt; in Asien aber besteht, namentlich in Indien und am caspischen Meere, die Heiligkeit[204] des F.s noch in ihrer ganzen frühern Höhe. Die Verbrennung der Todten, so wie die Opferung der Wittwen auf der Leiche des Verstorbenen, gehören ebenfalls hierher.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 204-205.
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