Sichelhenke

Vor Sichelhenke ist kein Tanz.

Die Ernte muss erst vorüber sein, ehe man das Erntefest feiert. In Schwaben wird der Bartholomäustag vorzugsweise zur Abhaltung der Sichelhenke oder des Erntefestes gewählt. Sobald man alles Korn eingeheimst hat, ist es Brauch, einen Schmaus zu geben, welcher in manchen schwäbischen Ortschaften »Sichelhenkel«, an andern »Schnitthahn«, in Schwäbisch-Hall »Niederfallet« heisst. Man bäckt Brotkuchen dazu, die mit Rahm dick bestrichen sind und »Beete« oder »Beetle« genannt werden, kocht zweitens Fleisch und gibt Wein oder Bier zu trinken. Nachmittags ist Musik und Tanz; und gewöhnlich kommen noch andere Lustbarkeiten, wie Hammeltänze, Hut- und Hahnentänze vor. Bei den Deutschböhmen wird dieser Schmaus, den sie »Sichellege« oder »Haberkranz« nennen, stets am Sonntag nach Beendigung des Schnitts gehalten; und im nördlichen Deutschland, wo er »Erntebier« oder »Erntekranz« u.s.w. heisst, findet er meist schon an demselben Tage statt, wo das letzte Fuder Getreide eingebracht worden ist. Der letzte Erntewagen wird mit Baumzweigen und Feldblumen geschmückt, Schnitter und Schnitterinnen sind bekränzt und bebändert, sogar die Sicheln, Trinkgefässe, selbst die Peitsche des einfahrenden Knechts mit Blumen umwunden. Man zieht mit Sang und Klang nach Hause, um den betreffenden Bauer den mit Aehren gewundenen, mit Wintergrün und Dreifaltigkeitsblumen geschmückten Erntekranz zu überreichen und das Fest mit einem Tanz zu beschliessen. (Vgl. Deutsche Erntefestgebräuche in der Illustr. Zeitung vom 24. Aug. 1867, Nr. 1260, S. 127.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 548-549.
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