Nudeldrücker

* Es sind Nudeldrücker.

In Schweidnitz ist 1870 von S. Profe eine Flugschrift unter dem Titel Das Bürgerthum. Ein Handbüchlein zur Kenntniss, Eintheilung, Klassificirung u. Charakterisirung der Bürger aller Zeiten erschienen. Der Verfasser bringt die Bürger in folgende neun Klassen: Kronenbürger, Ehrenbürger, Grossbürger (Schoppenphilister), Pfahlbürger, Spiessbürger, Pelzbürger (Klatschphilister), Cravattenfabrikanten oder Halsabschneider, Nudeldrücker und endlich Schafköpfe (Idioten, Unwissende, Dummköpfe). Ich will einige Sätze aus der Charakteristik derselben hervorheben. »Nudeldrücker«, sagt Profe (S. 21), »heissen diejenigen Bürger und Personen, die in ihrem Verhalten und ihrem Charakter das Gepräge der Nudelfabrikanten besitzen. Der Begriff des Bestimmworts Nudel oder Nudeln bezeichnet sie in Handlungsart unentschlossen, drehend, vorsichtig, überlegt und langweilig, dabei stets nüchtern. Das Grundwort «drücken» deutet an, dass sie sich von jeglichen Ausgaben und Verpflichtungen fern halten, sich «drücken». Diese Klasse von Bürgern ist nächst den Cravattenfabrikanten (s.d.) die gefährlichste und verächtlichste. Den Charakter des Nudeldrückers erkennt man am Folgenden. Der Nudeldrücker ist zunächst geizig und habsüchtig. Er liebt die Gastfreundschaft, nur nicht in seinem Hause. Er isst viel und gut, wenn er nichts bezahlen darf. Er lobt die guten Weine und besitzt schon deshalb einen auffallend guten Appetit, weil Speise und Trank ihm nichts kosten. Der Nudeldrücker führt nicht gern Dose und Cigarren bei sich, er erbittet von seinen Freunden Prise und Cigarren. Vor dem Nachhausegehen aus dem Wirthshause versorgt er sich mit den nöthigen Zündhölzchen

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Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 1068.
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