Genie

1. Das Genie braucht keinen Adelsbrief.

Clemens XIV. sagte: »Das Genie bedarf keines Adelsbriefs und die Tugend ist Königin im Himmel wie auf Erden.« (Neuyorker Abendzeitung vom 26. Sept. 1850.)


2. Ein Genie wird geboren.

Aber ein Esel auch. – Goethe sagt von Lessing: »Er wollte den Titel eines Genies ablehnen, aber seine dauernden Wirkungen zeugen wider ihn selber.« (Lessing's Leben von Stahr, II, 353.)


3. Er hat dazu so viel Genie wie ein Maulwurf zur Astronomie.


4. Genie sättigt nie.

»Das Genie«, sagt Jean Paul (vgl. dessen Leben von H. Döring), »gleicht dem Amor. Es ist geflügelt, aber blind, und wenn's hoch kommt, so fühlt es, wie die [1550] Polypen, das kritische Licht, aber es sieht es nicht.« Und Goethe: »Wo du das Genie erblickst, erblickst du zugleich eine Marterkrone.« (Vgl. Goethe, aus näherm persönlichem Umgange dargestellt. Nachgelassenes Werk von Joh. Falk, Leipzig 1832.) Hamann sagte vom Genie, es sei ein Geschenk, wie ein Purpurmantel, der einen zerfleischten Rücken deckt. – »Das Genie baut sich den Himmel aus seinen eigenen Träumen.« (Vgl. Beethoven et ses trois styles, par W. de Lenz.) Die Chinesen sagen: Mit dem Genie, dem Talent und der Wissenschaft ist es wie mit der Tugend, je mehr sie die Blicke auf sich ziehen, desto mehr drohen sie mit Verderben. (Cahier, 2118.) »Man gibt dem Genie keine Flügel, aber man beschneidet sie ihm. Augustus hat keinen Virgil geschaffen, aber einen Cicero hat er umgebracht.« (Magazin für die Literatur des Auslandes, 1854, Nr. 19, S. 75.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867, Sp. 1550-1551.
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