Angst, die

[309] Die Angst, plur. die Ängste, die Beklemmung der Brust, als eine Wirkung der dunkeln Empfindung eines hohen Grades von Furcht und Traurigkeit. Voller Angst seyn. Du machst dir vergebliche Angst. Er weiß vor Angst nicht, wo er bleiben soll. Die Angst meines Herzens ist groß. Herzensangst, Todesangst. In tausend Ängsten seyn.


Was darf er nun in Ängsten sitzen?

Haged.


Das Haus, das bey gemeinem Jammer,

Nur für die Frau in Ängsten stand,

Bernhardi.


Der Schauer, welcher mich mit kalter Angst durchläuft,

Weiße.


Anm. 1. Der Plural ist im Hochdeutschen nur in der dritten Endung mit der Präposition in üblich. Die Oberdeutsche Mundart gebraucht ihn nicht nur mit andern Präpositionen, sondern auch in andern Endungen. Mit grozen angustin, Ottfr.


Da Leib und Leben

Mit Ängsten nur umringet war,

Opitz.


Der Herr schickt freye Ruh

Dem, den er liebt, ohn Ängsten zu,

ebend. Ps. 127.


Aus diesem tiefen Grunde

Der Ängsten ruf ich dir,

ebend. Ps. 130.


Luther hat dieses in der Deutschen Bibel beybehalten. Und er sie errettet aus ihren Ängsten, Ps. 107, 6. So auch v. 13, 28. und anderswo. Ja es erlauben sich solches zuweilen auch Hochdeutsche Dichter.


Du machtest meinen Geist wohl eh von Ängsten los,

Can.


Ich Mensch empfinde stets im Denken Todesängste,

Dusch.


Anm. 2. Angst, alt Nieders. Anxte, Schwed. Angest, Engl. Anguish, alt Franz. Angoise, Bretagn. Encrès, Fränk. und Alemann. Angust, kommen mit dem Latein. Angustia genau überein. Das nächste Stammwort ist wohl das veraltete angen, drücken, kränken, beunruhigen, welches mit dem Latein. angere, und Griech. αγχειν, beengen, verwandt ist. Es wird bey dem Ottfried und Notker angetroffen, und muß noch zu Henischens Zeiten in Schwaben üblich gewesen seyn, weil er die sprichwörtliche R.A. anführet: Was dich nicht anget, darnach sollt du nicht fragen. Gemeiniglich leitet man dieses Verbum von enge ab, so daß angen eigentlich, in die Enge treiben, und Angst, eine Beengung oder Beklemmung der Brust bedeuten würde. Es kann aber auch seyn, daß Angst eine Nachahmung des natürlichen Lautes ist, den ein Geängstigter mit dem Athem von sich gibt, da es denn zu Ach, ächzen und dem Nieders. anken, ächzen, gehören würde.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 309.
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